Название: Geheimakte Luther
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Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865067012
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Clemens trat an eine der Fensteröffnungen. Alle Muskeln angespannt. Angefüllt mit Hass. „90 Prozent der Kunstschätze Roms wurden in den letzten vier Tagen zerstört. Könnt Ihr Euch das vorstellen? 10 Millionen Dukaten zerstört, schätzt der für Finanzen zuständige Kardinal. 10 Millionen Dukaten. Aus Bosheit vernichtet. In völliger geistiger Umnebelung.
Und wisst Ihr, was die Plünderer in die Fresken Raffaels geritzt haben, in diese edelsten aller Kunstwerke? In das Fresko der Disputa in der Stanza della Segnatura haben sie zum Beispiel geschrieben: ‚Es lebe König Karl. Luther.‘
Und in der Villa von Agostino Chilli, dem Haus meines Bankiers, haben sie auf die Wand geschmiert: ‚Was soll ich schreiben und nit lachen, die Landsknechte haben den Papst laufen machen.‘“
Clemens drehte sich mit einem Ruck wieder zu seinem Gast. „Glaubt mir, kein wahrer Katholik würde sich jemals so vermaledeit verhalten, wie es die irregeleiteten Lutherischen gerade tun. Nein, kein Katholik, und sei er auch noch so empört darüber, dass ich mich mit der Liga von Congnac gegen Kaiser Karl gestellt habe. Dabei ging es nur um Politik, in diesem Kampf aber geht es um die wahre Demut Gott gegenüber.
Ich sage Euch: Was da draußen geschieht – diese Plünderungen, Vergewaltigungen und die mutwilligen Zerstörungen – das ist eine Schande für das menschliche Geschlecht und für den Glauben an Christus. Ich weiß es nur zu gut: Es sind die Lutherischen im Heer Karls, die meine kirchlichen Würdenträger öffentlich demütigen und die die geweihten und edlen Monstranzen wie einen alten Kochlöffel behandeln. Sie machen aus diesem grauenhaften Krieg eine … ja, eine Schande. Und darum … “
Er setzte sich wieder hin. Schwer atmend. „Darum habe ich entschieden, das Übel bei der Wurzel zu packen. Wir müssen diesen Luther, den ich – das gebe ich offen zu – lange unterschätzt habe, viel zu lange, in den Griff bekommen. Ihn lahmlegen. Und zwar ein für alle Mal. Er muss vernichtet werden. Versteht Ihr, was ich meine?“
Sebastiano neigte den Kopf zur Seite und räusperte sich kurz. Dann antwortete er: „Verzeiht, Heiliger Vater. Aber habt Ihr nicht schon durch die Exkommunikation dieses Mannes und durch die bei Karl erlangte Reichsacht, die ihn vogelfrei macht, alles getan, was in Eurer Macht stand?“
Der Papst ließ verächtlich seine Lippen ploppen. „Ihr unterschätzt offensichtlich die Mächte des Himmels, Sebastiano. Und die Macht des Papstes. Passt auf: Diesem Luther ist es gelungen, eine fixe, von wirren Vorstellungen durchdrungene Idee in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Und mit der Bannbulle und der Ächtung haben wir ihn nur zum Märtyrer gemacht. Leider.
Nein, wir müssen ihn, seine Person und damit indirekt seine Lehre, lächerlich machen. Wir müssen der ganzen Welt zeigen, dass er diese ach so theologischen Hirngespinste nur ersonnen hat, um seine allzu menschlichen Begierden zu befriedigen. Seine banalen Sehnsüchte. Seine … was weiß ich. Das sollt Ihr ja herausfinden. Findet etwas in seinem Leben, die Achillesferse des Dr. Luther … “
Seine Augen waren glasig geworden. Seine Brust hob sich vor Erregung. „Wie der vermeintliche Held Siegfried wird auch dieser deutsche Ketzer eine Stelle haben, an der man ihn verwunden kann. Eine Blöße. Und Ihr sollt sie mir offenbaren. Ich will alles über ihn wissen, einfach alles. Wann er Blähungen bekommt, wie man ihn in seiner Heimat wahrnimmt und warum er mit diesen Humanisten herumhängt. Ich will ihn endlich verstehen. Weil man seinen Gegner nur besiegen kann, wenn man ihn gut kennt. Also: Beschafft mir möglichst viele Informationen.“
Ganz sachlich fügte er hinzu: „Stimmt es, dass Ihr fließend Deutsch sprecht?“
Sebastiano nickte. „Mein Vater war Italiener, meine Mutter Deutsche. Sie lehrte mich schon in Kindertagen, ihre Sprache zu beherrschen.“
„Nun, wenn dem so ist und wenn es stimmt, was man über Eure Talente als … als Löser spezieller Probleme … berichtet, dann wird es Euch ein Leichtes sein, das Vertrauen von Luthers Gefährten zu gewinnen und sie auszuhorchen. Hakt nach, verbeißt Euch in sein Leben, zerrt die dunkelsten Gelüste dieses Mannes ans Licht! Befragt sein Gesinde, seine Freunde, seine Feinde und seine Verwandten. Wenn nötig, verstellt Euch, verkleidet Euch, bezirzt den Zeugen, oder droht ihm mit der Hölle … ganz egal … wenn es nur Ergebnisse bringt … und vor allem: Tut es schnell. In wenigen Wochen erwarte ich Euren Bericht … “
Er kniff die Augen zusammen.
„Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen. Jetzt gerade stöhnen auch viele der Herrscher, die uns nicht wohlgesonnen sind, über die unfassbaren Gräuel, die in Rom geschehen. Und das kann uns in die Hände spielen.“ Er machte eine theatralische Pause. „Lasst uns schauen, ob wir nicht den Sacco di Roma noch in einen Triumph verwandeln können. Ob nicht aus dem Horror da draußen ein Sieg für die Kirche werden kann.“
Sebastiano senkte seine Stimme. Sanft bemerkte er: „Das wird einiges kosten, Heiliger Vater. Denn ich kann eine solche Aufgabe nicht alleine vollbringen. Ich werde weitere Agenten anwerben müssen, die mir zuarbeiten und ebenfalls Befragungen anstellen. Vermutlich bedarf es darüber hinaus immer wieder kleiner und größerer Bestechungsgelder. Schnelle Pferde werde ich brauchen … und noch vieles mehr … “
Der Papst hob die Hand. „Um all das wird sich mein Camerlengo kümmern. Und glaubt mir: Dieser Auftrag wird Euer Schade nicht sein. Ich fordere von Euch schließlich nicht weniger, als die Geschichte der Welt umzuschreiben. Möglicherweise wird dieses Jahr 1527 in die Historienbücher eingehen. Nun: Das hat seinen Preis. Dessen bin ich mir wohl bewusst.
Von euch will ich jetzt und hier nur eines wissen: Seid Ihr, wenn ich Euch als Gesandten nach Wittenberg schicke, einer solchen diffizilen Aufgabe gewachsen?“
Sebastiano musste nicht nachdenken. Gelassen antwortete er: „Ja, Heiliger Vater.“
Schon zwei Wochen später hatte der neue päpstliche Gesandte nach einem Eilritt die Dübener Heide vor den Toren Wittenbergs erreicht und dort innerhalb weniger Tage eine Gruppe von Männern zusammengestellt, die er auf bestimmte Zielpersonen ansetzte. Sie alle erhielten den Auftrag, ihre Gespräche schriftlich festzuhalten und sie in einem Monat in Gelnhausen im Kinzigtal im Gasthaus „Zum Löwen“ abzuliefern.
Albrecht Gralle
Conradus Overbeck
Es hält sich zur Verfügung: Conradus Overbeck, ein Mann mittlerer Größe, Gesicht durch Pockennarben leicht gezeichnet, ein Eckzahn und ein Vorderzahn fehlen, ansonsten guter Musicus, schlägt akurat die Laute, kann sowohl den Dudelsack spielen als auch den Contrabass und die Fiedel bedienen. Hauslehrer beim Kaufmann Schwertfeger zu Wittenberg, wo er auch dessen Kinder unter anderem in der Kunst der Musik unterrichtet. Overbeck ist verlobt mit der Jungfer Adelheid, Tochter des ansässigen Bäckermeisters Brandes. Der Zeuge war des Öfteren als Musicus bei einem Essen zugegen, bei dem auch der Luther geladen war, der in guter Manier Sprüche und Meinungen zu etlichen Dingen hat zum Besten gegeben, unter anderem auch, wie man als Christenmensch heut in der Messe Musik darbieten kann, damit es Gott und dem Volk gefalle. Berichtet werden soll, wie ich … wie er, der Gesandte des Papstes, ihn traf …
Der Agent schwitzte. Die Fenster der Kutsche waren eindeutig zu klein und ließen sich auch mit großer Anstrengung nicht öffnen, СКАЧАТЬ