Название: Rebellen
Автор: Uwe Schimunek
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783955520458
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«Das fetzt!», rief Gery.
«Sag ich doch!», rief Bert zurück. Er sammelte Wein- und Schnapsflaschen zusammen und gab sich Mühe, das Glas im Takt in den Pappkarton zu werfen. Typisch Schlagzeuger. Manchmal lag er einen Moment daneben. Typisch Bert.
Gery schlurfte zur Tür. Die Garage im Garten hinter dem Haus von Bert und dessen Mutter in der Tempelhofer Fliegersiedlung diente ihnen als Proberaum, und hier wollte Gery mit Bert ein Studio einrichten. Ein paar Songs hatten sie sogar schon aufgenommen. Doch derzeit versank der Raum im Müll. Nach den Proben hatte niemand Lust, noch aufzuräumen. Also schnappte sich Gery nun den Mülleimer und ging zum Gitarrenverstärker. Dort türmte sich ein Mount Everest aus erkalteten Zigarettenstummeln in einem Aschenbecher. Vorsichtig hob Gery das Gefäß an und entleerte es in den Eimer. Ein bisschen Asche rieselte neben den Kübel. Gery stellte den Aschenbecher zurück auf den Verstärker und schaute sich um. In einer Ecke standen Unmengen an Bierflaschen, über den Flaschenhälsen lagen mehrere Stoffbeutel. Gery ging darauf zu.
Das Lied war inzwischen beim Refrain angekommen: «Now my mind keeps time like clockwork / And I think in sync like clockwork.» Dem Sänger gelang es, die Worte im Stakkato zu rufen und dabei trotzdem eine Melodie auf den hektischen Rhythmus zu zaubern. Gery ertappe sich dabei, wie er leise mitsang. Er bückte sich und tastete die Beutel ab. Einer fühlte sich klamm an, doch der nächste schien Gery trocken genug, um ihn als Staubtuch zu benutzen.
«Gibste mir mal ’n Bier?», rief Bert ihm zu.
Gery schaute über die Flaschensammlung und entdeckte tatsächlich ein paar verschlossene. Er schnappte sich zwei. Mit dem Bier und dem trockenen Beutel tappte er zu Bert.
Der zückte einen Drumstick aus der Hosentasche und öffnete damit die erste Flasche. Der Schaum spritzte über Berts T-Shirt. In besseren Zeiten musste der gesamte Stoff einmal so schwarz gewesen sein wie die Stellen, die nun nass wurden. Das Bier sprudelte bis auf den Teppich.
«Mist!», sagte Gery.
«Ist gut fürs Raumklima!» Bert grinste. Er stellte die Flasche ab und öffnete die zweite. Das gelang ihm ohne Spritzen.
Gery nahm die Flasche entgegen. «Welche Band ist das denn?» Er zeigte mit dem Bier in der Hand auf das Kassettendeck.
«The Boomtown Rats. Eine neue Platte, die gerade erst rausgekommen ist.» Bert klang wie ein Verkäufer auf dem Wochenmarkt.
«Cool!»
Bert grinste und begann, die auf dem Boden herumliegenden Kabel aufzuwickeln.
Der Song endete mit dem Klingeln eines Weckers, und sogleich donnerte das nächste Stück los. Zu wildem Getrommel und einer Schrammelgitarre klimperte ein Klavier. Gery gefiel dieser fiebrige Glamrock. Er wandte sich seinem Bassverstärker zu und wischte die Armatur mit dem Stoffbeutel sauber. Dann nahm er einen Schluck vom Bier und machte beim Mischpult für die Gesangsboxen weiter. Das Teil hatten sie aus mehreren defekten Geräten selbst zusammengebaut. Der Lappen blieb an einem Kanal hängen. Die Abdeckung aus Aluminium löste sich. Gery hob den Metallstreifen an. Die Bauteile steckten in den dafür vorgesehenen Löchern, doch sie waren noch nicht mit der Elektronik im Innern verbunden. Eine gute Gelegenheit für eine Reparatur, fand Gery. Er holte Lötzinn, Lötfett und einige Drähte aus der Schublade im Tisch unter dem Pult. Doch das Wichtigste fand er nicht.
«Wo ist denn der Lötkolben?», fragte er Bert.
«In der Schublade», antwortete Bert, ohne von seinem Kabelsalat aufzublicken.
«Nein, ist er nicht.»
«Wieso nicht?»
«Woher soll ich das wissen?», fragte Gery genervt. Er legte den Lötkolben immer in diese Schublade. Wann hatte er ihn zuletzt verwendet? Vielleicht vor einer Woche? «Mensch, pass auf das Zeug besser auf!», rief er Bert zu und knallte die Schublade zu. «Wann hast du das Teil zuletzt benutzt?»
«Was weiß ich!» Bert guckte ihn grimmig an. «Das ist ein Proberaum und soll mal ein Studio für Punk werden! Oder möchte der Herr hier lieber eine Sparkassen-Filiale einrichten?»
Gery antwortete nicht. Er schaute auf seine Armbanduhr. Wenn er vor seiner Schicht in den Spreeblick-Studios noch mit Debbie über ihre Texte reden wollte, musste er los. «Mach nicht so ’nen Aufstand, Bert», sagte er in versöhnlichem Ton. «Es wäre einfach dufte, wenn der Technikkram seinen festen Platz hätte.»
Peter Kappe stieg aus seinem Dienstwagen. Der Ford war ihm vor ein paar Monaten zugeteilt worden und nicht gerade klein. Doch zwischen den Mercedes-Limousinen und Porsche-Cabrios am Rand der Ballenstedter Straße in Wilmersdorf wirkte er beinahe schäbig. Kappe trat auf den Fußweg. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Weilten die Bewohner alle bei der Arbeit, oder lebten in diesen riesigen Villen nur so wenige Menschen?
Wolf Landsberger schlug die Beifahrertür zu und sagte: «Kaum zu glauben, dass der Tote aus dieser Bruchbude einen Bruder in diesem schnieken Viertel hat.»
«Ist halt der große Bruder», murmelte Kappe, doch auch ihm erschien der Kontrast zwischen dem Kreuzberger Hinterhofstudio und der Wilmersdorfer Villa gewaltig.
Ein schmiedeeisernes Tor führte zum Vorgarten der Villa. Das Namensschild daneben wies den Hausbewohner als Dr. Buddewitz aus. Kappe betätigte den Klingelknopf. Die Glocke war bis auf die Straße zu hören, allerdings so leise, als käme sie aus einem anderen Universum.
«Das kann dauern, bei der Hütte», stellte Landsberger fest.
Kappe merkte, wie er schon nach wenigen Augenblicken ungeduldig wurde. Doch als er an den Anlass ihres Besuches dachte, verzichtete er auf ein Sturmklingeln.
Kurz darauf summte es, und das Tor sprang auf. Einen Moment später erschien ein Mann in einer Sommerhose und einem kurzärmligen ockerfarbenen Hemd in der Haustür. Er trug eine dieser selbsttönenden Heliomatic-Brillen. Sein Haar wellte sich um mächtige Geheimratsecken.
Kappe ging den Kiesweg zwischen Blumenrabatten entlang. Er versuchte sich Worte zurechtzulegen. Doch in seinen Gedanken kam er nicht weiter als bis zur Vorstellung.
Kappe erreichte die vierstufige Freitreppe. «Guten Tag», sagte er. «Ich bin Kriminalkommissar Kappe, und das ist mein Kollege Polizeimeister Landsberger. Sind Sie Herr Doktor Buddewitz?»
«Der bin ich. Was führt Sie zu mir, Herr Kommissar?»
«Es betrifft Ihren Bruder.»
«Reinhard? Hat er etwas angestellt?»
«Dürfen wir hereinkommen?», fragte Kappe.
Buddewitz schien einen Augenblick zu überlegen, wies dann aber ins Innere. «Bitte sehr.»
Im Foyer der Villa leuchteten die Wände und Möbel weiß. Selbst der Sommermantel an der Garderobe strahlte. Lediglich das Parkett und ein mannshoher Gummibaum brachten Farbe in den Raum. Am anderen Ende des Flurs knarzte eine Flügeltür. Im Rahmen erschien eine Frau in einem kurzen geblümten Kleid, das ihre Beine endlos wirken ließ. Ihr Haar hatte sie zu zwei Zöpfen gebunden, weshalb sie an eine brünette Ausgabe von Pippi Langstrumpf erinnerte.
«Inge, das ist die Polizei. Sie möchte mit СКАЧАТЬ