Название: Rebellen
Автор: Uwe Schimunek
Издательство: Автор
Жанр: Контркультура
isbn: 9783955520458
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Neben dem Kerl stand ein Beamter in Uniform. Der Polizist zog einen Schemel unter dem Tisch hervor. «Das ist Herr Schneider. Er hat uns gerufen.»
«Danke», sagte Kappe. Er setzte sich auf den Stuhl neben Schneider. Der Beamte nickte kurz und verließ das Zimmer. Landsberger schob den Schemel zurecht und nahm Platz. Mit seinem Maßanzug wirkte Kappes Kollege, als wäre er mit Tricktechnik in diese Hinterhofbuden-Szenerie montiert worden.
«Guten Tag, Herr Schneider. Ich bin Kriminalkommissar Kappe, und mein Kollege heißt Landsberger», sagte Kappe. Er sah, wie Landsberger ein Notizbuch aus dem Jackett zog, und ließ sein eigenes deshalb stecken. «Wann haben Sie die Leiche entdeckt?»
«Na ja, eigentlich hab ick nur bei da Polizei anjerufen, weil et so jestunken hat.»
«Heute Morgen?»
«Ja.» Schneider schaute auf seine zerkratzte Armbanduhr. «Ach du meine Güte, ick sitze schon seit üba andathalb Stunden hier!»
«Nun, wenn Sie einfach auf unsere Fragen antworten, dauert es vielleicht nicht mehr allzu lange», sagte Landsberger. Er warf einen Blick auf seine eigene Uhr, die allerdings ungefähr doppelt so teuer wie Schneiders gesamte Garderobe aussah. «Sie haben den Geruch demnach gegen zehn Uhr festgestellt.»
«Ja», antwortete Schneider. Er klang, als wüsste er nicht, ob er eingeschnappt oder eingeschüchtert sein sollte.
«Wo?», fragte Kappe.
«Uffm Hof.»
«Was haben Sie dort gemacht?»
«Ick hab det Auto repariert.»
«Den Mercedes?»
«Ja.»
Landsberger sah von seinem Notizbuch auf. «Der Wagen macht nicht den Eindruck, als würden Sie erst seit heute Morgen an ihm herumwerkeln.»
«Die Karre jehört ’nem Kumpel. Die is nich jestohlen. Wirklich nich.» Nach den bisherigen knappen Antworten sprudelten die Worte nun geradezu aus dem Mann heraus. «Ick bastle imma mal an da Kiste rum. Wenn ick nich uff Montage oda zu müde bin. Und das is een Freundschaftsdienst. Ohne Bezahlung. Det is doch nich verboten.»
«Das ist im Augenblick nicht die Frage», sagte Kappe. «Mich interessiert, ob es nicht auch schon gestern schlecht gerochen hat. Oder vorgestern.»
«Ick hatte letzte Woche mal so ’n seltsamet Jefühl. Aber da is der Motor wieder in Jang gekommen. Wenn der tuckert, riechts im Hof nicht jerade nach 4711.»
«Wo wohnen Sie denn, Herr Schneider?», erkundigte sich Landsberger.
«Inne Vorderhaus. Parterre.»
«Und dort haben Sie in den vergangenen Tagen auch nichts gerochen?», fragte Landsberger.
«Nee. Ick war übat Wochenende in Bochum un hab tageweise uffm Bau jeholfen.»
«Was können Sie uns über Herrn Buddewitz berichten?»
«Nich ville. Der ist ja meistens erst mitten inne Nacht heimjekommen. Hat uff Konzerten jearbeitet. Und manchmal hatta tachsüba inne Hütte hinten Krach jemacht. Aba nur manchmal. Da hab ick ooch nix zu jesagt.»
«Gut, danke. Das war’s fürs Erste, Herr Schneider.» Landsberger klappte sein Notizbuch zu.
Kappe stand auf. «Sie halten sich in den nächsten Tagen bitte für Nachfragen bereit und melden sich ab, wenn Sie die Stadt verlassen.» Er wartete, bis Herr Schneider nickte, und schloss: «Wir begleiten Sie nach draußen.»
Josef Bolp schlenderte den Flur des Berliner-Blitz-Gebäudes entlang. Er freute sich. Zwar wiesen auch die Gesichter der Kollegen eine gewisse Sommerbräune auf, doch mit seiner gerade auf Ibiza aufgefrischten Hautfarbe hielt keiner mit.
In seinem Vorzimmer erblickte er eine ältere Sekretärin aus einer anderen Abteilung. Bolp erinnerte sich daran, dass seine Vorzimmerdame ausgerechnet zum Zeitpunkt seiner Rückkehr selbst in den Urlaub fahren wollte. Nun durfte er die nächsten zwei Wochen mit dieser alten Schachtel im Rüschenhemd vorliebnehmen.
«Herr Bolp!» Die Schreckschraube sprang vom Stuhl auf und grinste ihn an. «War der Urlaub angenehm? Sind Sie gut erholt? Kann ich schon irgendetwas für Sie tun?»
So viele Fragen auf einmal! Bolp lehnte sich an den Schreibtisch, hinter dem die Alte mit erwartungsvollem Blick stand, und sagte: «Ja. Ja. Und ja. Geben Sie mir bitte die eingegangene Korrespondenz der vergangenen Tage.»
Die Sekretärin griff in die Ablage und zog einen kleinen Stapel Papier hervor. «Damit werden Sie sicher eine Weile beschäftigt sein. Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen?»
Offensichtlich gab sich die Schreckschraube Mühe. Bolp verspürte dennoch keine Lust auf Leutseligkeit. Kurz überlegte er, die Frau nach ihrem Namen zu fragen. Doch er entschied, dass sich das für die paar Tage nicht lohnte. Also sagte er knapp: «Schwarz.»
«Ich weiß.» Die alte Schachtel ging los, um den Kaffee zu holen.
Bolp sah ihr hinterher. Sie eilte den Gang hinunter, als wäre der Kaffee in der Redaktion knapp. Bolp betrachtete den Packen Papier in seiner Hand. Gab es in zwei Wochen immer derart spärlichen Posteingang? Er griff nach den aktuellen Ausgaben der Berliner-Blitz-Zeitung und eines Konkurrenzblatts und schlurfte in sein Büro. Dort knallte er die Papiere auf den Schreibtisch und ließ sich auf den Bürosessel fallen.
Keiner der Briefe weckte Bolps Interesse, nicht die Eröffnung eines Cafés in Charlottenburg, nicht der Set-Termin zur neuen Sendung des Dritten Fernsehprogramms, nicht das Barbecue am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität. Hier fehlte nur noch die Einladung zu einer Sitzung eines Kleingartenvereins. Sortierte niemand mehr die Post vor? War in der Stadt nichts los? Oder hatten sich in den letzten zwei Wochen die jungen Streber der Redaktion alle guten Themen unter den Nagel gerissen? Vielleicht war das die Strafe seines Chefs dafür, dass er einen Tag mehr Urlaub als üblich genommen hatte, um die wöchentliche große Redaktionsrunde zu schwänzen.
Es klopfte an der Tür.
«Ja», brummte Bolp.
Die Sekretärin schlurfte ins Zimmer und brachte den Kaffee. Wenigstens das klappte noch.
Sie stellte die Tasse vor Bolp auf den Tisch und fragte: «Kann ich noch etwas für Sie tun?»
«Bitte rufen Sie oben an. Fragen Sie, ob es noch andere Termine gibt, von dem Mist hier abgesehen.»
«Sofort, Herr Bolp.» Die alte Schachtel eilte zurück ins Vorzimmer.
Bolp schob den Poststapel beiseite und widmete sich den Zeitungen. Auf der Titelseite der letzten Berliner-Blitz-Ausgabe prangte ein Foto des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger. In ganz Deutschland versuchten die Linken den Mann abzuschießen, weil er im Zweiten Weltkrieg als Jurist an mehreren Todesurteilen beteiligt gewesen war. СКАЧАТЬ