Название: Ostfriesisches Komplott
Автор: Lothar Englert
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839269725
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Storjohann ist ärgerlich über die Unterbrechung gewesen. »Wer? Die anderen? Das sind doch auch Dreckhasen. So wie wir. Alles nur eine Frage des Geldes.« Das Prozedere selbst klinge kompliziert, sei aber recht einfach. Dazu bediene man sich einer Struktur in der Region der Karibischen See bis zum Golf von Mexiko über Mittelamerika und den Norden von Südamerika, die komplex vernetzt sei, sodass Rückverfolgungen kaum möglich wären. Die Zeit, die es brauche, um die Dinge in Aurich reifen zu lassen, genüge, glaubwürdig einen zweistelligen Millionenbetrag in der geplanten Größe als Gewinn zu generieren. Danach werde das Geld nach Deutschland transferiert und versteuert. Und damit sei es sauber. »Es kann uns nichts Besseres passieren, als durch den deutschen Fiskus zu laufen«, hat Storjohann mit verschlagenem Lächeln gesagt. Dem Auricher Bürgermeister ist natürlich sofort klar geworden, dass damit auch die von Storjohann beschworene Diskretion ihr Ende finden musste. Spätestens jetzt, bei der Versteuerung des Geldes, musste man sich zumindest dem Finanzamt gegenüber erklären. Die würden wissen wollen, woher der Segen stammt. Und dann kam es darauf an, dass die Legenden hielten. Aber davon sprach der Landrat nicht. Stattdessen richtete er sich drohend auf. Und wiederholte seine Mahnung. »Es hängt halt alles davon ab, dass deine Leute das Maul halten, verstanden? Also suche dir die richtigen aus und sorge dafür.«
»Und wenn doch einer quatscht?«, ist Bachmann auf seine alten Bedenken zurückgekommen.
Storjohann hat gelacht, aber das Lachen hat seine Augen nicht erreicht. »Darüber denke ich nach, wenn es so weit ist. Und nun mach dir nicht so viele Sorgen, Mann. Kopf hoch! Wird schon schiefgehen!«
So ist das gewesen. Heute weiß Bachmann zweierlei: Den Zeitpunkt, aufzustehen und zu gehen, hatte er längst verpasst gehabt. Dazu war es zu spät gewesen. Oder vielleicht doch noch nicht? Er hat nicht gewusst, was er tun sollte. Und zweitens, dass der andere sehr wohl schon damals über einen solchen Fall nachgedacht und dafür Vorkehrungen getroffen hat. Albert Ukena hat angeblich den Mund nicht halten können. Und Albert Ukena war tot. Dafür hat dieser Mann da vor ihm gesorgt. Durch wen? Wer war sein Werkzeug? Mit einem Mal hasst er den anderen. Und ist sehr zornig auf ihn. Dieser Verführer! Wo ist er selbst da nur hineingeraten? Wie kommt er wieder heraus? Jetzt sind wir auch noch Mörder. Oder zumindest doch Mitwisser. Dass es so übel kommen würde, damit ist nicht zu rechnen gewesen, niemals im Leben hätte er an eine solche Entwicklung gedacht. Und wer weiß denn, ob es nun dabei bleiben wird? Womöglich wird es noch weitere Tote geben. Wenn wir ihn, wenn ich ihn weitermachen lasse. Unsäglich, das alles. Was tun? Wenn ich schweige, geht es vielleicht gut. Rede ich, ist alles verloren. Bachmann weiß keinen Ausweg.
Der Mann vor ihm scheint seine Gedanken zu riechen, die Sorgen und Ängste. Jedenfalls klingen seine nächsten Sätze wie eine offene Drohung. »Wir können uns keine Schwätzer leisten, ganz gleich, wer es ist. Ukena war notwendig. Er hat uns alle in Gefahr gebracht. Vor allem uns beide. Dich und mich. Wir spielen eine Sonderrolle, vergiss das nicht.«
Brütend sieht Bachmann ihn an. Seine Hände sind fest zu Fäusten geschlossen. Doch ehe er antworten kann, fährt der andere fort: »Es war ein bedauerlicher Betriebsunfall. Unschön, zugegeben, aber auch unvermeidbar. In diesem Fall. Sorge dafür, dass es dabei bleibt.«
Das ist eine Warnung, Bachmann spürt es genau. In diesem Moment begreift er Storjohann als großes Übel. Sogar als einen Feind. Einen, den man fürchten muss.
6.
Pulverdampf und Schwefel
Die Sitzungen des Rates der Stadt Aurich sind bis auf wenige Ausnahmen öffentlich. Oberkommissarin Mieke Janßen hat trotzdem noch keine miterlebt, aber nun ist sie in eine hineingeraten. Die Vorzimmerdame des Bürgermeisters, Frau Vossen, hatte ihr am Telefon gesagt, Herr Bachmann sei im Hause und zu sprechen. Also ist sie hinübergegangen, es sind ja nur ein paar Schritte über die Straße. Aber dann war Bachmann doch nicht in seinem Büro, sondern im Ratszimmer. Der Finanzausschuss tagt dort in Routinefragen. Sichtung des Haushalts, mittelfristige Planungen, Projekte der Stadt mit Folgen für den Etat, das Übliche. Der Bürgermeister hat zunächst teilgenommen, sich aber wieder entfernt, als der wichtige Teil der Tagesordnung abgearbeitet war. Doch dann gab es plötzlich Komplikationen, und man hat den Bürgermeister dringend um Anwesenheit gebeten. Nein, dazu aufgefordert. Die Opposition, die »Freien für Aurich« haben es explizit verlangt. Her mit dem Mann, wir wollen ihn hören.
»Wird es lange dauern?«, hat Mieke gefragt, aber Frau Vossen hat nur die Schulter gehoben.
»Das weiß man nie so genau. Der Auricher Rat ist für jede Überraschung gut«, hat die Sekretärin geantwortet. Das klang kühl, fast abschätzig, als wollte sie sagen, Sie fragen nach dem Inhalt einer geschlossenen Wundertüte. So viel kann ich Ihnen sagen, er ist in jedem Fall minderwertig.
Einen Augenblick lang hat die Oberkommissarin überlegt, ob sie das Gespräch verschieben soll. Eigentlich ist es Zeitverschwendung, auf Bachmann zu warten, es gibt genug zu tun. Doch dann geht sie in das Sitzungszimmer. Aus purer Neugier. Und da erlebt sie einen neuen Bürgermeister. Sie kennt Bachmann nicht sehr gut, hat ihn gelegentlich gesehen, auch kurz gesprochen, bei Empfängen und offiziellen Anlässen. Da war er immer freundlich, fast jovial, irgendwie glatt, aber stets vermittelte er diesen elitären Duktus, ein Gefühl der Überlegenheit. Hier lernt sie ihn von einer anderen Seite kennen. Mit einem Mal denkt Mieke, es ist richtig gut, dass ich hier bin. Ich gewinne Einsichten, die mir sonst vielleicht verschlossen geblieben wären. Als sie das Sitzungszimmer betritt, geht es dort hoch her. Sie schlüpft nach hinten zu den mäßig besetzten Stuhlreihen für das Publikum. Dort kennt sie niemanden, bis auf eine Redakteurin der Auricher Rundschau, Meike Ulferts. Sie hockt sich neben sie, raunt: »Die Rundschau schreibt über eine Routinesitzung des Finanzausschusses?«
Meike Ulferts schüttelt den Kopf. Ob darüber geschrieben werde, sei offen. Sie solle ihrem Chef berichten, was gesprochen worden sei.
»Dem Chefredakteur?«
Dem Besitzer der Zeitung selber, Berthold Krang. Und ja, Chefredakteur sei der auch. Meike Ulferts senkt rasch wieder den Kopf, ihre Hand fliegt über den Stenoblock. Tonaufzeichnungen sind natürlich verboten. Und während sich Mieke noch darüber wundert – für derlei gibt es schließlich Protokolle, die man einsehen kann –, folgt sie einem erregten Wortwechsel.
Mieke neigt ihren Kopf der Redakteurin zu. »Worum geht es?«
»Kasernengelände«, flüstert Meike Ulferts ohne aufzusehen zurück, ihre Hand rast über das Papier. Der Fraktionsführer der »Freien für Aurich« steht, sein Kopf ist hochrot. Der Bürgermeister sitzt, sein Kopf ist noch nicht einmal rosa. Aber seine Stimme ist hart, sie erinnert an vereistes Metall. »Immer dieselbe Leier, Reemt!«, schimpft Bachmann. »Immer kommst du mit diesem Mist. Haben wir nicht oft genug darüber gesprochen? Wie viele Male haben wir das Thema diskutiert? Zu oft, wenn du mich fragst. Dieser Punkt ist endgültig erledigt. Es gibt eine alte Indianerweisheit: Wenn dein Pferd tot ist, steige ab!«
Der andere steht und rudert mit den Armen. Reemt Smits weiß, dass er den Spitznamen Cato hat, aber es ist ihm gleich. »Das möchtest du gerne, dass diese Geschichte tot ist. Sie ist es nicht, sondern sie wird euch noch auf die Füße fallen. Euch allen!«
Der Bürgermeister winkt lässig ab. Er redet von alten Schlachten, die man nicht mehr schlagen müsse, von aufwärmen, dass ihn das alles kaltlasse, aber an seiner Stimme hört man, es lässt ihn keineswegs kalt. »Die Filetstücke habt ihr euch doch gesichert, du und deine Freunde!«, faucht der Fraktionsführer, und jetzt steht auch Bachmann auf.
Er weiß СКАЧАТЬ