Название: Ostfriesisches Komplott
Автор: Lothar Englert
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839269725
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Bachmann fährt dazwischen wie ein gereizter Tiger, obwohl seine Stimme gedämpft bleibt. »Ruhe jetzt. Wir warten ab. Ihr tut nichts, habt ihr verstanden? Nichts tut ihr. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß. Ihr alle haltet die Schnauze. Und reißt euch bloß zusammen, verdammt noch mal, vor allem du, Jan!« Er funkelt Christoffers so scharf an, dass der sofort den Blick senkt.
Bachmann ruft die Bedienung, sie zahlen ihre Rechnungen und gehen. Der Bürgermeister marschiert mit festen Schritten, einige der anderen schleichen sich davon. Vor allem Christoffers sieht bedrückt aus. Das bemerkt sogar die junge Frau aus dem Service. Nachdenklich folgt sie dem Reeder und Kaufhausbesitzer mit ihrem Blick. Auch Bachmann fällt es auf. Draußen vor der Tür nimmt er den Mann noch einmal scharf ins Gebet. »Deine alberne Zappelei macht alles nur noch schlimmer«, zischt er ihm zu. »Sieh dich vor, Jan, ich rate dir gut. Sieh dich vor und nimm dich zusammen, sonst fliegt uns der ganze Laden noch um die Ohren, verdammt!« Sonst bist du der Nächste, liegt ihm eigentlich auf der Zunge, aber er schluckt es hinunter. Man muss nicht noch Öl ins Feuer gießen. Schon überhaupt nicht bei diesem Flatterheini.
Er lässt ihn stehen und eilt zurück in sein Büro. Diesmal schreitet Bachmann nicht, er fliegt die Rathausstufen hinauf wie ein Sturmtrupp einen feindlichen Hügel. Erst oben, auf der Beletage, verlangsamt er seinen Schritt. Frau Vossen ist nicht da, sie macht Frühstückpause. Das hatte er jetzt nicht im Kopf. Er geht in sein Büro und schließt die Tür. Dreht sogar den Schlüssel im Schloss. Seine Gedanken rasen. Vielleicht ist ja alles nur ein monströser Zufall. Vielleicht hat dieser Vorfall ja überhaupt nichts mit ihrer Sache zu tun. Vielleicht, vielleicht. Er zieht das Handy und wählt die Nummer. Der andere nimmt das Gespräch sofort an. Es geht so rasch, man könnte denken, er hat auf den Anruf gewartet. »Ja?«
»Ich bin’s«, sagt Bachmann.
»Ja?«
»Ukena«, sagt Bachmann, nur dieses eine Wort, und dann ist es auf der anderen Seite lange still.
»Ja?«
»Er ist tot. Ermordet«, sagt Bachmann dumpf. Noch immer hofft er auf ein planloses, ja irres Zusammentreffen Ukenas mit seinem Mörder, doch der andere wischt jede Hoffnung mit einem Satz zur Seite.
»Es war nötig.«
Bachmann spürt sein Herz in der Brust. Es hat einen Hüpfer gemacht und klopft jetzt heftig. Er fängt an zu schwitzen. »Es war nötig?«
»Er hat geplaudert. Beim Stammtisch und im Freundeskreis«, sagt der andere dürr. »Du kennst die Regeln. Wer Mist macht, ist draußen. So haben wir es vereinbart.«
Ja, denkt Bachmann, das haben wir vereinbart. Wer Mist macht, ist draußen. Aber doch nicht so! Doch nicht, wer Mist macht, ist tot. Laut sagt er: »Geplaudert? Woher weißt du das?«
»Ich weiß es. Das genügt«, sagt der andere.
»Und der Täter? Wer …«, setzt der Bürgermeister an, doch der andere fängt ihn ab.
»Das geht dich nichts an«, sagt er grob. Dann fragt er: »Was hast du in dieser Sache unternommen?«
Bachmann lauscht diesen Worten nach. Unternommen? In dieser Sache? Ich? »Ich habe die anderen zusammengetrommelt und vergattert«, antwortet der Bürgermeister kurz.
»Gut!«, hört er, »sieh zu, dass sie den Mund halten.« Und dann, nach einer Pause, sagt der andere: »Reden ist Gift, das weißt du. Vielleicht hätten wir uns die Leute besser aussuchen sollen?«
Das ist ein eindeutiger Vorwurf, denn er, Bachmann, hat die Leute ausgewählt. Schon vor Monaten hat er sein Umfeld beobachtet. Wer ist vertrauenswürdig? Wer hat genügend Geld? Wer ist, wenn es Not tut, verschwiegen genug? Er ist der Mann, der den Kreis festgelegt hat. Und dann die Leute angesprochen hat, einen nach dem anderen, in Einzelgesprächen, mit deutlichem Hinweis auf den erwartbaren Gewinn. Und auf das Risiko. Das war er. Bachmann. Anscheinend hat er dabei mindestens einen Fehler gemacht, so lautet jedenfalls die Rüge des anderen, auch wenn sie unausgesprochen bleibt. Der Bürgermeister nickt und will schon antworten, aber der andere hat die Verbindung abgebrochen. Draußen hört er Frau Vossen am Telefon, sie ist zurück von ihrer Frühstückspause. Er zählt langsam bis zehn, eher er behutsam den Schlüssel im Türschloss dreht. Atmet dann tief durch und öffnet mit einem Ruck fröhlich die Tür. Bürgermeister Bachmann ist wieder der Alte. Zumindest äußerlich.
3.
Die Arbeit beginnt
Mieke Janßen nimmt einen großen Schluck Tee aus ihrer Tasse. Sie wirft dem Kollegen Günter von der Spurensicherung einen forschenden Blick zu. Die beiden reden über den Täter, den Mann, der Albert Ukena erstochen und ihm die Augen aus den Höhlen geholt hat. Und über seine Signatur am Tatort. Da ist doch einer gewesen. Der Mörder. Also ein Mensch. Einer, der geatmet und gedünstet, vielleicht geschwitzt oder, wenn er dumm gewesen ist, ins Gebüsch gespuckt hat.
»Na? Was sagt der große Fährtenleser? Der amtierende Weltmeister unter den Spionen und Kundschaftern?«
Günter beantwortet den Blick aus trägen Augen unter schweren Lidern. Er ist selten zu Scherzen aufgelegt, heute schon gar nicht. »Was der sagt? Nichts sagt der. Kein Stück. Weil er nichts gefunden hat.«
Also ist der Täter nicht dumm gewesen. Die Oberkommissarin beugt sich trotzdem vor. »Wie denn? Nichts? Kein Hautfetzchen? Kein Schweiß, kein Tropfen von irgendwas? Das gibt’s doch nicht!«, entfährt es ihr.
»Nichts, rein gar nichts. Der hat noch nicht mal gefurzt.«
»So? Woher weißt du das?«
»Es hat nicht danach gerochen«, sagt Günter spröde und seine Lider senken sich zu einem schmalen Spalt.
Das sollte wohl lustig sein, oder zumindest das, was der Kollege in seiner kruden Art für humoristisch hält. Mieke kann es aber nicht komisch finden. Sie streicht ihr blondes Haar zurück. »Und das Tape? Das um die Augen gewickelt war?«
»Kannst du für ein paar Euro in jedem Baumarkt finden.« Gelangweilt zählt Günter die Baumärkte auf, bis ihn die Oberkommissarin unterbricht.
Sie lehnt sich zurück, in ihrer Hand dreht sich der Bleistift. »Schlechter Tag?«
»Kaum schlechter als alle anderen«, sagt der Kollege leicht bissig. Günter schielt auf Miekes Teetasse, sie sieht es und will ihm einschenken, aber er schüttelt den Kopf. »Das sind die dürren Fakten, gewöhne dich daran. Der Täter hat absolut nichts hinterlassen. Er hat wohl feste Kleidung getragen, kein auffälliges Schuhwerk. Er hat weder geschwitzt noch ins Gebüsch gespuckt. Was er gesagt hat, wissen wir nicht.« Wieder so ein galliger Scherz. Günter steht auf. »Ist noch was? Jetzt sofort?«
Die Oberkommissarin schüttelt den Kopf.
»Bericht kommt«, murmelt Günter und geht zur Tür. Der Mann ist seit Jahren frustriert. Er wartet auf die Beförderung, die irgendwo zwischen Hannover und Aurich hängen geblieben ist. Seine Arbeit tut er trotzdem, aber ohne Begeisterung.
Draußen wartet Werner Schmalfuß, der Spaziergänger aus dem Wald. Er war für acht bestellt, aber er hat sich verspätet. Um ganze 30 Minuten. Stiller Protest oder Schlamperei?
Mieke versteht diesbezüglich jedenfalls keinen Spaß. »Wenn ich sage 8 Uhr, dann meine ich es auch so. Das nächste Mal lasse ich Sie abholen, Herr Schmalfuß.«
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