Elijas Lied. Amanda Lasker-Berlin
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Elijas Lied - Amanda Lasker-Berlin страница 7

Название: Elijas Lied

Автор: Amanda Lasker-Berlin

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Debütromane in der FVA

isbn: 9783627022846

isbn:

СКАЧАТЬ dem Sand. Davon, dass da nur noch sie ist und der Sand und die Sonne. Und genau da, als alle Blicke konzentriert an ihr hängen, poltert Mio auf die Bühne. Viel zu früh und so, dass es alle durcheinanderbringt.

      Das Publikum schaut auf Mio, wie er dasteht, ganz perplex, und nicht weiß, was er machen soll. Wie er einfach zu Elija stiert, die versucht, die Zuschauer wieder an sich zu binden. Aber keiner hört ihr zu. Alle sind bei Mio. Der stolpert einmal über den Bühnenraum und geht auf der anderen Seite wieder ab.

      Lachen. Lautes Lachen, und niemand, der mehr zu Elija blickt. Sie rappelt sich auf, stellt sich aufrecht hin und brüllt ihren Text. So laut, dass niemand ihn überhören kann.

      Ich habe den Moment kaputt gemacht, stottert Mio. Er hält Elija fest, als hätte er Angst, sie würde ihn wegstoßen.

      Hast du. Aber nicht so schlimm.

      Das sagt Elija immer. Egal, was Mio tut. Es war nicht so schlimm. Denn Mio kann gar nichts Böses machen, und wenn er was Böses macht, sicher nicht mit Absicht.

      Nach der Vorstellung nimmt die Regisseurin Mio zur Seite, redet leise mit ihm. Und er nickt die ganze Zeit. Elija weiß nicht, was sie besprochen haben. Sie weiß nur, dass es nicht das erste Mal war, dass Mio ihren Auftritt unterbrochen hat.

      Die Dusche und das gesamte Bad sind rosa gefliest. Ein Überbleibsel aus den siebziger Jahren. Elija und Mio haben mit den anderen aus der WG flache Gummiquallen und Fische an die Fliesen geklebt. Sie duschen in einem rosa Aquarium. Elija mag es, die Quallen nach dem Duschen auszudrücken. Das restliche Wasser fließt kläglich die Fliesen entlang, schafft es meistens nicht bis in den Abfluss. Es verdunstet.

      Mio dreht das Wasser aus.

      Bist du sauber?, fragt er.

      Elija nickt. Er steigt vor ihr aus der Dusche und reicht ihr ein Handtuch. Elija packt sich gut ein, öffnet das Fenster und hält den Kopf hinaus. Im Sommer lässt sie ihre Haare am liebsten an der Luft trocknen.

      Es ist warm, jetzt schon. Und Loth bekommt Angst vor einem zu heißen Tag. Vor schrumpelnder Haut in der Sonne. Vor roten Flecken im Gesicht. Sie steht am Rand der Planken, tritt mit einem Fuß in den Schlamm. Auf das Wollgras, das macht Geräusche. Mit den Geräuschen spielt Loth eine Melodie. Ob die anderen sie erkennen können?

      Noa lehnt sich auf der Bank zurück, legt den Kopf in den Nacken. Neben ihr sitzt Elija. Die schnauft, die hält eine Flasche Wasser in der Hand. Ist ein bisschen unzufrieden. Noa hat Wasser mit Kohlensäure gekauft. Davon muss sie niesen. Elija will warten, bis die Bläschen aus der Flasche gekrochen sind. Schaut konzentriert auf die Wasseroberfläche. Als ihr das zu lange dauert, nimmt sie einen skeptischen Schluck.

      Noa beobachtet Loth. Wie sie auf den sumpfigen Boden stampft. Wie sie grinsend nach oben schaut, sich auf die Sumpftöne konzentriert. Noa hofft, dass Loth nicht noch anfängt zu singen.

      Erkennt ihr die Melodie?, ruft Loth zur Bank.

      Elija überlegt. Das Patschen erinnert sie an ein Lied. An eines von früher, als sie klein waren. Das klang aber anders, viel zarter. Loth versteht nicht, dass man Musik gefühlvoll machen muss, denkt Elija. Dass Melodien nur lebendig sind, wenn jeder Ton Raum hat, sich zu entfalten. Bei Loth klingt alles so leblos.

      Noa hört nicht hin. Wahrscheinlich wieder so ein verbotenes Lied, das Loth gleich singen wird. Darauf hat sie keine Lust, nicht so früh am Morgen.

      Um die Melodie zu treffen, muss Loth es wieder und wieder probieren. Zertrampelt dafür Halm um Halm und patscht mit ihren Füßen in vorher unberührtem Schlamm. Das schreckt Insekten auf.

      Kennt ihr das wirklich nicht?, fragt Loth erneut.

      Elija hört genau hin. Sie wird sich immer sicherer, welches Lied das sein könnte. Doch so schroff klingt es nicht. Würde Elija das spielen, könnte Noa es sofort erraten. Dann würde Noa das schön finden. Sie steht auf, geht zu Loth.

      Lass es, Elija, setz dich lieber wieder hin, denkt Noa nur. Sie schraubt die Flasche zu und verstaut sie sorgfältig im Rucksack. Dabei lässt sie sich Zeit, prüft, ob der Deckel gut verschlossen ist, ob sich Krümel auf dem Taschenboden gesammelt haben, die Seiten des Reiseführers verknickt sind.

      Als sie wieder aus dem Rucksack auftaucht, steht Elija nicht am Rand der Planken, sondern mitten im Moor. Mitten auf der Wiese, zwischen den Halmen, die vom Wind gebogen werden.

      Loth unterbricht das Trampeln, schlendert zur Bank und setzt sich entspannt. Beobachtet Elija halb interessiert.

      Im Moor, zwischen all den hellen, schmalen Stängeln, sieht Elijas Körper massiv aus. Ihre kurzen Beine, ihr gedrungener Oberkörper. Der Kopf fast ohne Hals. Das stumpfe Haar wird vom Wind angehoben, nach wenigen Sekunden wieder fallen gelassen. Ganz woanders, als es losgeflogen ist. Das Licht betont Elijas Umrisse, gibt ihr einen Schein.

      Noa springt auf.

      Ist sie da wirklich reingelaufen?, fragt sie Loth schrill.

      Loth zuckt kühl die Achseln.

      Noa ruft Elija zu: Komm sofort zurück!

      Noa geht nah an den Rand der Planken. Elijas Fußspuren liegen noch tief im Schlamm. Noa versucht zu erkennen, ob das Moor Elijas Sohlen schon gepackt hat. Aber das Gras ist zu hoch.

      Elija, ruft Noa. Sind deine Schuhe schon eingesunken?

      Nur ein bisschen.

      Dann komm jetzt wieder zurück, in Ordnung?

      Nein, antwortet Elija fest. Ich will meinen Text üben.

      Elija zieht sich hoch, steht aufrecht, drückt den Oberkörper zum Himmel. Das Moor hält ihre Füße. Elija streckt ihre Arme aus, schreit in die Wolken: Ich bin Hagar. Und ich stehe in der Wüste. Ich bin eine Sklavin. Das heißt, ich bin anders. Und ich habe einen Sohn. Ismael. Und das heißt: Gott hört.

      Die Worte verlieren sich zwischen den Gräsern, zwischen den Stämmen. Kommen nicht bis in den Himmel, glaubt Elija. Schaut konzentriert hoch. Vielleicht sieht sie die Worte ja doch irgendwo im Morgenblau.

      Elija sackt tiefer in das Moor. Ob die Knöchel schon voller Schlamm sind?

      Noa macht den ersten Schritt auf die Wiese. Unter ihren Füßen fühlt sich das Gras fest an, legt sich zwischen Sohle und Moor. Sie weiß, dass das nicht lange halten wird.

      Elija, ruft sie. Komm wieder her.

      Aber Elija wirbelt ihre Arme durch die Luft. So wie sie es im Theater zum Aufwärmen macht. Sie kreist die Schultern, damit sie Flügel werden, sie beugt die Knie, knickt den Rumpf. Auf einer Bühne muss man kein Mensch sein. Da kann man das sein, was die Natur aus einem gemacht hat, findet sie. Elija lehnt ihren Rücken nach hinten. Ihre Haarspitzen berühren erst das Wollgras, dann den Schlamm. Noa wusste nicht, dass Elija so beweglich ist. Und Noa weiß nicht, wie sie Elija wieder auf die Planken bekommen soll.

      Die Haarspitzen saugen sich voll. Aus dem schütteren Braun wird tiefes Schwarz.

      Loth schließt die Augen, rollt sich auf der Bank ein, vielleicht wäre es Zeit, noch ein bisschen zu schlafen.

      Wie zu Hause, wenn sie sich aus dem Zimmer schleicht. Die Kameraden alle bei der Arbeit. Oder in den Büros СКАЧАТЬ