Название: Seewölfe Paket 17
Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
isbn: 9783954397754
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Offenbar waren Dan und Piet, die dem flüchtenden Mörder jetzt auf den Fersen saßen, die einzigen, die etwas beobachtet hatten. Mit finsteren und verschlossenen Mienen warteten die Männer auf ihre Rückkehr. Es herrschten Ratlosigkeit, Empörung und Erschütterung, keiner wußte so recht, was er tun sollte.
Dann aber erschien ein Mann auf der Pier, der sich dem Seewolf als der Hafenmeister von Rügenwaldermünde vorstellte. Er war aufgeregt, ja, so durcheinander, daß er kaum zusammenhängend sprechen konnte.
»Sie sind doch der Kapitän, nicht wahr?« stieß er hervor. »Also, passen Sie auf. Es ist ungeheuerlich, was vorgefallen ist. Ich kann es noch gar nicht fassen. Mein Gott, das arme Fräulein von Lankwitz – sie war immer so gut, so freundlich zu allen.«
»Bitte«, sagte Hasard. »Haben Sie etwas Verdächtiges bemerkt? Etwas, das uns bei der Suche nach den Tätern weiterhilft?«
»Allerdings. Es haben sich zwei Fremde in Rügenwaldermünde aufgehalten. Schon den ganzen Nachmittag über. Zwei Herren.«
»Herren?« wiederholte Hasard verdutzt.
»Ihrer Kleidung nach waren sie es. Ich habe sie nicht nach ihren Namen gefragt. Das ist ja auch nicht meine Aufgabe. Sie sind mit Pferden erschienen, nicht mit einem Schiff. Offenbar haben sie auf etwas gewartet.«
»Auf etwas?« wiederholte der Seewolf. »Auf ein Schiff? Auf unsere Schiffe?«
»Vielleicht«, erwiderte der Hafenmeister. »Ich weiß es aber wirklich nicht genau.«
Nils Larsen dolmetschte die ganze Zeit über wieder eifrig, und er übersetzte auch sofort die Worte des Mannes, der jetzt als nächster aus der Menge hervortrat. Seine nicht ganz weiße Schürze zeichnete ihn als das aus, was er war: der Wirt einer Schenke.
»Sie haben bei mir gegessen und Bier getrunken, zwei Kruken voll«, berichtete er. »Sie haben auch gut bezahlt und mir ein Trinkgeld dagelassen. Trotzdem haben sie keinem von uns gefallen.«
»Nein, keinem«, bestätigte ein Mann aus den Reihen der Zuschauer. »Wir waren froh, als sie wieder gingen.«
»Sie gingen wohl zum Hafen«, sagte ein vierter Mann.
Darauf trat der Fährmann vor, der auf den Schuß und das Geschrei hin ebenfalls zur Pier gelaufen war. Er berichtete, was er wußte – daß die beiden fremden Männer mit ihm gesprochen und ihn über Gary Andrews ausgehorcht, ihn bezahlt und zum Schweigen verpflichtet hätten.
Jetzt war wieder der Hafenmeister an der Reihe.
»Nachdem der Schuß gefallen war, habe ich sie zufällig an der Hafenmeistern vorbeilaufen sehen«, erklärte er hastig. »Sie hatten wohl an der Rückwand des Hauses ihre Pferde angebunden, denn dort sind sechs Eisenringe in die Mauer eingelassen. Sie saßen auf und jagten davon. Der eine hatte eine Muskete in der Hand – nein, zwei. Oder hatte der andere auch eine? Ich weiß es nicht genau.«
»Können Sie die Kerle beschreiben?« fragte Hasard.
»Nein. Dazu war es zu dunkel. Und am Nachmittag habe ich sie nur von weitem gesehen. Der eine war aber dicker als der andere«, entgegnete der Hafenmeister.
Damit konnte Hasard nicht viel anfangen. Doch es war der Fährmann, der sich wieder zu Wort meldete.
»Der eine hatte so ein richtiges Ferkelgesicht«, sagte er. »Und der andere hatte Pockennarben.«
»Welche Sprache benutzten sie?« wollte Hasard wissen.
»Deutsch natürlich«, erwiderte der Mann verblüfft.
»So natürlich ist das nicht«, sagte Hasard. »Sie hätten auch Polen sein können.«
»Ja«, sagte der Mann verächtlich. »Aber mit denen will ich nichts zu tun haben, zum Henker. Denen hätte ich gar nichts gesagt, auch nicht für eine Goldmünze.«
»Es gibt auch bei uns genug Schweinehunde«, sagte der Schenkenwirt. »Man darf nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Im übrigen hatte ich nach der Aussprache dieser beiden Kerle den Eindruck, als wären sie keine Pommern.«
»Sondern? Woher stammen sie?« fragte Hasard.
Der Wirt hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Schwer zu sagen. Die Beschreibung stimmt aber. Der eine hat so ein dämliches Ferkelgesicht, und der andere ist vierschrötig mit Blatternarben im Gesicht.«
»Hätte ich doch aufgepaßt«, sagte der Fährmann mit Verzweiflung in der Stimme. »Ich habe gleich geahnt, daß sie nicht erschienen waren, um den schönen Ausblick auf die See zu genießen. O Herr Jesus, wie schrecklich ist das alles.«
Hasard versuchte, noch mehr von den Männern zu erfahren, doch sie wußten keine weiteren Einzelheiten. Mit den Beschreibungen der beiden Fremden war nicht viel anzufangen, es hätte weiterer Details bedurft, um sie zu identifizieren.
»Wir müssen abwarten, was Dan und Piet zu berichten haben, wenn sie zurückkehren«, sagte er zu Ben Brighton, zu Roger, Ferris, Shane, Old O'Flynn und den anderen, die sich unterdessen bei ihm eingefunden hatten.
Inzwischen hatte sich noch ein Mann aus der Menge vorgedrängt. Er trat ein paar Schritte über die Pier auf Hasard zu und blieb dicht vor ihm stehen.
»Mein Name ist Heinrich Paleske«, sagte er. »Ich bin der Stadthauptmann von Rügenwalde. Man hat mich soeben alarmiert. Ist es wahr, daß das Fräulein von Lankwitz tot ist? Können Sie mir berichten, was vorgefallen ist?«
Hasard schilderte die traurige Begebenheit, obgleich es ihm schwerfiel. Er musterte dabei Heinrich Paleske, ohne es ihn merken zu lassen. Dieser Mann war von stämmiger Statur und hatte ein offenes, ehrliches Gesicht. Auf seinen Beistand konnte man sich gewiß verlassen – doch was konnte er schon tun?
Paleske war erschüttert. »Natürlich kannte ich Gisela von Lankwitz persönlich«, sagte er mit bebender Stimme, als Hasard geendet hatte. »Und natürlich kenne ich auch die Familie von Lankwitz – und Arne von Manteuffel. Kapitän Killigrew – ich lasse sofort die Verfolgung der Mörder aufnehmen.«
Hasard schüttelte den Kopf. »Das ist nicht nötig, Hauptmann. Zwei Männer meiner Besatzung sind ihnen bereits auf den Fersen. Warten Sie, bis die beiden zurück sind. Ich bin davon überzeugt, daß es ihnen nicht nur gelingt, die Spur der Kerle im Auge zu behalten, sondern die beiden Unbekannten auch zu stellen und hierherzubringen.«
»Sind Sie ganz sicher, daß sie es schaffen, Kapitän Killigrew?«
»Ja.«
»Gut, dann warte ich ab«, sagte Paleske.
Hasards Annahme sollte sich jedoch bald als ein folgenschwerer Irrtum herausstellen. Er beging einen Fehler – er hätte Paleske mit einem Aufgebot von Männern aufbrechen lassen sollen, damit sie nach den Mördern suchten. Damit hätte er das neue Unglück, das sich anbahnte, aller Wahrscheinlichkeit nach verhindern können. So aber nahmen die Dinge wieder unaufhaltsam ihren unheilvollen Lauf.