Alternativlos. Thomas Kirchner
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Название: Alternativlos

Автор: Thomas Kirchner

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная деловая литература

Серия:

isbn: 9783940431585

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СКАЧАТЬ dar. Es fand vielmehr eine Verschiebung des Geschäfts von Menschen auf dem Börsenparkett hin zu schnelleren und billigeren Computern statt. Ein technischer Wandel, der sich nicht wesentlich vom Übergang von Reisebüros zu Onlinebuchungen unterscheidet. Zwar gibt es nur wenige Firmen, die solche Computerstrategien einsetzen. Auch wurde Hochfrequenzhandel nicht von böswilligen Finanzhaien erfunden, sondern kam auf Betreiben der Wertpapieraufsicht zustande, die das Monopol der Parketthändler brechen wollte, um Transaktionskosten zu senken – eine Strategie, die aufgegangen ist. Wegen der extrem kurzen Haltedauer können Computer jedoch eine große Zahl von Transaktionen ausführen und sind deshalb für einen überproportional hohen Anteil an den Umsätzen verantwortlich.

      Aus eigener Erfahrung und durch Gespräche mit Kollegen habe ich zwar den Eindruck gewonnen, dass es zu Beginn des computergestützten Handelns noch viele schlechte Programme zur Ausführung von Kundenordern gab. Dadurch konnten schnellere Systeme ab und zu ein paar Cent Marge pro Aktie machen. Inzwischen ist die Software aber so weit fortgeschritten, dass es kaum noch Möglichkeiten gibt, allein mit schnelleren Computern Geld zu verdienen, und viele ehemalige Hochfrequenzhändler bereits ihre Algorithmen und auch ihr Geschäftsmodell umstellen mussten. Zwischen 2008 und 2012 sind die Gewinne der Hochfrequenzhändler um drei Viertel zurückgegangen.11 Ironischerweise ist das Medieninteresse am Hochfrequenzhandel gerade in dem Moment gestiegen, als seine Profitabilität zu sinken begann.

      Weitere Thesen über das angeblich kurzfristige Denken der Märkte basieren auf der Vorstellung, dass Kapital stets nur die höchste Rendite sucht und abgezogen wird, sobald anderswo höhere Gewinne locken. Im Kapitel 30 werde ich jedoch zeigen, wie sich Pensionsfonds als universelle Eigentümer verstehen, die auf Jahrzehnte hinaus die ihnen anvertrauten Ersparnisse verwalten. Die Behauptung, Fonds mit Milliarden an Kapital würden von einem Tag auf den anderen zwischen Anlagen hin- und her springen, ist absurd. Schon alleine durch die Größe des Anlagevolumens ist dies unmöglich.

      Aber auch von der Anlagephilosophie her passt dies nicht zur Strategie der Fonds. Zunächst summieren sich Transaktionskosten bei häufigem Handeln schnell, so dass noch höhere Renditen notwendig wären, um die Kosten auszugleichen. Dies lässt sich aber nur durch höheres Risiko erzielen, was man wiederum nicht mit einem langfristigen Anlagehorizont vereinbaren kann. Noch wichtiger als Transaktionskosten ist für eine langfristig solide Rendite die Reduzierung von Risiken durch eine breite Streuung des Kapitals über verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Immobilien, und das jeweils über verschiedene Länder hinweg.

      Bei einer solchen Diversifikation kann man nicht einfach schnell der höchsten kurzfristigen Rendite hinterherjagen, da dies die sorgfältig geplante Risikostreuung durcheinanderbringt. Deshalb investieren seriöse Investoren ganz bewusst in Fonds und bei Managern mit niedriger Umschlagshäufigkeit. Das ist genau das Gegenteil kurzfristiger Renditejagd.

      Man kann dem Finanzkapitalismus bestenfalls den Vorwurf machen, zu langfristig zu denken. Kapital stellt lediglich den Gegenwartswert zukünftig zu erwartender Gewinne dar. Je länger in die Zukunft man schaut, desto mehr Einfluss haben kleine Veränderungen in der Gegenwart. Ein Beispiel: Wenn eine Zahlung von 10.000 Euro pro Jahr um drei Prozent pro Jahr steigt, beträgt die Summe der Zahlungen nach 20 Jahren rund 268.000 Euro. Ist der Anstieg nur ein Prozent höher, also vier Prozent, beträgt die Summe rund 30.000 Euro mehr. Das entspricht also drei Jahren an zusätzlichen Zahlungen. Verlängert man die Dauer der jährlichen Zahlungen von 20 Jahren auf 30 Jahre, dann beträgt der Unterschied zwischen drei und vier Prozent bereits 85.000 Euro.

      Dieses einfache Beispiel zeigt, weshalb nicht kurzfristiges Denken zu starken Kursschwankungen an Märkten führt, sondern langfristiges. Denn bei langfristigem Denken haben selbst kleine Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen große Auswirkungen auf den Gegenwartswert.12 Würde der Turbokapitalismus also wirklich nur kurzfristig wirtschaften, dann dürften die immer wieder beobachteten starken Kursschwankungen gar nicht auftreten.

      Die These, wonach der Turbokapitalismus und die Finanzmärkte kurzfristig wirtschaften, klingt zwar auf den ersten Blick verführerisch, stellt sich aber bei genauerem Hinsehen als reine Phantasie heraus.

      10 Siehe insbesondere die Analysen von Elkins McSherry Inc. oder Abel/Noser Corp.

      11 Quelle: Rosenblatt Securities. Danach beliefen sich im Jahr 2008 die Gesamtgewinne aller Hochfrequenzhändler noch auf 2,94 bis 4,40 Milliarden Dollar, im Jahr 2012 auf nur noch 0,81 bis 1,21 Milliarden Dollar.

      12 Auch Barwert genannt. Bei dem hier beschriebenen Beispiel wurde implizit mit einem Diskontsatz von null Prozent gerechnet. Das ist zwar nicht unbedingt realistisch, ändert aber nichts am grundsätzlichen Effekt, den kleine Schwankungen in Wachstumsraten langfristig bewirken.

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       Regiert Geld die Welt?

      Das gewaltige Wachstum der Finanzvermögen seit 1980 bringt Kapitalismuskritiker auf die Palme. Sie stellen erschreckt fest, dass Finanzvermögen wesentlich schneller gewachsen sind als die Wirtschaftsleistung. Von 1980 bis 2007 lag das nominale Wirtschaftswachstum bei durchschnittlich 6,2 Prozent, was bedeutet, dass sich die Wirtschaftsleistung von 1980 bis 2010 versechsfacht hat. Die Summe der weltweiten Finanzverbindlichkeiten stieg im gleichen Zeitraum um das 17fache mit einem Durchschnittswachstum von rund 10 Prozent.

      Auf den ersten Blick deutet die Diskrepanz dieser Zahlen auf ein Ausufern des Finanzsektors hin. Oder, wie manche behaupten, dass sich Real- und Finanzwirtschaft voneinander abgekoppelt haben. Doch wie bei vielen anderen in diesem Buch beschriebenen Statistiken, die auf den ersten Blick alarmierend wirken, stellen sich die tatsächlichen Abläufe als harmlos heraus.

      Das Jahr 1980 ist als Anfangspunkt zur Untersuchung verschiedener sozialer Phänomene sehr beliebt. Die 80er Jahre waren der Beginn einer sensationellen Wachstumsperiode der Weltwirtschaft, in der Milliarden Menschen in Entwicklungsländern aus tiefster Armut erlöst wurden. Es ist eine Periode, in der viele Entwicklungen parallel zueinander abliefen, so dass eine einseitige Fokussierung auf nur wenige Faktoren schnell zu Trugschlüssen führen kann. Beispielsweise stiegen aufgrund der sinkenden Zinsen seit 1980 sowohl Aktien- als auch Anleihen- und Immobilienpreise sehr stark.

      Diese Beobachtung stellt jedoch nur eine partielle Sicht der Dinge dar und ist nicht sehr aussagekräftig. Denn Finanzvermögen allein sind kein guter Ansatzpunkt, um daraus allzu tiefgreifende Schlüsse zu folgern. Nehmen wir an, Sie besitzen eine Blaue Mauritius. Diese Briefmarke wurde zuletzt für vier Millionen Dollar versteigert. Solange Sie diese Briefmarke privat besitzen, ist sie zwar vier Millionen wert, zählt aber nicht zum weltweiten Finanzvermögen.

      Nehmen wir nun an, Sie gründen jetzt eine Aktiengesellschaft und bringen als Kapital diese Briefmarke ein. Jetzt gehört Ihnen die Briefmarke nicht mehr. Sie ist Eigentum der Aktiengesellschaft, die jetzt vier Millionen wert ist. Folglich stellen die Statistiker einen Anstieg des weltweiten Finanzvermögens um vier Millionen Dollar fest. Kapitalismuskritiker werden mit Empörung reagieren, weil das weltweite Finanzvermögen schon wieder gestiegen ist, ohne dass sich bei der Wirtschaftsleistung etwas getan hat.

      Steigende Finanzvermögen resultieren normalerweise aus produktiveren Aktivitäten als Briefmarkensammeln. Nehmen wir an, sie entwickeln eine Software, gründen eine Aktiengesellschaft, bringen die Software als Kapital in die AG ein und stellen dann Mitarbeiter ein, denen Sie Aktien als Bezahlung geben. Die Aktiengesellschaft wird dann an der Börse notiert, damit ihre Mitarbeiter gegebenenfalls ihre Anteile in bare Münze verwandeln können. Solange Ihnen die Software direkt gehörte, zählte sie nicht zum Finanzvermögen. Doch die Aktiengesellschaft hat einen Wert, um den dann wiederum das weltweite Finanzvermögen steigt. Auch hier würde wieder ein Aufschrei über den Wahnsinn der Märkte folgen.

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