Название: Abgesoffen - Die Milliardenlüge
Автор: Hajo Maier
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Отраслевые издания
isbn: 9783347310377
isbn:
Maier kennt Feldkamp inzwischen ganz gut. Nach bald zwei Jahren Zusammenarbeit. Er kann ihn aushalten, kann mit ihm umgehen. Er sitzt bei Feldkamp, in dessen Büro. Recht schmucklos. Nicht groß. Nicht klein. Schreibtisch. Telefon. Eigenes Fax. Eine Sesselgruppe. Kleiner Tisch dabei. Feldkamp wirkt wie immer: Knorrig. Bodenständig. Gut angezogen. Aber keine 5.000 $ Anzüge. Ja – eine unter dem Ärmel versteckte Rolex. Aber ohne sie zu tragen, wie stillose Neureiche das zu tun pflegen, nämlich so, dass man sie hätte sehen sollen. Nur seine Zähne sind auffallend weiß für einen 60-jährigen. Gebleacht. Hollywood-like. Ein einziges Foto wird Maier später sehen, von Feldkamp, bestimmt 20 Jahre her. Ein extrem lässiger, auch gutaussehender Typ. Vielleicht 1,85 groß, schlank, alte Jeans, Hemd, keine Krawatte, auf dem Boden sitzend, im Gespräch mit Heinz Roth, dem Konzerneigentümer. Tausend Geschichten erzählt dieses Bild. Vielleicht, wie die beiden dieses Unternehmen groß gemacht haben. Lässig, hands-on, schlau. Feldkamp hat mehrere Seiten. Seiten, die nicht zusammen zu passen scheinen in einer einzigen Persönlichkeit:
Einerseits der menschennahe Typ, der durchaus Humor zeigt, schräg, zugegeben, manchmal fast sympathisch. Dann wieder der humorlose Buchhalter – ohne Lächeln, nicht freundlich, nicht unfreundlich, nur indifferent. Dann wieder der Typ Generaldirektor, der aus einem Rühmann-Film der 50-er Jahre hätte entsprungen sein können: Dominant. Beherrschend. Top-Down. Irrational. Rechthaberisch. Hochemotional. Stimmungsgetrieben. Laut. Cholerisch. Auch brutal. Es sind nicht alle seine Facetten. Feldkamp ist in seinem Verhalten nicht zu fassen, nicht zu kalkulieren.
»Rational heute, irrational morgen. Freundlich jetzt. Stunden später ein schlecht erzogenes Arschloch. Sozial heute. Brutal und asozial morgen. Kühl, abweisend ignorant. Dann wieder in Plauderlaune über wirklich private Dinge.«
So beschreibt ihn Maier, der es dennoch leichter zu haben scheint, als viele andere Mitarbeiter: Er steht bei Feldkamp hoch im Kurs durch die ersten Erfolge, die Feldkamp und Roth den Hintern zu retten scheinen. Was der Neue nicht wissen kann.
Der 01. April 2011 ist Maiers erster Arbeitstag bei P&R. Erwähnenswert, weil Feldkamp an diesem ersten Tag weitere Seiten von sich preisgibt, die bisher so nicht klar gewesen sind. Feldkamp differenziert, heute und später, extrem in seinem Verhalten gegenüber externen Partnern einerseits und seinen Mitarbeitern auf der anderen Seite. Nach außen zeigt er eine wenigstens professionelle Grundhöflichkeit im Umgang mit externen Partnern. Dort wirkt er wie ein Konzernchef, der alles managed, mit Plan. Nach innen aber ein anderes Bild: Mitarbeiter sind seinen Launen ausgesetzt, seinen Spontan-Ideen, seinen oft emotional getriebenen Entscheidungen. Auch stellt sich an diesem ersten Arbeitstag heraus, dass Mitarbeiter keinen Internetzugang haben. Nicht sollen. Auch nicht der Eigenvertrieb mit den Kundenberatern. Mitarbeiter sollen sich nicht mit dem Wettbewerb befassen, nicht mit den Informationen, die Kunden im Netz lesen, schon gar nicht im Web surfen. Laptops? Fehlanzeige. Projektmeetings, möglicherweise einmal zu Hause einen Job fertigstellen, Arbeitsmeetings mit Vertrieb, Dienstleistern Agenturen, Presse? Feldkamp nennt das:
»…einen Scheiß! Sie müssen keine Meetings halten oder den Vertrieb vom Verkaufen abhalten. Und Presse? Die Arschlöcher bekommen keine Informationen von uns. Zuhause arbeiten? Wir beginnen um 9:00. Wir gehen um 18:00. Haben Sie das verstanden?«
Nur einen Tag später wird Feldkamp den IT-Leiter beauftragen, Laptops anzuschaffen. Und Internetzugänge freizugeben. Eine gefährliche, seltsame Stimmung zunächst, wie Maier sich erinnert. In den ersten Minuten. Beim Thema Büroausstattung.
Dann der Stimmungswechsel. Feldkamp – als hätten die letzten Minuten des Gespräches nie stattgefunden – ist freundlich, ja fast väterlich. Ein anderer Mensch im Raum. Diese extremen Stimmungswechsel wird Feldkamp beibehalten. Sie sind Teil seiner Persönlichkeit. Stimmungswechsel, die von einer Sekunde auf die andere geschehen können. Stimmungswechsel, die zu völlig irrationalen, spontanen Entscheidungen führen, um nur einen Tag später das Gegenteil zu entscheiden. Und: P&R ist ein Unternehmen, das ausschließlich von oben nach unten geführt wird. Top down. Es gibt nur zwei Ebenen. Ebene eins: Feldkamp. Ebene zwei: Alle anderen darunter. Egal, welche Position jemand bekleidet, egal welches Geld er oder sie verdient. Und dennoch unterscheidet Feldkamp in seiner Welt: Die neuen Mitarbeiter dürfen nichts beitragen, um das ihnen zugewiesene Büro aufzuräumen. Weil sie leitende Mitarbeiter sind. Das erledigen andere: In Feldkamps Welt ausschließlich Frauen. Assistentinnen, Sekretärinnen, Verwaltungsmitarbeiterinnen. Auch das wird so bleiben. Führungskräfte verrichten keine niederen Tätigkeiten. Und Führungskräfte sind ausschließlich männlich. Feldkamp legt großen Wert auf Außendarstellung, auf Symbole und Zeichen des Erfolgs.
»Man bekommt keinen ordentlichen Arbeitstisch unter 4.000 Euro. Es muss zu P&R passen.« äußert er gegenüber den neuen Mitarbeitern. Es passt zu seinem legendären Ausspruch, wenn ich Hundert sage, meine ich Millionen. Auch, dass er Maier verbietet, einen VW als Firmenwagen zu ordern. Weil das nicht passt. Es muss ein BMW oder Mercedes sein. Ab achtzigtausend Euro.
»Leasing? Den Scheiß machen wir nicht. Wir kaufen die Autos. Also abgemacht! Ein X5. Konfigurieren Sie den bis morgen. Dann wird bestellt. Schönen Tag.«
Und noch eine Seite Feldkamps wird bereits an diesem 01.April deutlich. Feldkamps brutale Seite. Er kündigt einem langjährigen Mitarbeiter grundlos, der das Thema Werbung bisher nebenberuflich mit erledigt hat. Weil er, Feldkamp, wie Maria aus der Finanzbuchhaltung erklärt, jetzt neue Top-Leute hat. Und den langjährigen Mitarbeiter nicht mehr brauchen kann. Familienvater, kleine Kinder. Feldkamp feuert ihn. Arbeitsrecht? Spielt keine Rolle. Es wird über Abfindungen geregelt. Dieser Vorgang aber deckt noch mehr auf: Der so brutal Gekündigte ist privat aufs engste mit Harald Roth befreundet. Dem Gründersohn. Dem Co-Geschäftsführer bei P&R. Dem Erben des Imperiums. Feldkamps Position im P&R-Universum muss enorm stark sein, wenn er selbst einem Freund seines Führungskollegen im Alleingang kündigt. Und Harald Roths Position muss so schwach sein, dass er nichts dagegen unternehmen kann. Feldkamp ist in Abwesenheit des alten Roth der absolute Alleinherrscher. Und die Mitarbeiter haben Angst vor ihm. Seinen Launen. Seinen Spontanentscheidungen. Es kann jeden treffen. Jederzeit. Und ohne Grund. All das wird an diesen beiden ersten Tagen bereits klar. Dennoch: Die Mitarbeiter vertrauen auf Feldkamps Manager-Qualitäten. Zu erfolgreich ist das Unternehmen. Er muss ein Zahlengenie sein. Ein Stratege. Und damit sind die eigenen Arbeitsplätze sicher. Wenn man das Glück hat, nicht auf seine Abschussliste zu gelangen. Und nicht wenige werden auf dieser Liste landen die kommenden Jahre. Weil es nicht mehr gepasst hat, wie Feldkamp dann jedes Mal allgemein begründen wird. Feldkamp kennt keine Empathie. Ein Defizit, das er auch gegenüber den Anlegern zeigen wird. Eine Qualität umgekehrt, die ihn zum Milliardenbetrüger auch geradezu befähigt.
Kapitel 5
Die perfekte Fassade. Das bodenständige Familienunternehmen
Seriös. Bescheiden. Ehrlich
Wenn man der zentralen Frage nachgeht, die heute noch zehntausende Anleger, die Ermittler, die Staatsanwälte, die Presse, beschäftigen mag, wie es P&R gelungen ist, so großes Vertrauen bei Anlegern und Behörden aufzubauen, dass Milliardeneinlagen möglich waren und niemand Anlass gesehen hat, bei Unstimmigkeiten nachzufragen, zu kontrollieren, dann spielt die Außendarstellung der P&R Gruppe eine zentrale Rolle. Eine bewusste Inszenierung des bescheidenen, bodenständigen und seriösen Mittelständlers. Einer für alle. Auch für die einfachen Leute. Für die braven deutschen Sparer, die niemals auf den Kapitalmärkten spekulieren. Ein wesentlicher Teil genau der Kern-Zielgruppe, die P&R schon lange als ideale Klientel für sich ausgemacht hat. Kleinanleger, Masse, wenig Investment-Knowhow. Damit ist es auch möglich, СКАЧАТЬ