Die wichtigsten Musiker im Portrait. Peter Paul Kaspar
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Название: Die wichtigsten Musiker im Portrait

Автор: Peter Paul Kaspar

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: marixwissen

isbn: 9783843802147

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СКАЧАТЬ geht, dann erlebt man eine Art von Musiktheater, die sich natürlich seit 1600 immer wieder weiterentwickelt hat. Die einen finden sie lächerlich, weil die Menschen beim Liebesakt und sogar beim Sterben singen, die anderen finden sie gerade deshalb so stark, weil nichts so sehr nach Musik drängt wie die Erfahrung von Liebe und Tod.

      Das 19. Jahrhundert kannte zwei musikalische Gattungen, die ebenfalls Geschichten in Musik gossen, jedoch in einer zeitgebundenen und deshalb beinahe vergessenen Form. Das Melodram verband Sprache mit Musik – konkret einen oder mehrere Sprecher(innen) in Kompositionen für Orchester oder Klavier. In Opernszenen gab es das – etwa im »Fidelio« oder im »Freischütz« – schon länger. Ein Melodram im Großformat ist eine rezitierte Geschichte mit illustrierender Hintergrund- und Verbindungsmusik des Orchesters. Im Kleinformat genügen ein Sprecher, eine Sprecherin und ein Pianist. Die Werke (Schumann, Liszt, Richard Strauss) sind allesamt vergessen und vermutlich durch die Entwicklung der Medien (Tonträger, Hörfunk, Fernsehen) abgelöst. Im 20. Jahrhundert versuchten es nochmals Arnold Schönberg und Alban Berg. Eine ebenfalls kleinere Version des Dramas mit Text und Musik ist die Ballade: Von dieser Gattung werden fast nur mehr jene des sonst als Komponisten unterschätzten Carl Loewe aufgeführt. Goethes Erlkönig wurde ebenso von ihm wie von Franz Schubert vertont.

      In dieses Kapitel gehört auch eine weitere musikalische Gattung, die dem dramatischen Geschehen verbunden ist: die Ballettmusik. Sie ist eigentlich ein selbstständiges »Tanztheater«, hat aber auch in vielen Opern, Operetten und Musicals einen festen Platz. Die Faszination guter Ballettmusik besteht darin, dass sie selbst ohne das visuelle Erlebnis des Tanzes und ohne das Wissen um die in einen Tanz gegossene Geschichte dem Hörer ein pulsierendes und tänzerisches Hörerlebnis zu geben vermag. Das ist wohl der Grund, weshalb sich viele Ballettmusiken auch in den Konzertprogrammen gehalten haben. Das kann besonders Musikfreunde ansprechen, die musikalische Eindrücke primär über den Rhythmus erfahren – wie es die Popmusik in oft trivialer Weise demonstriert.

      Dieser Musik wohnt die Anteilnahme an sinnlichen und dramatischen Vorgängen inne, die man nicht immer sehen muss, um sie zu empfinden.

      4 ANDANTE CANTABILE

      GESANG UND STIMME

      Eine Musik mit besonderer Faszination ist die menschliche Stimme. Kein Klang ist so authentisch und von derart direkter persönlicher Ausstrahlung wie der Gesang. Schon dass man meist nach wenigen Tönen erkennt, ob hier ein Mann, eine Frau oder ein Kind Musik erzeugt, ist ausschließlich beim Singen möglich. Zudem braucht der Gesang kein Instrument – außer dem Körper. Oder noch deutlicher: Beim Singen ist der Mensch selbst das Instrument, auf dem er spielt. Damit kein Irrtum aufkommt: Man singt nicht nur mit dem Hals, der Lunge, den Stimmbändern, dem Mund. Man singt mit dem ganzen Körper. Ein steifer und verkrampfter Körper, der nur in den oberen Luftwegen Töne erzeugen will, kann keine gute Musik hervorbringen. Nur wenn der ganze Mensch singt, singt er gut. Das gilt übrigens auch für jede andere Form des Musizierens.

      Die Geschichte der Vokalmusik ist so alt wie die Geschichte der Musik überhaupt. Und vielleicht ist der Gesang auch das Urbild jeglicher Musik, so dass sich auch in den Spielanweisungen für die Instrumentalmusik immer wieder Ausdrücke aus dem vokalen Bereich finden (Andante cantabile). Auf Instrumenten sanglich zu musizieren, ist ein gutes und altes Ideal. Von den Anfängen der Vokalmusik haben wir nur Ahnungen und Vermutungen, aus dem Mittelalter immerhin dank der Schriftkultur der Kirchen und Klöster den gregorianischen Choral und ein wenig weltliche Musik, aus der Renaissance einen reichen Schatz an geistlichen und weltlichen Gesängen – vor allem mehrstimmige. Das hat wohl auch damit zu tun, dass man einstimmige Gesänge leichter im Gedächtnis behält und nicht unbedingt aufzeichnen muss. Man sollte also nicht vorschnell aus den Aufzeichnungen auf die tatsächliche Praxis schließen.

      Wenn wir heute die geistlichen Gesänge rund um den wohl bekanntesten Komponisten geistlicher Musik des 16. Jahrhunderts – Palestrina – hören, dann entsteht leicht ein folgenschwerer Irrtum: Wir hören bei den meisten Aufführungen und auf den meisten Tonträgern unbegleitete Chöre mit 30 bis 50 Sängerinnen und Sängern – meist in einem schönen, homogenen und gepflegten Chorklang, samt guter Pianokultur. Und daran ist – wenn auch auf attraktive Weise – fast alles falsch: Die hohen Stimmen wurden damals entweder von Knaben oder Kastraten gesungen – Frauengesang war bis vor etwa 200 Jahren in christlichen Kirchen (außer in Frauenklöstern) verpönt. Das galt übrigens weithin auch für den protestantischen Raum. Knabenchöre gibt es heute noch – allerdings nur bis zu einem Alter von 12 bis 14 Jahren. Da in früheren Jahrhunderten die Pubertät viel später einsetzte, oft erst mit 17 oder 18 Jahren, war auch der Klang dieser Stimmen anders – vor allem kräftiger und reifer, auch was das Musikverständnis betraf.

      Das Singen ohne begleitende Instrumente war – außer an der Sixtinischen Kapelle in Rom – kaum üblich. Man muss sich – bedingt durch die großen und halligen Stiftkirchen und Kathedralen – den kräftigen Klang kleiner Ensembles von Berufssängern vorstellen. Am ehesten käme dem ein heutiger Theaterchor nahe, der gewohnt ist, große Oper zu singen. Der ist allerdings auch mit Frauen besetzt. Zudem spielten damals häufig Instrumente den Gesangspart mit (colla parte) – man wählte nach vorhandenen Spielern und Instrumenten, nach akustischem Bedarf der Räume und gemäß dem Charakter der Aufführung Streich- und Blasinstrumente aus, die häufig sogar aus den Notenblättern oder Stimmbüchern der Sänger mitspielten. Das erleichterte auch die Aufführung wenig geprobter Werke.

      Man erkennt, dass schon bei der ersten Etappe neuzeitlicher Vokalmusik das Ideal historischer Aufführungspraxis unerfüllt bleibt. Es wird wohl niemand ernstlich bei Knaben die Pubertät hormonell verzögern oder gar die Kastration wollen. Das Instrumentarium jener Zeit wird heute nur von wenigen Spezialisten beherrscht, und eindeutige Besetzungsangaben gibt es nicht. So bleibt auch jede Aufführung oder Aufnahme mit historischen Instrumenten ein Rekonstruktionsversuch. Weil man damals nach Bedarf und Möglichkeiten besetzte, gibt es keine Partituren mit Besetzungsangaben. Es gibt also genau genommen keine authentische Interpretation. Doch abgesehen davon hat der nichtauthentische Klang heutiger Laienchöre bei den Motetten Palestrinas und den Madrigalen Monteverdis in seiner romantischen Intensität einen hohen Reiz für Freunde guter Chormusik.

      So vage, aber auch so reizvoll kann man sich den Beginn der Vokalmusik in der frühen Neuzeit vorstellen. Besser gelingt die Vorstellung bei der solistischen Vokalmusik, die besonders ab 1600 – mit der Entwicklung von Oper und Oratorium – zu einer hohen Blüte gelangte. Zwar ist das begleitende Instrumentarium noch immer variabel (für den Generalbass: Cembalo, Orgelpositiv, Laute, Theorbe, und als Bassinstrumente: Gambe, Violone, Violoncello, Fagott) – doch der Gesamtklang der Instrumente tritt hinter der Singstimme zurück. Und die hat sich durch die Jahrhunderte wenig geändert – am ehesten in der Stimmtechnik. Doch auch hier darf man für frühere Jahrhunderte eine hohe Gesangskultur annehmen.

      Die Geschichte des Sologesangs ist seither stark mit der Oper verknüpft, die Vokalisten des Musiktheaters waren häufig dieselben wie in der Kirchenmusik. Koloratur- und Kastratengesang dominierten zeitweise derart stark, dass die vokale Virtuosität häufig die musikalische Substanz ersetzte. Mozarts berühmte Motette »Exsultate, jubilate«, mit dem abschließenden »Alleluja«, ist ein Beispiel hoher Stimmartistik mit ebenbürtiger musikalischer Intensität und Kunstfertigkeit. Doch die Zeit dafür war bald abgelaufen: Im 19. Jahrhundert ging es eher um Ausdruck, Gefühl und Leidenschaft. Belcanto war angesagt, nicht bloß Koloraturgezwitscher und Trillerketten. So kam es zum Ende des Kastratenwesens. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts taten die Letzten ihrer Art noch Dienst im päpstlichen Gottesdienst.

      Während in der romantischen Oper das Fest der großen Stimmen gefeiert wurde, ereignete sich in den Salons des bildungswilligen und kunsthungrigen Bürgertums Gegensätzliches. Es entstand für die häusliche Musikpflege das romantische Klavierlied. Hier war nicht die große Opernstimme, sondern der intime und berührende Liedgesang gefragt. Mit Schubert begannen die Vertonungen großer Dichtkunst – allen voran mit Goethes Gedichten, СКАЧАТЬ