Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi. Aino Trosell
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Название: Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi

Автор: Aino Trosell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Siv Dahlin-Reihe

isbn: 9788726344189

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СКАЧАТЬ ich. Er schnaubte verächtlich. Das sollen die sich nur mal trauen, erwiderte er.

      Was ist das für eine Konferenz?, fragte ich, vor allem um dem Gespräch den Ernst zu nehmen und es zugleich zu verlängern. Ich wusste, dass ihm meine Besorgnis unangenehm war, er mochte es nicht, wenn ich mich so zimperlich verhielt, wie er es nannte.

      Es ist erwartungsgemäß eine Konferenz über den Neonazismus hier im Norden, antwortete er, sie ist wichtig, wie du verstehst.

      Ja, das verstehe ich. Sonst würdest du ja wohl nicht wegfahren? Nein, würde ich nicht, lautete seine Antwort.

      Dann legten wir auf.

      Ich briet den Fisch. Das Essen war lecker. Ich war nicht traurig. Alles Schöne stand schließlich noch bevor. Alles würde gut werden, es gab keinen Grund, Trübsal zu blasen, jetzt konnte ich die Gelegenheit nutzen und früh ins Bett gehen, denn am morgigen Tag mussten fünfunddreißig alte Leute geduscht oder gebadet werden, man musste Zehennägel schneiden, ihnen Wangen und Kinn rasieren, und ein freundliches und vor allem ausgeruhtes Lächeln würde jeden Zorn oder was es sonst war verfliegen lassen. Ein paar der Alten fanden, es reiche mit dieser Reinlichkeitsmanie, und machten nicht immer mit, obwohl sie nach allem Möglichen rochen.

      Ja, es war nur gut, wenn ich nicht bis spät in die Nacht aufblieb und mit Jan redete, ein harter Arbeitstag wartete auf mich, und wir konnten uns ja später unterhalten. Wir würden außerdem nach Griechenland fahren, wir zwei würden wieder ein Ganzes werden. In letzter Zeit hatte ziemlich viel Not geherrscht, »Hungersnot«, aber spätestens dann, wenn nicht schon früher, würde alles wieder voller Lust sein.

      Außerdem würde ich Ingeborg anrufen, oder sie mich, das hatten wir ja bereits verabredet.

      Meine Mutter hatte ihre Heimat verlassen und war hierher nach Göteborg gezogen, als sie einsah, dass sie mit mir schwanger war. In meiner Kindheit fuhren wir jeden Sommer in den Norden, aber als dann beide Großeltern gestorben waren, wurden die Besuche immer sporadischer. In meiner Erinnerung gab es zwischen Mama und Großmutter nur Kälte, und es herrschten unausgesprochene Spannungen. Mama war zu Hause rausgeworfen worden, als sie ein Kind erwartete, und die Verbitterung darüber legte sich nie. Großmutter und Großvater behandelten mich gut, vielleicht bereuten sie es. Sie waren allerdings alt und müde und ziemlich kraftlos. Die Person, die unseren Aufenthalten dort oben das meiste Leben einhauchte, war Mutters Schwester Ingeborg. Sie war verheiratet und hatte einen Sohn, Karl-Erik, meinen Cousin. Ihr Mann arbeitete in der Gerberei.

      Ich erinnere mich an stimmungsvolle Stunden auf den Bergwiesen, wo Tante Ingeborg in den letzten wackeligen Minuten der Sennwirtschaft ihre Kühe und Ziegen weiden ließ. Als Teenager bin ich mal mehr oder weniger dahin durchgebrannt, und ich durfte bleiben, den ganzen Sommer. Dort erlebte ich meine erste heiße romantische Liebe mit einem Jungen aus der Gegend, aber als die Abende dunkler wurden, sehnte ich mich zurück in die Großstadt, und der Glanz um das Objekt meiner Leidenschaft verblasste genauso schnell, wie er entstanden war. Auf seinem Moped musste er den ganzen langen Weg ins Dorf zurückknattern, ich hatte nicht mehr gewollt. Die Sache deprimierte ihn tief, aber ich war grausam und egoistisch. Tante Ingeborg rief mich in Göteborg an und erzählte, dass er von der Brücke gesprungen und beinahe in den Strudeln ertrunken wäre und dass man den Grund dafür vielleicht in meinem raschen Abgang suchen müsste. Aber nicht einmal da hatte mich die Sache interessiert.

      All das war jetzt viele Jahre her, diese verhärtete Teenagerin, die war ich nicht mehr. Heute versuchte ich jeden Sommer ein paar Tage bei Tante Ingeborg zu verbringen, und unser telefonischer Kontakt war in letzter Zeit richtig intensiv geworden.

      Ich legte Wert auf den Kontakt zu meiner Tante, sie war das letzte zerbrechliche Bindeglied zu meiner Vergangenheit. An dem Tag, an dem sie sterben würde, und sie war bereits vierundsiebzig, wenn zum Glück auch ungewöhnlich gesund und rüstig – sogar einen Job hatte sie acht Stunden die Woche –, also an dem Tag, an dem sie sterben würde, wäre alles verschwunden. Ich hatte keinen Vater, meine Mutter war eine hartherzige Frau gewesen und hatte alle Hände voll zu tun gehabt, uns beide zu versorgen. Ingeborg gab mir das, was meine Mutter nicht hatte geben können. Ingeborg erzählte gern, sowohl Wichtiges als auch Unwichtiges. Eindringlich hatte ich sie gebeten nachzudenken, vielleicht würde sie ja darauf kommen, wer mein Vater war, aber dabei hatte sie mir nicht helfen können. Stattdessen erzählte sie von alten Verwandten, sodass man das Gefühl bekam, sich mitten in einer breiten, schäumenden russischen Seifenoper zu befinden, und sie malte die Gegend mit den verschiedensten Menschenschicksalen aus, ich fühlte eine Art Boden unter den Füßen. Ich kam von einem bestimmten Ort, und ich gehörte dahin. Auch ich. Mein Mann, mein Ein und Alles, befand sich ja in Göteborg und meine Tochter in Jönköping, aber ein Stück von mir würde für immer in den Wäldern dort oben bleiben. Dort oben lagen die Höfe weit auseinander, aber die Menschen hielten fest zusammen, manchmal jedenfalls. Wo die Mücken surrten oder das Nordlicht knisterte – so erlebte ich diese Gegend aus fünfhundert Kilometern Entfernung.

      An diesem Abend rief ich also Ingeborg an.

      Wie gut. Andernfalls hatte sie vorgehabt, sich bei mir zu melden, es war ja ein paar Tage her seit dem letzten Mal.

      Ich erzählte von meiner Angst.

      Sie hatte die Nachrichten ebenfalls gesehen. War das Schweden von heute so? Sie wollte es nicht glauben. Jemand musste dagegen angehen, musste vor dieser wiederauflebenden alten Ideologic warnen, ich sollte stolz darauf sein, einen so engagierten Gatten zu haben. Und Jan war doch ein besonnener Mann, er würde sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen, ganz bestimmt nicht.

      Ingeborg konnte so gut trösten. Auf dem Lande war es sicherer, dort wusste man, wo man seine Nazis hatte, aber die blieben ja auch friedlich, sie hatten sich schließlich einmal blamiert, und das war genug. Ingeborg sprach natürlich von der alten Garde. Irgendeine neue gab es nicht, soviel sie wusste, nicht dort in der Gegend. Aber in Ludvika und Borlänge, in Långshyttan und in Nås, dort gab es sie, das hatte sie in der örtlichen Presse gelesen. Nein, sie wollte nicht erzählen, wer die alten waren, es genügte, dass sie selbst es wusste. Sie waren genug gestraft, denk doch, was für eine Schande! Sie hatte nicht vor, diese Leute wieder an den Pranger zu stellen, und die selber bereuten es bestimmt. Dass ich sagte, mein Wissen würde ihnen nicht schaden, zeigte keine Wirkung, der Deckel blieb zu.

      Dann sprachen wir von anderen Dingen. Es gab viel zu bereden. Unsere Gespräche ergaben ein Bild der Umwelt, sie ließ sich besser handhaben, wenn man den Blick mit einem anderen teilte.

      Es lag viel Schnee dort oben, aber jetzt war die Sache mit dem Wegräumen des Schnees bis an ihre Tür geregelt, denn nach Esters Tod hatte sie endlich einen neuen Nachbarn bekommen. Einen Mann um die fünfzig, er hieß Niels, hatte Esters Haus gekauft, und er besaß sowohl einen Traktor als auch einen Schneeskooter. Niels räumte die Straße für sie und auch für Marianne, und er nahm nicht viel Geld dafür. Also endlich war ein richtiger Mann in diesen Teil des Dorfs gekommen, und zu den anderen Höfen war es schließlich ziemlich weit, Marianne und sie waren sehr zufrieden. Ja, sie war es jedenfalls, für Marianne konnte sie ja nicht sprechen.

      Wir redeten ziemlich eingehend über diesen Niels, wir tratschten sogar. Er war geschieden und hatte eine eigene Firma, er verkaufte übers Internet Ersatzteile. Er war aus der Gegend. Wie gewöhnlich wusste Ingeborg das meiste über seine Verwandtschaftsverhältnisse und auch über alle anderen Verhältnisse. Niels kam aus der Familie Walles, und bei denen hatte es sogar einen Oberstudienrat gegeben. Niels hatte, genau wie ich, nur ein erwachsenes Kind, und das war schließlich ein Glück, wo seine Frau ihn satt hatte und sogar weggezogen war. Sie hatten eine Wohnung im Ort gehabt, aber jetzt gehörte ihm also Esters Hof, wo er sich wohl zu fühlen schien, vermutlich weil er dort an den verschiedensten Geräten herumbasteln konnte, er lebte teilweise von diesen Reparaturen. Und man konnte obendrein mit ihm reden. Über alles. Auch über schwierige und komplizierte Dinge, er war ein guter Ratgeber СКАЧАТЬ