Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi. Aino Trosell
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Название: Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi

Автор: Aino Trosell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Siv Dahlin-Reihe

isbn: 9788726344189

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СКАЧАТЬ blieb da. Begann vorsichtig vom Wetter zu reden.

      Das Wetter, ja. Ich versuchte mich zu sammeln.

      Aber Ingeborg war doch tot!

      Es ging nicht. Ich war am Boden zerstört. Ich stürzte in ein tiefes schwarzes Loch – die letzten Wurzelfasern waren durchschnitten, jetzt gab es nichts, überhaupt nichts mehr, und ich hatte Ingeborg doch so ungeheuer gern!

      Hatte sie gern gehabt. Sie war nicht mehr da. Das Schluchzen schüttelte meinen Körper, ich weinte wie ein Kind.

      Am Ende fragte Monica, ob ich jemanden anrufen wolle.

      Ich verstand sie, was sollte sie tun. Hier saß sie mit einer unablässig heulenden Pflegekraft, und bald würde Stig-Erik Rikardssons Tochter den Wohnbereich betreten, müde nach der langen Zugfahrt und vielleicht auch sie völlig niedergeschmettert.

      Ich muss Jan erreichen, schluchzte ich. Ich muss mit meinem Mann reden.

      Während ich wieder im Büro saß und Eva-Marie am Telefon stotternd beizubringen versuchte, dass ich dran war, sah ich Stig-Eriks Tochter kommen. Sie hatte drei kleine rosafarbene Pinocchio-Rosen in der Hand, und Monica führte sie zu ihrem toten Vater hinein. Nach ein paar Minuten kam Monica aus dem Zimmer. Mir war klar, dass sie der Tochter angeboten hatte, eine Weile mit dem Vater allein zu sein.

      Nein, Eva-Marie hatte Jan heute nicht zu Gesicht bekommen. Dass er nach Dänemark sollte, war neu für sie, hörte ich. In dem Fall wäre er doch wohl schon gefahren? Das Schiff würde erst um halb zehn ablegen, antwortete ich, sie hätten sicher einen Bus gemietet, und ans Handy ginge er nicht.

      Komisch, dass sie nichts von dieser Dänemarkreise wusste. Aber die war wohl kurzfristig anberaumt worden, aufgrund der Naziüberfälle. Eva-Marie konnte mir nicht helfen. Ich regte mich richtig über sie auf. Sie machte ihren Job nicht ordentlich, saß wohl nur da und feilte ihre Fingernägel, statt sich um Dinge zu kümmern und darüber Bescheid zu wissen, wo sich die Leute aufhielten. Die Dame sollte mal ein paar Wochen in einer Pflegeabteilung verbringen, das würde ihr das blöde Frauengehabe schon austreiben.

      Tief im Inneren fühlte ich mich gemein. Eva-Marie und ich kamen eigentlich gut miteinander aus. Aber jetzt mochte ich sie plötzlich überhaupt nicht mehr, sondern hielt sie für hochnäsig und unfähig. Und ich selbst befand mich am Rande der Verzweiflung. Hast du es zu Hause versucht?, fragte sie vieldeutig.

      Was sollte Jan um diese Zeit zu Hause, er hielt sich ja wohl immer an seine Arbeitszeiten.

      Dennoch tätigte ich einen Anruf zu Hause. Natürlich ging niemand ans Telefon. Er war wohl schon losgeeilt, war unterwegs zum Stena-Terminal und hatte vergessen, das Handy einzuschalten.

      Es war nicht schwer, Monica zu überreden, mir freizugeben. Ich war ja doch zu keinem größeren Nutzen, und Trauer steckte an, mein Geschluchze brachte dieser Arbeitsstelle keinen Gewinn, wo das, was man produzierte, die Pflege lebendiger Menschen war.

      Glücklicherweise herrschte kein Berufsverkehr, und in der Straßenbahn saßen nur wenige Leute. Ich drückte meine heißen Augen gegen den Chromgriff des Sitzes vor mir, damit sie nicht so rot blieben. Ich hatte mit dem Weinen aufgehört. Hielt es zurück.

      Bei Brunnsparken stieg ich um. In der neuen Bahn gab es mehr Fahrgäste, sie war fast voll besetzt. Das Weinen lag wie ein Stein in mir, ich wusste, dass ich alles loswerden konnte, wenn ich nur Jan fand und seine Arme um mich fühlte. Er, der mein Lebensgefährte, mein Geliebter, der mir nahestehendste Mensch, mein bester Freund und mein Vertrauter war, er kannte mich in- und auswendig, und er würde sofort sehen, wie es um mich stand, würde sich um mich kümmern, und dafür sorgen, dass der kalte Kellergeruch der Ewigkeit mich nicht völlig überschwemmte. Nähe war das Einzige, was gegen die Schwindel erregende Gleichgültigkeit des Todes half. Dagegen, dass schlimmstenfalls alles sinnlos war. Dass ich nie mehr mit Ingeborg reden konnte und keine Antworten auf meine unbeantworteten Fragen erhielt, jene, die ich noch nicht hatte stellen können. Die ich hatte stellen wollen. Wir waren einander immer näher gekommen. Ich hatte mich mit Ingeborg auf einer Reise befunden, als sie plötzlich hinweggerafft wurde. Ingeborg und ich hatten an einer gemeinsamen Erzählung gestrickt, waren gerade dabei gewesen, sie zu heften und einen Saum anzubringen. Jan würde alles von mir abwehren, er würde mich in meiner Trauer über das, was ich jetzt verloren hatte, ausweinen lassen. Und auch darüber, dass mir nun auch die winzigste Chance genommen worden war, den, der mein Vater war, doch noch aufzuspüren. Warum hatte ich nicht beharrlicher nachgefragt?

      Ich stieg bei Järntorget aus und ging das letzte Stück bis zum Stena-Terminal zu Fuß. Der Himmel hatte sich aufgehellt, und es war nicht mehr so nass. Die Strahlen der tief stehenden Sonne glitzerten in den Pfützen auf dem modernisierten Platz. Die Stadt lebte und veränderte sich, ließ Wohlstand spüren. Von hier aus war es nicht weit bis zum Slottsskogen. Ich begann wieder zu weinen. Ingeborg würde nie einen Bericht über unsere verrückte Geburtstagsfeier erhalten. Daraus würde wohl sowieso nichts werden, ich hatte das Gefühl, nie wieder froh sein zu können.

      Was für ein grotesker Gedanke, ich war doch schließlich ein erwachsener Mensch. Es musste Teile an mir geben, die völlig unterentwickelt und unreif waren, es würde bestimmt besser werden, wenn ich mich erst in Jans Armen ausweinen konnte. Ich musste reden, alles drehen und wenden und wiederholt durchgehen können. Ich brauchte Sympathie, Verständnis und ein wenig zärtliche Fürsorge. Jan konnte mir all das geben. Diese uneigennützige, sympathische Seite an ihm war es, weshalb ich ihn all die Jahre geliebt hatte, und sie war auch der Grund dafür, warum ich es ertrug, meinen Mann mit der ganzen Gewerkschaftsbewegung zu teilen. Er trank auch nicht oder steckte sein Geld in Pferdewetten, selbst für Sport zeigte er keine Leidenschaft. Die brachte er hingegen für das Wahre und Richtige auf – für die Gerechtigkeit. Deshalb erforderte sein Pathos zuweilen die große Öffentlichkeit, und ihn ganz für sich haben zu wollen war ein egoistischer und unsinniger Gedanke.

      Ich hatte ja Åsa gehabt. Wir hatten viel Spaß gehabt in diesen wunderbaren Jahren ihres Aufwachsens, und wie ich im Nachhinein einsah, war es geradezu ein Fest gewesen, die Welt mit den Augen des Kindes zu erleben und alles von neuem zu entdecken. Aber nun führte sie ihr eigenes Leben.

      Jetzt ging es um Jan und mich.

      Das Stena-Terminal war groß. Eine rotfleckige und ziemlich hysterische Frau konnte mit zusammenhanglosen, aber Verständnis heischenden Erklärungen Sperren und Passagen überwinden, und schon bald befand ich mich an der Rampe zum Autodeck, wo die Autos gerade an Bord fahren wollten. Ich suchte nach einem Fahrzeug der Firma Göta-Bus, deren Dienste die Gewerkschaft, wie ich wusste, immer in Anspruch nahm. Die Busse wurden zuerst an Deck gelassen. Ich eilte an den sich windenden Schlangen entlang und suchte nach Jans Bus, die Sache würde bestimmt in Ordnung gehen, er würde aussteigen, und die Kollegen würden ohne ihn weiterfahren.

      Schließlich waren alle Busse an Bord gerollt, und die Personenwagen waren dran. Aber es war kein Göta-Bus zu sehen gewesen. Die Schranken der Einfahrt wurden geschlossen. Die Abfahrtszeit rückte näher. Hatten sie doch auf eine andere Busfirma vertraut?

      Mit derselben Direktheit wie zuvor gelangte ich nach oben, zur Einstiegsrampe für die übrigen Passagiere. Es glückte mir fast, mich auf die Fähre zu drängen, ohne ein Ticket vorweisen zu müssen, doch schließlich wurde ich gestoppt und höflich, aber bestimmt zum Terminal zurückverwiesen. Wo war Jan?

      Die geduldige Frau an der Rezeption suchte brav in ihrem Computer. Nein, eine Bestellung vom genannten Gewerkschaftsverband war nicht notiert, und von der entsprechenden Konferenz hatte sie natürlich kein Wort gehört.

      Er musste doch hier irgendwo sein!

      Ich sagte, es ginge um einen Todesfall in СКАЧАТЬ