Название: Davidstern und Lederball
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895338809
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Die Qualität des österreichischen Klubfußballs blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Nationalteam, das unter der Leitung des bereits erwähnten Verbandskapitäns Hugo Meisl von Mai 1931 bis Dezember 1932 15 Spiele in Folge ungeschlagen blieb. Zu denen, die die Spielstärke des sagenumwobenen »Wunderteams« zu spüren bekamen, gehörte auch die Mannschaft des DFB, die mit 0:5 und 0:6 zweimal deutlich unterlag. Die größte Sensation gelang den Kickern um Matthias Sindelar allerdings gleich zum Auftakt ihrer Siegesserie, als sie die damals noch hoch gehandelte Nationalmannschaft Schottlands mit 5:0 besiegten.
Auch Meisls jüngerer Bruder Willy schrieb Geschichte. Der Journalist wurde mit Etiketten wie »König unter den Sportjournalisten Zentraleuropas«, »Vater des modernen Sportjournalismus« und »weltweite Nummer eins unter den Fußballkritikern« bedacht. 1955 veröffentlichte Meisl ein viel beachtetes und auch heute noch lesenswertes Buch mit dem Titel »Soccer Revolution«, eine schonungslose Auseinandersetzung mit den Defiziten des englischen Fußballs.
Jüdischer Sport unterm Hakenkreuz
Zwar spielen Juden in Deutschland auch noch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung einige Jahre Fußball, allerdings in »ghettoisierter« Form. Der Ausstoß jüdischer Bürger aus den »paritätischen« bürgerlichen Sportvereinen beginnt unmittelbar nach der braunen Machtergreifung.
Bereits um die Jahrhundertwende waren in Europa zahlreiche jüdische Sportvereine gegründet worden, die ihre Namen bei antiken jüdischen Helden wie Makkabi oder Bar Kochba adaptierten oder sich Hakoah (= Kraft) und Hagibor (= Kämpfer) nannten. Das Gros der Juden befand sich aber in paritätischen Vereinen, was ihrem Wunsch nach Assimilation entsprach. Der Anhang der zionistischen Bestrebungen nahm sich dagegen noch recht schmal aus.
Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung waren nur etwa ein bis zwei Prozent der ca. 500.000 in Deutschland lebenden Juden in rein jüdischen Turn- und Sportvereinen organisiert. Der größte jüdische Sportverband war mit ca. 8.000 Mitgliedern und 23 Vereinen der Deutsche Makkabikreis, der 1921 als erweiterte Neugründung der bereits 1903 konstituierten Jüdischen Turnerschaft (JT) entstanden war. Der Sportbund Schild entwickelte sich 1923 aus dem Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (RjF) heraus. Anlass waren die pogromartigen Berliner »Scheunenviertel-krawalle« vom November 1923. Den RjF-Sportgruppen lag ursprünglich der Selbstschutzgedanke zugrunde. Schild zählte 1933 rund 7.000 Mitglieder und 90 Vereine. Der 1925 in Essen gegründete Verband jüdisch-neutraler Turn- und Sportvereine (VINTUS) beschränkte sich auf den Westen Deutschlands. Im Gegensatz zum national-jüdisch agierenden Makkabi gab sich VINTUS bewusst unpolitisch.7 Dies korrespondierte mit der allgemeinen Haltung der deutschen Juden zum Judentum. Um 1930 bekannte sich die überwiegende Mehrheit der deutschen Juden zum assimilatorischen Centralverein, in dessen 555 Ortsgruppen und 21 Landesverbänden ca. 60.000 Einzelmitglieder organisiert waren. Zuzüglich der ihm angeschlossenen Vereine und Körperschaften, u.a. auch des RjF, konnte der Centralverein für sich die Vertretung von 300.000 Juden bzw. über die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Deutschlands reklamieren. Die jüdisch-nationale Zionistische Vereinigung Deutschlands zählte dagegen nur 20.000 Mitglieder, was etwa 3,5% der jüdischen Bevölkerung entsprach. »Für die meisten Juden in Deutschland war die Identität, Deutscher und Jude zu sein, eine Selbstverständlichkeit. «8
Leider galt dies keineswegs für viele ihrer christlich-deutschen Mitbürger. »Ein auf Gegenseitigkeit beruhendes ›deutsch-jüdisches Gespräch‹ (…) hat in Wirklichkeit nicht stattgefunden. Jedenfalls ist es über seine ersten Ansätze nicht hinausgekommen. Gewiss, die Juden haben sich nach Kräften, oft sogar unter Preisgabe ihrer Individualität, um ein Gespräch mit den ›Deutschen‹ bemüht, in zahlreichen Bekenntnissen sich der Umwelt zu erklären versucht und auch diese auf die Fruchtbarkeit der Spannungen aufmerksam gemacht. Die Umwelt war aber nur in den seltensten Fällen bereit, die Juden überhaupt anzuhören, geschweige denn sie zu verstehen und zu achten. Auch da, wo man sich mit ihnen auf eine Auseinandersetzung im humanen Geist einließ, beruhte diese auf der ausgesprochenen oder stillschweigenden Voraussetzung der Selbstaufgabe der Juden. Jüdische Beteuerungen über die ›geistige Gemeinsamkeit des deutschen Wesens mit dem jüdischen Wesen‹ stießen in breiten Kreisen auf heftige Ablehnung.«9
Als Folge des Verstoßes der Juden aus den paritätischen Vereinen ab 1933 erfuhren die exklusiv jüdischen Klubs zunächst einen Aufschwung. 1936 waren 42.500 Juden Mitglied der jüdischen Verbände Makkabi oder Schild, was ca. 10% der jüdischen Gesamtbevölkerung Deutschlands entsprachen. Aber aus der Mitte der Gesellschaft wurden die jüdischen Funktionäre, Trainer, Fußballer und Mäzene ausgeschlossen. Nach der Reichspogromnacht wurden auch die jüdischen Sportvereine zerschlagen.
Wo Juden im Fußball Erfolge errangen, taten sie dies in der Regel in paritätischen Vereinen. Der berühmte Wiener SK Hakoah war hier eher eine Ausnahme. Viele der in diesem Buch vorgestellten Mäzene, Funktionäre, Trainer und Spieler waren zwar bei so genannten »Judenklubs« (Bayern München, Eintracht Frankfurt, Tennis Borussia Berlin, Austria Wien, MTK Budapest etc.) engagiert, doch von ihrem Anspruch und ihrer Zusammensetzung handelte es sich bei diesen um paritätische Vereine. Ein jüdischer Mäzen oder ein jüdischer Vereinsvorsitzender mag den einen oder anderen jüdischen Trainer oder Spieler angezogen haben. Bei Vereinen, die Juden in führenden Positionen besaßen und über ein »jüdisches Umfeld« verfügten, fühlte sich ein jüdischer Spieler sicherlich eher heimisch und sicher. Auch zog ein derartiger Verein häufig im überproportionalen Maße jüdische Fans an. Das alles reichte aus, um einen solchen Klub in den Augen seiner Gegner als »Judenklub« erscheinen zu lassen, selbst wenn die Zahl der Juden unter den Aktiven und Fans bei weniger als 10% lag.
Von Europa nach New York und ins gelobte Land
1939 lebten in Europa noch fast zehn Millionen Juden. Während des Krieges wurde mehr als die Hälfte von ihnen ermordet. Emigration und sinkende Geburtenrate verringerten die jüdische Bevölkerung bis 1994 auf weniger als zwei Millionen.
Die größte jüdische Gemeinschaft, die Hitlers Holocaust überlebte, befand sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit 1.971.000 Mio. in der UdSSR, die sich allerdings bis zur Jahrtausendwende durch Emigration erheblich reduzierte. In Westeuropa blieben nur die 370.000 Juden zählende Gemeinde Großbritanniens, die kleineren Gemeinden in den neutralen Staaten Irland, Schweden und Schweiz sowie die 8.500 Juden Dänemarks, denen der dänische Widerstand über die Grenze nach Schweden verhalf, vom Holocaust relativ unbeschadet. Hingegen wurden ca. drei Viertel der 140.000 niederländischen und zwei Drittel der 65.000 belgischen Juden ermordet. Von den 300.000 Juden Frankreichs wurden ca. 75.000 vernichtet. Von den 500.000 in Deutschland selbst lebenden Juden gelang ca. der Hälfte noch vor Kriegsausbruch und Einsetzen der Vernichtung die Emigration. In den von Hitler besetzten Gebieten Europas außerhalb der UdSSR überlebten insgesamt weniger als eine Million. Die größte Zahl jüdischer Opfer kam aus Polen und den westlichen Provinzen Russlands, seit Jahrhunderten Kernland des europäischen Judentums. Lebten 1937 noch 3.250.000 Juden in Polen, so wurden 1946 nur noch 215.000 gezählt.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich der Schwerpunkt des jüdischen Fußballs aus Europa in die USA und hier insbesondere nach New York verlagert. Bereits im 19. Jahrhundert war die Zahl der Juden sprunghaft angestiegen, als mehr als eine Million Osteuropäer in der Stadt am Hudson River eintrafen. In den 1930er und 1940er Jahren erfuhr die jüdische Gemeinde ein erneutes Wachstum, bedingt durch den Nationalsozialismus. Unter den Flüchtlingen befanden sich u.a. die Diamantenhändler Antwerpens und Amsterdams sowie Intellektuelle und Künstler wie Isaac B. Singer, Hannah Arendt und Marc Chagall. New York avancierte zur jüdischen Metropole schlechthin, die heute mit ca. 1,3 Mio. Juden die weltweit stärkste СКАЧАТЬ