Davidstern und Lederball. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Davidstern und Lederball

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783895338809

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СКАЧАТЬ und wohnte inmitten des Hansa-Viertels in Tiergarten. Obwohl dieser Stadtteil von einer wohlhabenden jüdischen Mittelschicht geprägt wurde, war es doch kein jüdisches Ghetto, als welches etwa das Londoner East End betrachtet wurde, auch dann nicht, wenn es kaum ein Haus gab, in dem nicht mehrere jüdische Familien lebten. Die meisten verdienten als selbstständige Kaufleute ihr Geld, und wenn sie politisch und jüdisch interessiert waren, gehörten sie in den 1920er Jahren überwiegend der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und dem Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens an. Der größte Teil der Juden indes war, so beschreiben es jedenfalls Zeitzeugen, säkularisiert und besuchte die Synagoge meist nur zu besonderen Anlässen.

      Lesser nutzte seinen beträchtlichen Wohlstand schon bald zu einem ve-ritablen Mäzenatentum. 1912 stiftete er während seiner ersten Amtszeit als Vorsitzender dem Verein die 27.000 m2 Grundfläche fassenden Sportplätze in Niederschönhausen, die Basis für die weitere Entwicklung des Vereins. (1928 konnte das Grundstück, als der Verein nicht liquide war, mit einer Hypothek über 12.000 Mark belastet werden.) Gleichzeitig war damit der Weg vom Tennis- zum Fußballverein weitgehend besiegelt, da die Anlagen für Fußball ausgelegt waren. Vor allem Lesser war dafür verantwortlich, dass der Klub sich in den 20er Jahren zum zweitbesten Fußballklub nach Hertha BSC entwickelte. Er, der 1925 außerdem zum Vizekonsul von Honduras avancierte, finanzierte Anfang der 20er Jahre aus seinem Privatvermögen viele Auswärtsfahrten, lockte außerdem ruhmreiche Mannschaften wie Hakoah Wien oder Cardiff City zu Gastspielen in das Poststadion. Als der Verein 1925, weil mit Carl Koppehel ein bezahlter Geschäftsführer eingestellt werden sollte, eine Unterdeckung im Etat befürchtete, übernahm Lesser gemeinsam mit einem weiteren Gönner kurzerhand das Gehalt für ein Jahr.

      Bereits im Kaiserreich haftete dem Verein, der 1910 erstmals in die höchste Berliner Klasse aufstieg, durch Mitglieder wie Lesser ein nobles Image an, er besaß zweifelsohne eine Sonderstellung unter den Berliner Vereinen im Norden. Die »innere Struktur des Clubs« um 1910, erinnerte sich Trainer Richard Girulatis in der Festschrift des Vereins anno 1952, war schließlich »bestimmt durch eine ganze Anzahl wohlhabender Mitglieder«. Beleg dafür ist auch ein Bonmot, das seinerzeit die Runde machte. Als die Borussia in einem entscheidenden Spiel um die Klassenmeisterschaft den Rivalen Weißenseer FC 1900 mit 6:1 vom Feld schickte, sprach der Volksmund davon, »dass jetzt die feinen Leute schon die Arbeiter verhauen«. Wie elitär der Klub war, zeigte auch die Abteilung »Akademikersport«, die zur gleichen Zeit von den älter gewordenen Mitgliedern der ersten Generation ins Leben gerufen wurde.

      Den sportlichen Erfolg des Vereins verkörperten in erster Linie Spieler wie Simon Leiserowitsch (auch er ein Jude), die Brüder Walter und Oskar Lutzenberger und Fritz Baumgarten, die oft als »Repräsentative« für Berliner Auswahlmannschaften zum Einsatz kamen. Und Fritz Baumgarten stand im Tor, als Deutschland 1908 zu seinem ersten Länderspiel in Basel antrat und dort mit 3:5-Toren der Schweiz unterlag. Fast selbstverständlich wirkten TeBe-Mitglieder auch sportpolitisch im Dachverband. Theodor Sachs etwa, auch er ein jüdisches Gründungsmitglied des Vereins, arbeitete 1905 als Obmann des Verbandes Brandenburgischer Ballspielvereine (VBB) im Mel-deausschuss. 1915 fasste TeBe etwa 200 Mitglieder und war damit einer der größten Berliner Sportvereine; wie überall aber stellte der Erste Weltkrieg auch in diesem Klub eine tiefe Zäsur dar: 55 gefallene Mitglieder beklagte der Verein 1918. Viele von ihnen hatten sich freiwillig gemeldet, denn auch bei TeBe hatten Patriotismus und Kriegsbegeisterung um sich gegriffen.

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      Die Mannschaft von Tennis Borussia Berlin in den 1920er Jahren. Ganz links Simon Leise-rowitsch, ganz rechts sein Bruder Fritz, in der Mitte Otto Nerz, der spätere Reichstrainer.

      Im Vorfeld dieser heiklen Begegnungen wurde die Wahl TeBe’s von vielen Fußballfunktionären noch scharf kritisiert, da Tennis Borussia noch nicht zu den stärksten Klubs des Landes zählte. Bald aber stießen die Fußballer in die Spitze vor, bedingt nicht allein durch das Mäzenatentum, sondern auch durch exzellente Trainingsarbeit. Vor allem die Schule Otto Nerz’ wurde in diesem Zusammenhang viel gerühmt. Nerz, der an der nahe gelegenen Deutschen Hochschule für Leibesübungen Fußball dozierte, probierte erfolgreich neueste trainingswissenschaftliche Erkenntnisse im Verein aus, auch wenn diese Praxis von der Konkurrenz oft belächelt wurde. Überhaupt profitierte der Klub vom Austausch mit der ersten Sportuniversität der Welt, denn viele neue Studenten wie Herberger waren aktiv bei TeBe. Zwischen 1925 und 1933 wurde dort der zweitbeste Klubfußball Berlins gespielt, diverse »Veilchen« spielten in regionalen Auswahlteams, Eschenlohr, Lux, Martwig, Schröder und Schumann sogar in der Reichsauswahl, die von 1926 an von ebenjenem Otto Nerz trainiert wurde. Dass Nerz im Juni 1943 in drei antisemitischen Zeitungsartikeln im auflagenstarken Berliner »12 Uhr Blatt« ein »judenfreies Europa« forderte, gehört zu den verwirrenden Aspekten dieser Beziehung zwischen Nerz und seinem ehemaligen Verein. Noch seltsamer wirkt es aus heutiger Sicht, dass die Festschrift zum 50. Jubiläum Tennis Borussias einen historischen Text aus der Feder genau jenes Trainers ziert, der neun Jahre zuvor die Vernichtung des jüdischen Sports geistig vorzubereiten geholfen hatte.