Название: Davidstern und Lederball
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895338809
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Die Sportbewegung, und zu dieser gehörte auch der Fußball, war liberaler als die deutschnational, chauvinistisch und antisemitisch besetzte Turnerschaft und übte folglich auf jüdische Aktive eine hohe Anziehungskraft aus.
Am 17.12.1911 feierte auf dem Münchener MTV-Platz mit Julius Hirsch erstmals ein jüdischer Spieler seinen Einstand in der deutschen Nationalelf. Gemeinsam mit seinem Glaubensbruder Gottfried Fuchs und Fritz »Fridder« Förderer bildete Hirsch beim Karlsruher FV das beste Innensturmtrio des deutschen Fußballs vor dem Ersten Weltkrieg. Hirsch und Fuchs spielten auch in der Nationalmannschaft zusammen. Als die DFB-Elf 1912 in Zwolle gegen die Niederlande ein 5:5-Remis erreichte, gingen sämtliche deutschen Tore auf das Konto des jüdischen Duos.
Gottfried Fuchs ist bis heute Rekordschütze der deutschen Nationalmannschaft. 1912 hatte Fuchs bei den Olympischen Spielen in Stockholm zehn Tore zum 16:0-Sieg der Deutschen gegen Russland beigetragen. Bis 2001, als dem Australier Archie Thompson in der WM- Qualifikation gegen Amerikanisch Samoa 13 Tore gelangen, war dies sogar Weltrekord.
Während Gottfried Fuchs dem Holocaust durch Emigration nach Kanada entging, kam »Juller« Hirsch in Auschwitz ums Leben.
Die legendäre Mannschaft von Hakoah Wien, 1928.
Donaufußball und Profifrage
Die Hochburgen des »jüdischen Fußballs« waren allerdings Ungarn, Tschechoslowakei und Österreich. Die Länder des »Donaufußballs« entwickelten sich neben der britischen Insel zu einem zweiten fußballsportlichen Machtzentrum in Europa. Der Fußball dieser Länder befand sich auf einem deutlich höheren Niveau als etwa in Deutschland.
Der Donaufußball war eine eigenständige Fußballkultur, dessen drei hervorstechendste Merkmale lauteten:
In Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei lebten noch 1937 fast eine Million Juden; der Anteil der Juden an der Gesamtbevölkerung fiel deutlich höher aus als etwa in Deutschland. In Ungarn wurden 1937 ca. 400.000 gezählt, in der Tschechoslowakei 357.000 und in Österreich 191.000. Hinzu kam ihre weitgehende Konzentration in den Städten Budapest, Prag und Wien, den Zentren des Donaufußballs.
Mit dem 1927 erstmals ausgespielten Mitropa-Cup, Europas erstem internationalen Wettbewerb für Vereinsmannschaften und gewissermaßen einem Vorläufer des heutigen Europapokals, besaß der Donaufußball seine eigene internationale Bühne. Vater des Wettbewerbs war der legendäre österreichische Verbandschef Hugo Meisl, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Mähren. Zum Mitropa-Cup waren die besten Vereinsmannschaften Österreichs, Ungarns, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens zugelassen. Später schlossen sich auch noch die Schweiz und Rumänien dem Wettbewerb an.
Der Donaufußball war ein Synonym für »Professionalismus«. In Österreich war es vor allem Hugo Meisl gewesen, der die Legalisierung des Profifußballs gefordert hatte – gegen den Widerstand der FIFA sowie der Opposition im eigenen Land. Auch die 1924 angepfiffene Profiliga war ein Kind des visionären Verbandskapitäns.
Mit dem bezahlten Fußball standen die Nazis ideologisch auf Kriegsfuß. Dabei dürfte allerdings auch eine Rolle gespielt haben, dass die Nazis dem Donaufußball und seinen jüdischen Akteuren Progressivität und Erfolg neideten.
Wie dem auch gewesen sein mag: Für die Ideologen des NS-Sports war der bezahlte Fußball jedenfalls eine »jüdische« Kreation. Als Schalke 04 1939 im Finale der »Großdeutschen Meisterschaft« Admira Wien mit 0:9 unterlag, schrieb Guido von Mengden im »NS-Sport«: »Das Prinzip des Profitums hat in Wien zwangsläufig seine Spuren in der Bevölkerung hinterlassen. Berufssport ist ein Geschäft und ein Geschäft verlangt geschäftliche Methoden, es verlangt Reklame, Stars, Skandälchen und Sensationen. Dieses Gift ist jahrelang mit teilweise echt jüdischer Geschicklichkeit ins Volk gespritzt worden. Der Fußballsport musste darüber notgedrungen in den Augen der Masse mehr eine zirzensische als eine Erziehungsaufgabe werden.«4 Bereits im Frühjahr 1938 hatte die Wiener Ausgabe des »Völkischen Beobachters« anlässlich eines Besuchs des Reichssportführers in Wien geschrieben, dass aufgrund der »Verjudung« die »Verhältnisse im österreichischen Sport (…) untragbar geworden« seien. Nur die »konsequente Reamateurisierung des Profifußballs« könnte die »Allgemeinheit der Volksgemeinschaft« wieder dem Sport zuführen.5
Assimilierte und Zionisten
Metropole unter den Metropolen des Donaufußballs war Wien. In keiner anderen Stadt der Welt existierten so viele exzellente Fußballteams wie hier. Nicht einmal London konnte diesbezüglich konkurrieren. Fast jeder der damals 21 Bezirke Wiens besaß seine eigene Fußballmannschaft und eigene Fußballkultur.
Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt der Wiener Fußball noch Verstärkung aus Budapest, als sich eine Reihe von namhaften ungarisch-jüdischen Kickern dem Antisemitismus des autoritären Horthy-Regimes durch einen Wechsel nach Wien entzog. Mit der Austria und dem SK Hakoah verfügte Wien über zwei hervorragende Fußballadressen, bei denen Juden eine bedeutende Rolle spielten. Bedingt durch die Einwanderung verbanden sich in der österreichischen Hauptstadt die besten Elemente der Fußballschulen Wiens, Budapests und Prags.
Während die Austria Lieblingskind des assimilierten Bürgertums und mitnichten rein jüdisch war, avancierte die SK Hakoah zur bis heute größten Nummer unter den nationaljüdischen Vereinen und zur berühmtesten jüdischen Fußballmannschaft. Nicht-Juden waren hier nur als Trainer zugelassen. Die Hakoah kompensierte diese selbst auferlegte Beschränkung ihrer Rekrutierungspolitik, indem sie auch nicht-österreichische Juden anzog. Mitte der 1920er zählte der SK Hakoah zu den weltbesten Klubs. Von 1917 bis 1934 trugen elf Hakoahner das österreichische Nationaltrikot. 1924/25 wurden die Wiener erster österreichischer Profifußballmeister. Ein Jahr zuvor war es der Hakoah-Mannschaft als erstem Klub vom Kontinent gelungen, auf englischem Boden ein englisches Team zu schlagen. Vor Beginn der Meisterschaftssaison 1923 gewann der SK Hakoah Wien beim englischen Topteam West Ham United mit 5:0. Der »Daily Mail« schrieb anschließend voller Bewunderung über die Wiener Gäste: »Sie führten einen wissenschaftlichen Fußball vor. Kein Kraftfußball, kein ›kick and rush‹. Dagegen kombinierten sie prächtig, ohne dem hohen Spiel zu frönen. Sie spielten flach und kombinierten in den leeren Raum. Sie meisterten СКАЧАТЬ