Davidstern und Lederball. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: Davidstern und Lederball

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783895338809

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СКАЧАТЬ Zentralrats der Juden in Deutschland

      Dietrich Schulze-Marmeling

      Einführung

      Momentaufnahme: 12. Juni 1932

      Am 12. Juni 1932 erfolgt im traditionsreichen Nürnberger »Zabo« der Anpfiff zum letzten Finale um die Deutsche Fußballmeisterschaft vor der Machtergreifung der Nazis. Es stehen sich gegenüber der FC Bayern München und Eintracht Frankfurt. Mit Kurt Landauer ist der Präsident des FC Bayern ein Jude. Trainiert werden die »Rothosen« vom österreichischen Erfolgscoach und Ex-Internationalen Richard »Little« Dombi, auch er ein Jude. Der Vormarsch der Bayern an die nationale Spitze ist ganz wesentlich ihrer exzellenten Nachwuchsarbeit zuzuschreiben, für die der Jugendleiter des Klubs, Otto Beer, verantwortlich zeichnet. Beer ist ebenfalls jüdischer Herkunft.

      Doch nicht nur beim FC Bayern, sondern auch beim Gegner aus Frankfurt wirkten Juden wesentlich am Erfolg mit. Seit Mitte der 1920er Jahre heißt der Hauptmäzen der Eintracht J. & C.A. Schneider, größter Schuhhersteller auf dem Kontinent. Deren Besitzer sind die jüdischen Bürger Lothar Adler, Fritz Adler und Walter Neumann. Die wichtigsten Spieler der Eintracht stehen auf der Lohnliste von J.C.A.S., weshalb die Mannschaft auch als »Schlappekicker« firmiert. »Schlappe« nennt man in Hessen jene Hausschuhe, die J.C.A.S. produziert. Auch der jüdische Schatzmeister der Eintracht, Hugo Reiß, ist in der Schuhfabrik beschäftigt.

      Auf der Pressetribüne sitzt Walther Bensemann, ein Freund Kurt Landauers und einst aktiv in der Fußballabteilung des MTV 1879 München, aus der der FC Bayern hervorging. Bensemann, der 1920 den »Kicker« ins Leben rief und in Personalunion Herausgeber und Chefredakteur des Magazins ist, gilt als Deutschlands profiliertester Fußballjournalist. Mit Landauer teilt Bensemann die jüdische Herkunft. Unweit von Bensemann dürfte die Frankfurter Journalistenlegende Max Behrens Platz genommen haben, auch er ein Jude. Der Sportredakteur, eine »lebendes Fußball-Lexikon«, wie später einmal die »Frankfurter Presse« schreiben wird, berichtet für »Frankfurter Generalanzeiger« und »Frankfurter Zeitung« über die Auftritte der Eintracht und des Lokalrivalen FSV.

      Auch Dr. David Rothschild ist im Stadion, ehemals Präsident des FSV und in der Mainmetropole respekt- und liebevoll »der Bornheimer Doktor« genannt. Unter der Regentschaft des Mediziners avancierten die Schwarz-Blauen zu einer nationalen Adresse. Rothschild beschreibt später die Anfahrt der Frankfurter Anhänger zum Endspiel: »In jedem Ort, durch den sie fahren, erwartet sie eine enthusiastische Menschenmenge, die mit wechselnden Sympathien für eine der beiden Finalteams Partei ergreift, und je näher sie Nürnberg kommen, umso gewaltiger wird die Mobilisierung. Was sehen wir? Da flitzt Hitlers Mercedes mit Eskorte uns entgegen; die Insassen erkennen, dass König Fußball die Massenbegeisterung in steigendem Maße erwirbt, trotz Reichstagsfieber und Notverordnungen.«

      Ein optimistisches Bild, das jedoch nur wenige Monate später von der Wirklichkeit mit aller Brutalität wegradiert wird. Denn im Nürnberger »Zabo« vollzieht sich vor 58.000 Zuschauern bei drückender Hitze der letzte große Auftritt jüdischer Mäzene, Funktionäre, Trainer und Journalisten.

      Der FC Bayern gewinnt das Finale mit 2:1. Die Säulen des Bayern-Triumphes, Präsident Landauer, Trainer Dombi, Jugendleiter Otto Beer und Torjäger Oskar Rohr sind wenig später nicht mehr in Deutschland oder nicht mehr in offiziellen Funktionen. Kurt Landauer legt am 22. März 1933 sein Amt nieder. Nach der »Reichskristallnacht« wird Landauer für vier Wochen ins KZ Dachau eingesperrt. Nach seiner Freilassung gelingt ihm die Emigration nach Genf. Die daheim gebliebenen Familienangehörigen werden von den Nazis ermordet. Richard Dombi und Otto Beer setzen sich bereits zu Beginn der braunen Herrschaft in die Schweiz ab. Oskar Rohr ist zwar kein Jude, in seiner Heimat ist der Nationalspieler aber trotzdem nicht mehr wohl gelitten, denn Rohr will Profi werden – und Profifußball gilt den neuen Machthabern als »jüdisch«. Der Torjäger schließt sich nach dem Gewinn der Meisterschaft den Grasshoppers Zürich an; ein Jahr später reist er weiter nach Frankreich, wo er während der deutschen Besatzung verhaftet, in ein KZ verschleppt und schließlich an die Ostfront geschickt wird.

      Auf Eintracht-Seite sieht es nicht anders aus: Mäzen Walter Neumann emigriert 1933 nach England. Seinen Mitstreitern Lothar und Fritz Adler gelingt 1938 nach der Arisierung ihres Betriebs und vorübergehender Inhaftierung die Flucht in die USA, wohin sich bereits Schatzmeister Hugo Reiß abgesetzt hat.

      Walther Bensemann wird nach der Machtergreifung beim »Kicker« herausgeworfen und geht in die Schweiz, wo er bereits im November 1934 fast mittellos stirbt. Sein Kollege Max Behrens gelingt 1939 unter dramatischen Umständen die Flucht in die USA. David Rothschild emigriert 1933 nach Stockholm, wo er 1936 stirbt. Auch Rothschilds Nachfolger im Amt des FSV-Präsidenten, Alfred J. Meyers, ein I.G.-Farben-Direktor und »Baumeister« des FSV-Stadions »Bornheimer Hang«, sowie FSV-Schatzmeister Siegbert Wetterhahn müssen Deutschland aus »rassenpolitischen« Gründen verlassen und finden Zuflucht in den USA.

      Jüdische Fußballpioniere

      Seit dem Anbrechen der Neuzeit haben Juden in allen wichtigen europäischen Gesellschaften eine bedeutende politische, wirtschaftliche und intellektuelle Rolle gespielt. Wie dieses Buch dokumentiert, gilt dies auch für den Fußballsport, wenngleich dies ganz und gar nicht dem antisemitischen Klischee vom »kraftlosen« Juden entsprach.

      Zu Deutschlands Fußballpionieren zählten auch eine Reihe jüdische Bürger. Der in Birmingham geborene deutschstämmige Jude John Bloch wirkte Anfang der 1890er Jahre in Berlin als Gründer diverser Cricket- und Fußballorganisationen. 1891 gab Bloch die Zeitschrift »Spiel und Sport. Organ zur Förderung der Interessen aller athletischer Sports« heraus. Die journalistische Tätigkeit eines Walther Bensemann wurde bereits gewürdigt. Bensemann gehörte aber auch zu Deutschlands bedeutendsten Fußballpionieren und war an Vereinsgründungen u.a. in München, Frankfurt/M. und Karlsruhe beteiligt. Der Kosmopolit war auch Organisator der ersten Länderspiele einer deutschen Auswahl, die im November 1899 in Berlin eine englische Amateurauswahl empfing.

      Als sich am 28. Januar 1900 in Leipzig der Deutsche Fußball-Bund (DFB) konstituierte, befanden sich unter den Federführenden auch die Brüder Fred und Gus Manning, Söhne eines in Frankfurt/M. geborenen jüdischen Kaufmanns. Gus Manning war auch an der Gründung des FC Bayern nicht ganz unbeteiligt gewesen. Einer seiner wichtigsten Kontaktleute vor Ort hieß Josef Pollack, den die Gründungsversammlung zum ersten Schriftführer in der Geschichte des späteren Rekordmeisters wählte.

      Gus Manning und Josef Pollack emigrierten noch vor dem Ersten Weltkrieg in die USA, wo Manning seine Funktionärskarriere fortsetze, während Pollack seine beim FC Bayern und Süddeutschen Fußballverband getätigten Funktionärserfahrungen in den Dienst des jüdischen Gemeindezentrums von White Plains stellte. 1948 wurde Gus Manning als erster US-Bürger in das Exekutivkomitee der FIFA gewählt.