Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Therese-Trilogie

isbn: 9788726569575

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СКАЧАТЬ an meinem Tisch steht und mich anspricht.

      »Du«, sagt er. »Darf ich dich was fragen?«

      »Ja« antworte ich entgegenkommend, aber kurz angebunden, und erfasse in einem kurzen Augenblick das, was ich wissen will. Breit gebaut, nicht besonders groß. Dunkle Augen und ein Schönheitsfleck ungefähr dort, wo Robert de Niro seinen hat. Ich habe den Typen noch nie gesehen.

      »Du hast wohl einen Vater zu dem Kind, oder?«

      Ich lächle spontan.

      »Und wie!«

      Er nickt und legt eine Hand auf den Cafétisch. Sie ist kräftig und sonnenverbrannt, mit Silberringen mit eingefaßten Türkisen auf mehreren der breiten Finger.

      »Denn sonst«, hebt er an und stockt dann, als hätte er plötzlich den Mut verloren.

      »Sonst?« ermuntere ich ihn mit schräg geneigtem Kopf.

      »Sonst würde ich dich mit auf See nehmen! In die Südsee!«

      »Was für ein Angebot!« stoße ich lachend aus. Er ist wirklich ein Pirat!

      »Ich heuere in drei Tagen auf einem Schiff nach Tahiti an. Du kannst mich hier morgen zur gleichen Zeit finden, wenn du es dir anders überlegst.«

      »Das werde ich sicher nicht«, sage ich.

      »Man kann nie wissen«, sagt er, streift meine Hand mit einem Finger, wünscht mir »viel Glück« und dreht mir den Rücken zu, als er sich hinausbewegt. Er hat einen Hängearsch in der Hose, und an seinem rechten Stiefel fehlt der Absatz.

      Ich muß mich einen Moment lang fassen. Die Südsee! Ich habe Seeleute und Segler noch nie verstanden. Noch nie den Drang verstanden, auf allen Seiten Wasser um sich haben zu wollen. Vielleicht hatte ich immer schon zu viel Angst vor der Tiefe. Obwohl wir ja gerade daher kommen. Aus dem Wasser. Wie mein kleiner Fisch, an den ich jetzt wie an einen nassen Delphin denke, in seinem eigenen Ozean tauchend. Einen Augenblick lang verliere ich mich in meiner Sehnsucht, das Wasser vom Rücken des Delphins abstreifen zu können. Ich gebe weitere Fachlektüre auf und leere meine Kaffeetasse. Lege die Zeitschrift zurück in die Plastiktüte, wo mir die Einkäufe aus der Babyabteilung ins Auge fallen. So handfest und dennoch so fern. Ich sollte lieber zusehen, daß ich nach Hause komme. Statistisch gesehen steigt das Risiko, daß die Geburt losgeht, schließlich mit jeder Sekunde. Und ich kann mir nichts Schlimmeres als eine Geburt im öffentlichen Bus vorstellen. Ich sammle meine Tüten zusammen, stehe auf und gebe mir alle Mühe, nicht zu watscheln, als ich an der Fotogalerie an der Schmalseite vorbeigehe und darauf Coco Chanel, die kinderlose Verführerin, entdecke. Dann gehe ich zum Taxistand und winke einen Wagen heran.

      Paul ist nicht zu Hause, was mich etwas enttäuscht. Dafür wundert es mich, daß er nach dem Frühstück nicht abgewaschen hat. Er ist doch sonst immer so penibel. Auf dem Küchentisch finde ich die Erklärung – ein schnell hingekritzelter Bescheid: »Bin von TV 2 für ein Gespräch angerufen worden. Bis bald. P.« Es ist etwas Dringendes an diesem Satz, das mich beunruhigt. Warum hat das plötzlich so eine Eile, wenn er doch schon zum Gespräch da war? Und außerdem hat er den Vertrag für seine Einstellung bekommen, und auch wenn ich vom ersten Dezember an mit dem Kind allein zurechtkommen muß und mir gar keine Hoffnungen zu machen brauche, vor Ende der Erziehungszeit wieder zur Arbeit zu kommen, so sind wir immerhin in den ersten paar Monaten zwei Erwachsene. Jedenfalls, wenn ich mich endlich dazu bequemen könnte, zu gebären.

      »Wenn du mich im Stich läßt, raste ich aus!« flüstere ich in einer bösen Vorahnung und gehe erst mal pinkeln. In meinem Slip ist Blut. Nicht viel, aber genug, daß sich auf der weißen Baumwolle ein roter Strich abzeichnet.

      »O nein«, murmle ich und werde auf das Gemeinschaftsklo bei Sergej zurückgewirbelt, wo meine blutende Vagina eine schreiende Warnung von Tod und Unglück war. Aber dann fällt mir der Abschnitt über die bevorstehende Geburt in der mir ausgehändigten Broschüre ein, und ich kann sogar beim Namen nennen, was ich sehe: Eingangsblutungen. Also ist es nur noch eine Frage von Tagen oder Stunden, bis es passiert. Ich spüle und laufe planlos in Pauls Wohnung umher. Bei den Konsultationen im Krankenhaus war ich ungeduldig und insistierend, tief frustriert darüber, in diese Wartehaltung versetzt zu werden und äußerst unzufrieden mit der unerträglich religiösen Attitüde der Ärzte gegenüber meiner verspäteten Geburt.

      »Wenn Gott will!« antworten die Ärzte immer nur, wenn ich sie um einen Termin bitte.

      Während ich Patina angesetzt und vergeblich versucht habe, sie dazu zu bringen, die Geburt einzuleiten – »die Geburt wird komplizierter, wenn wir die Natur stören!« –, ist Paul ganz auf einer Linie mit dieser geburtshilflichen Methode.

      »Dein Problem, Tes, ist«, dozierte er vor ein paar Tagen, während wir in scharfem Trab um die Seen herumliefen – ein weiterer Versuch, der heiligen Natur auf die Sprünge zu helfen –, »daß du wie die meisten modernen Menschen alles kontrollieren willst. Du kannst einfach nicht damit zurechtkommen, daß es Dinge gibt, die du nicht lenken kannst. Aber in der Ungewißheit findest du das Mysterium der Schöpfung, das Grauen und die Schönheit, und meiner Meinung nach zeugt es von absoluter Weisheit, daß die größte Geburtsstätte des Landes ihre Demut und Grenzen erkannt hat!«

      »Schreib doch ’nen Feuilletonartikel darüber!« forderte ich ihn trocken auf. Worauf er tatsächlich nach Hause ging und das tat! An dem Vormittag, als ich mich mit Birgitte traf, saß er übrigens an dem Text und überarbeitete ihn, und er muß es wirklich eilig gehabt haben, denn der leuchtet immer noch auf dem Farbbildschirm seines Macs, wie ich sehe, als ich in meinem rastlosen Herumstreunen unseren gemeinsamen Schreibtisch umkreise.

      Etwas deutet darauf hin, daß er lieber zusehen sollte, zu Potte zu kommen, wenn der Artikel nicht veralten soll, denn auch wenn ich nicht gerade die große physische Veränderung spüre, bin ich doch mit einem Mal überzeugt davon, daß es heute sein wird. Oder zumindest kommende Nacht. Und vielleicht ist es ja auch eine Bestärkung, daß ich wie eine Schülerin, die während der unterrichtsfreien Zeit gefaulenzt hat, mit einem Mal von einer entschlossenen Betriebsamkeit ergriffen werde. Das ist jetzt die letzte Chance, wenn etwas aufgeholt werden soll.

      Zunächst lege ich meine Einkäufe auf ihren Platz in die Schubladen in der Ecke des Schlafzimmers, die Paul mit Hilfe pastellfarbener Bemalung und Teddy-Schablonen zu einer richtigen Heititei-Babyecke gemacht hat. Dann mache ich den Kinderwageneinsatz mit dem Bettzeug mit der Lochstickerei fertig, das ich von Birgitte geliehen habe. Ich rede mit dem Baby, wobei mir auffällt, daß es seit einem halben Tag schon auffallend still war. Die Ruhe vor dem Sturm vielleicht?

      Danach wasche ich in der Küche ab, fege den Boden und wische ihn auf allen vieren liegend, was anstrengend ist, aber laut Geburtsvorbereitungskurs sehr gut für das Kreuz sein soll, das angefangen hat, ab und zu zu mucksen. Schließlich trinke ich am Küchentisch eine Tasse Tee, kaue eine Alkaselzer gegen das Sodbrennen und esse in kleinen Löffelchen einen Joghurt, während ich auf den Fahrstuhl oder leise Schritte die Treppe herauf lausche, die davon künden, daß Paul auf dem Weg ist. Ich gehe auch ins Wohnzimmer, um nachzusehen, ob ich vielleicht den Telefonhörer falsch herum aufgelegt habe, und ich spule den Anrufbeantworter noch einmal zurück, um ganz sicher zu sein, daß es keinen Bandsalat gab. Aber merkwürdigerweise gibt es keine Nachricht.

      Spät am Nachmittag ist mir kalt, ich bin verschwitzt und schon müde, aber nichtsdestotrotz beginne ich mit einem gigantischen Projekt: Ich fange an, meine Umzugskartons auszupacken. Irgendwie bekomme ich den obersten heruntergehievt – das ist derjenige, in dem Kleidung in Größe 38 ist, von der ich gar nicht begreife, wie ich mich jemals dort habe hineinschrauben können. Ich lege sie in Pauls Schrank, hänge meine Blusen und Jacken zwischen seine und mache meine Slips zu Nachbarn СКАЧАТЬ