Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Therese-Trilogie

isbn: 9788726569575

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СКАЧАТЬ ich jetzt zum Backbencher degradiert?«, fragte ich während einer Audienz, bei der ich wie üblich auf dem Gästestuhl vor dem Schreibtisch saß, während er allmächtig dahinter thronte, unaufhörlich seine griechischen Glimmstengel paffend. Sie stinken nach Lungenkrebs, aber ich inhalierte den Rauch ganz nostalgisch und wurde an die Zeit erinnert, als ich eine toughe Reporterin voller Power war.

      »Das liegt jetzt bei dir«, sagte er und öffnete die Lippen zu einem tabakgelben Lächeln. »Ich habe immer Bedarf an Angreifern.« Dann griff er hinter sich und holte aus dem überquellenden Regal eine Videokassette. Es war das Band mit den Aufnahmen aus Moskau.

      »Hier. Ich habe es auf VHS überspielen lassen.«

      »Hast du es angeguckt?« fragte ich atemlos. Denn wenn es etwas gibt, was ich in diesen Monaten zu verdrängen versucht habe, dann ist es dieses Band. Wenn Sergejs Mut und mein Wagemut wirklich nichts anderes als neblige Schatten zum Ereignis hätten, das wäre kaum zu ertragen. Andererseits – wen interessiert es eigentlich, wenn wir die Geschichte wirklich im Kasten haben und damit beweisen können, daß es einen Handel mit angereichertem Uran aus Moskaus Industrieviertel zwischen einem georgischen Mafiaboß und einem arabischen Kunden gab – mit Sascha als Mittelsmann? Selbst die surrealistischen Sensationen aus dem alten Mutterland werden über Nacht zu alten Nachrichten.

      »Nein«, sagte er. »Und ebensowenig bin ich der Ansicht, daß du damit öffentliche Screenings veranstalten solltest. Aber du kannst dich ja bis zu deiner Geburt damit vergnügen. Wer weiß, vielleicht steckt da Gold drin!«

      Ich nahm das Band und bedankte mich für seine Umsicht. Dann ging ich in den kleinen Kaninchenstall von Büro, in dem Miriam saß. Und obwohl es nicht ihre Schuld war, ich mich gut mit Miriam verstehe und ihr eine schnelle Karriere wünsche, hatte ich doch einen bitteren Nachgeschmack, als ich ihr viel Glück wünschte.

      »Wenn sie die Beste nicht kriegen, müssen sie sich eben mit der Zweitbesten begnügen!« sagte sie ganz lieb und bat mich, »den Kindsvater« zu grüßen. Das versprach ich und war darüber hinaus noch so großzügig, sie zu einem Briefing zu mir nach Hause einzuladen.

      »Spasiba!« bedankte sie sich und benutzte damit das einzige russische Idiom, das sie bisher gelernt hatte. Wohingegen ich halbherzig versuchte, meine eigenen Sprachkenntnisse damit frisch zu halten, daß ich mit mir selbst Russisch rede, aber ich fürchte, es wird Rost ansetzen, wenn ich weiterhin in dieser fachlichen Vorhölle bleibe. Schon seltsam, wie schnell man an Höhe verliert.

      »Bitteschön!« sagt Birgitte und stellt Cappuccino und Rüblitorte vor mich hin.

      »Das ist ganz lieb von dir«, sage ich, »aber ich esse keinen Kuchen!«

      »Ach, scheiß auf die Kalorien!« sagt sie locker.

      »Das sind nicht nur die Kalorien!« entgegne ich und mache meine Beine breit, um besser Platz für den Bauch zu haben. Ich habe zuviel zugenommen. Vierzehn Kilo. Zwölf wären auch genug gewesen. Das ist dieser ganze Müßiggang.

      »Bekommst du Sodbrennen?« fragt sie, und ich nicke verwundert. »Weißt du eigentlich alles?«

      »Alles! Deshalb hör gut zu und halte dich dran!«

      Ich schütte Rohrzucker in den Kaffee, schlürfe den Milchschaum und sage nichts. Unsere Freundschaft ist ziemlich zerbrechlich, seit sie Jens getroffen hat, und ernsthaft gefährdet, nachdem sie Maxi bekommen hat, der jedenfalls inzwischen halbtags schwarz bei einer Tagesmutter untergebracht ist. Ich habe ziemliche Schwierigkeiten damit, daß sie sich so verändert hat. Daß sie sich zuerst von der Ehe und dann von der Mutterschaft so hat aussaugen lassen. Ich hatte eine größere Kapazität bei ihr erwartet, eine größere Fähigkeit, sie selbst zu bleiben. Ja, ihr spezielles kreatives Talent zu entfalten, das alle anderen außer ihr selbst so schätzen. Und dann ist es mir peinlich, daß sie sich rein physisch so hat gehenlassen. Nicht, daß sie gebaut ist, als könnte sie eine von Tom Wolfes krankhaften »X-rays« sein, aber warum sie üppig wie eine Revuesängerin erscheinen muß, begreife ich nicht.

      Birgitte war jedoch seit der Pubertät die engste Beziehung, die ich hatte, meine Rettungsleine zu anderen Menschen. Und auch nach Pauls Erscheinen weiß ich sehr genau, daß ich es mir nicht leisten kann, sie zu verlieren. Deshalb passe ich auf sie und uns auf und schlucke meinen sarkastischen Kommentar runter, den ich bereits auf den Lippen habe, als sie erst ihr eigenes und dann mein Stück Rüblitorte in sich hineinschaufelt. Aber Birgitte mit ihrer visuellen Begabung und ihrer Fähigkeit, mich zu durchschauen, läßt plötzlich die Kuchengabel sinken.

      »Weightwatcher!« stößt sie aus. »Hör auf, mich so anzusehen!«

      »Warst du nicht auf Diät?« weiche ich aus.

      »Doch! Und gerade deshalb bin ich ja so hungrig!« lacht sie. »Warte nur, bis du auch mit Schlankheits-Pulver und Fieberpillen anfängst. Das ist überhaupt nicht witzig!«

      »Soweit ich weiß, ist es überhaupt nicht besonders witzig, ein Kind zu kriegen!« bemerke ich säuerlich.

      »Nein, dann hast du mich eben mißverstanden!« ruft sie abwehrend aus. »Ein Kind in die Welt zu setzen, ist das Tollste, was man überhaupt tun kann. Aber danach wirst du niemals wieder dieselbe sein!«

      Ich zucke mit den Achseln. Was soll ich dazu sagen? Nein! Doch! Ich weiß nicht?

      Kurz danach huscht sie davon – sie muß Maxi bei der Tagesmutter abholen – und fragt mich, ob ich bis Nørreport mit will. Aber ich möchte lieber noch ein bißchen allein hier sitzen, noch eine Tasse Kaffee trinken und drücke fest ihre Hand zum Abschied.

      »Heute nacht ist Vollmond, dann geht es bestimmt bald los!« sagt sie. »Ruf mich an, wenn das Fruchtwasser abgeht!«

      Das verspreche ich, auch wenn es mir inzwischen unwahrscheinlich vorkommt, daß ich jemals so weit kommen werde. Das Gefühl, das ich heute habe, unterscheidet sich nicht von dem, das ich an den anderen Tagen hatte, an denen ich wirklich glaubte, daß es jetzt losgehen würde.

      Mir gelingt es, eine Mulattenkellnerin im Minirock dazu zu bewegen, mir nachzuschenken, zünde mir die eine Zigarette an, die meine heimlich festgesetzte Tagesration ausmacht, und greife in meine Kaufhausplastiktüte nach dem »Spiegel«, den ich in deren gut sortiertem Kiosk auf dem Weg hierher gekauft habe. Die Titelstory der Zeitschrift handelt vom Rohstoff- und Waffenschmuggel aus der Ex-UdSSR und bestätigt meine eigene These über alle Maßen: Mittels aufgeputzter Kaufleute der Mafia, zu denen auch mein Freund Sascha gehört, verkaufen korrupte Offiziere alles aus den alten Lagern, so daß es nur eine Frage der Zeit ist, wann jeder Mullah, jede Terroristenzelle oder jede Partisaneneinheit daheim in der Garage die eigene Atomwaffe zusammenbasteln kann. Äußerst bedrohlich, und mit jeder Zeile werde ich von neuem Feuereifer erfaßt. Denen muß Einhalt geboten werden! Jemand muß etwas tun, und deshalb muß ich die Geschichte fertigkriegen! Als ich die Zeitschrift umblättere, entdecke ich, daß der Lederjackentyp mich anstarrt. Er lächelt ungeniert und prostet mir mit seiner Tasse zu. Er sieht mit dem zurückgekämmten Haar, seinem Zopf und dem kunterbunten Bandana um den Hals aus wie ein Pirat. Ich hebe meine Tasse und erwidere den Gruß, senke aber gleich wieder meinen Blick und versuche, meine zuvor so engagierte Lektüre auf deutsch fortzusetzen: In Moskau wird eingeräumt, die Kontrolle über die Atomsprengköpfe sei während der Zeit des Machtwechsels in den GUS-Republiken für einige Monate verlorengegangen ... Aber die Worte flimmern im Bewußtsein dessen, daß der Pirat mich unverwandt anstarrt. Ich schiele über die Zeitschriftenkante zu ihm hinüber. Kenne ich ihn? Habe ich mit ihm in einer meiner wilden Phantasien gebumst? Bin ich mit ihm zur Schule gegangen? Habe ich ihn in einer Kneipe verärgert?

      Er СКАЧАТЬ