Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Therese-Trilogie

isbn: 9788726569575

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СКАЧАТЬ innerliche Form des Zusammenschmelzens, wie er zuerst zurückwich aus Angst, dem Kind zu schaden, ich ihn dann aber davon überzeugen konnte, daß das nur gesund wäre ... Worauf er grinste und sich mit einem erdigen Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte – »Wie du willst, Geliebte!« –, und dann waren wir Kuh und Stier mit dem Himmel, der wie ein blaues Viereck auf und ab wippte. So verliefen die Wochen auf dem Land – einfach, unverstellt, wie die Kartoffeln, die wir aus einem überwucherten Beet in einer Ecke des Gartens ausgruben und mit Butter, Dill und geräuchertem Hering aus dem Hafen von Gilleleje aßen. Wir wuschen einander die Haare mit kaltem Wasser, tauchten Erdbeeren in Schokolade und vermieden sorgfältig die Kopenhagener Herde in Hornbaek-Stadt, indem wir uns einfach fernhielten. Mit anderen Worten: Wir waren zum ersten Mal laut Pauls präziser Formulierung Mann & Frau, die Tag und Nacht in intimer Zweisamkeit verbrachten, was wir zuvor stets vermieden hatten, bewußt oder unbewußt. Wir furzten und rülpsten, schnarchten und sabberten, waren morgenmuffelig und mittagsschläfrig, abends geil und konnten nachts nicht schlafen, und in allererster Linie der Gesellschaft des anderen überlassen. Angenehme Gesellschaft, sollte ich hinzufügen, denn das stellten wir auch fest. Daß es uns gut zusammen ging, daß wir auf einer Wellenlänge waren, uns schieflachen konnten, uns nie die Worte fehlten, wir aber andererseits auch keine Angst vor der Stille hatten, wenn wir abends an der Küste entlanggingen und dem Geräusch der Wellen lauschten und sahen, wie die Lichter an der schwedischen Küste angezündet wurden, wenn die Nacht einen Ton dunkler wurde. Und dann eine elementare Sache, die für mich normalerweise der peinliche, kritische Punkt ist: der Körper. Mein heimlicher Ekel vor dem Körper des Geliebten. Schlaffe Pobacken, eine hängende Schulter, zu plumpe Figur oder ein unschöner Schwanz. Aber Pauls Körper liebte ich. Ihn anzusehen, an ihm zu schnüffeln, ihn zu berühren. Er ist auf eine fast feminine Art und Weise schmackhaft, perfekt proportioniert und federnd wie bei einem Jüngling. Und ihn so um mich zu haben, moschusduftend, mit nackten Zehen in den Espadrilles, war genau eines dieser sensuellen Sommervergnügen, denen mich zu öffnen er mich lehrte. Er versuchte auch, mir ein zusammenhängendes Grundwissen über die französischen Philosophen beizubringen, während ich tastend die Tiefen der russischen Volksseele beschrieb. Und während Paul mir Victor Hugos »Die Elenden« auslieh – starkes Buch! –, lieh ich ihm Tschechows Briefe und machte ihn ein wenig eifersüchtig mit meiner Äußerung, daß ich für ihn, Tschechow, immer schon eine Schwäche gehabt hätte. Anton war sanft und fern zugleich, und außerdem fühlte er die Rastlosigkeit und das Zögern, sich an seine geliebte Olga zu binden, das auch ich in diesen Tagen gesättigter Leibesfülle als Unruhe im Blut wiedererkannte, ein plötzliches Kitzeln unter den Fußsohlen, ein Ausspähen nach etwas anderem. Aber Tschechow war nie schwanger, er hatte nie dieses Kind gehabt, das ihn wie ein Sandsack zur Erde ziehen konnte. Und auch nicht diese Erwartung von etwas Großem, das seinem Leben endlich eine Richtung geben konnte.

      Denn das Kind war natürlich der Himmelskörper, um den wir uns die ganze Zeit drehten. Unser Lieblingsthema, auf das wir immer wieder zurückkamen. Dort in diesem übersichtlichen Idyll, das Paul als medienfreie Zone bestimmte, erschien es so einfach und selbstverständlich, sich zu reproduzieren. No problem! Wir hatten Ferien, der Preis für Windeln und der Mangel an Krippenplätzen segelten wie Schäfchenwolken an dem ewig blauen Himmel an uns vorbei. Und meine Angst, mich selbst zu verlieren, meine Verteidigung der heiligen Integrität und mein professionelles Über-Ich kamen mir ehrlich gesagt ein wenig übertrieben vor. Warum alles so komplizieren? Paul war ja auch da, ich würde nie im Stich gelassen werden. Ganz im Gegenteil, versicherte er mir. Jeden Tag. Mehrmals am Tag. Zum Schluß fühlte ich mich so apathisch oder wie nach einer Gehirnwäsche, daß ich mein Mißtrauen gegenüber seinem wirklichen commitment zusammen mit den Wolkenformationen wegwehen ließ. Auf den Sand hinaus, wo sich der Zweifel auflöste und zu Luft wurde.

      »Es ist ja nun ganz klar, daß das hier nicht das wirkliche Leben ist«, sinnierte ich eines Mittags, während die Hummeln in den Heckenrosen summten und Paul eine Wassermelone zerteilte.

      »Wer sagt das?« bemerkte er und legte vier Stücke rotgrüne Melone auf einen angeschlagenen Tonteller. »Du bist jedenfalls nie zuvor so wirklich für mich gewesen, Tes! So nahe, so fruchtbar, liebenswert ohne Abstand ...«

      »Oh, wie lyrisch!« richtete ich mich auf, immer empfänglich für jeden Anflug manierierter Gefühlsduselei.

      Er reichte mir den Teller.

      »Tes, hast du jemals überlegt, wieviel Lärm um uns herum ist? In der Stadt, jeden Tag? Bevor wir hierhergekommen sind, waren wir nie zusammen einfach nur still! In all dem Lärm habe ich dich faktisch gar nicht hören können! Wenn wir nicht hierhergekommen wären, hätten wir nie die Ruhe gehabt, uns kennenzulernen! Ich habe dich gespürt, aber es könnte doch sein, daß ich mich geirrt habe ...«

      »You win some, you lose some!« lächelte ich.

      Paul biß in die Melone, daß der Saft ihm das Kinn herunterrann. Dann bestand er ernsthaft darauf, sich vor mir in die Hocke zu setzen.

      »Du warst ganz genau so schön, wie ich es mir erträumt hatte: Ich liebe dich. Laß uns hierbleiben!«

      »Hierbleiben?« fragte ich und gab ihm seine kleinen, bekräftigenden Küsse zurück.

      »Hier in diesem Leben. Laß uns aussteigen, bevor es richtig angefangen hat, laß uns einfach und gut leben, das Kind aufziehen, ordentliche Kartoffeln anpflanzen, hier und da ein bißchen schreiben ...«

      »Nullwachstumsromantiker!« spottete ich, die selbst einmal davon geträumt hatte, spartanisch in einem südamerikanischen Landwirtschaftskollektiv zu leben. »Wir werden unruhig werden, im Winter einschneien und einander auf die Nerven gehen! Das Kleine wird Bronchitis kriegen und wir in Thermoklamotten herumrennen und meckern, warum kein Geld für Heizöl da ist.«

      »Ich bin kein Romantiker, ich bin Realist. Das läßt sich problemlos machen. Wir verkaufen die Wohnung. Du wirst Freelancer, und ich werde Schriftsteller. Wenn du willst ...«

      »Das will ich vielleicht in dreißig Jahren! Ich habe keine Lust, mich pensionieren zu lassen, Paul!« sagte ich ärgerlich über das Idyll, das von dieser trivialen Unterhaltung zerstört wurde, die doch im Endeffekt von dem ewig zwischen uns gärenden Konflikt handelte: meinem Verhältnis zu meiner Arbeit.

      »Ich finde es schön auf dem Land, aber ich freue mich auch, wieder zurück in die Stadt zu kommen! Denn ganz gleich, was du hoffst oder glaubst, werde ich nie diejenige werden, der es reicht, Rhabarber einzukochen!«

      »Okay, du hast recht. Wir gehen zurück und leben unser Surrogatleben in der Metropole. Meine geliebte, geliebte Tes! Aber sage nie, daß es meine Schuld ist!«

      Das versprach ich.

      »Ich werde schon die Verantwortung für meine Handlungen übernehmen. Und zwar zu jeder Zeit!«

      Kurz darauf gingen wir zu einer Telefonzelle und riefen daheim an, um Pauls Anrufbeantworter abzuhören. Auf ihm war ein Anruf von einer Sekretärin von TV 2. Betreffend die Bewerbung, die er vor ein paar Monaten eingesandt hatte. Am nächsten Tag rief er zurück und wurde gebeten, am gleichen Nachmittag zu einem Gespräch nach Kopenhagen zu kommen. Am Abend hatte er das Angebot bekommen, zu Weihnachten als Allroundreporter bei der Kopenhagen-Redaktion eingestellt zu werden.

      »Erster Dezember wahrscheinlich. Also haben wir nur ein paar Monate zusammen mit dem Baby«, überlegte Paul, als er aus der Stadt zurückgekommen war und wir mit Weißwein an unserem Lieblingsplatz im Garten anstießen. Es war schwül, der süße Duft von Kamille und herbstreifem Getreide hing schwer in meinen angeschwollenen Nasenlöchern.

      »Wir können das Geld gut gebrauchen«, sagte ich vernünftig. »Und wenn du als Freier einen anständigen Monatslohn nach Hause bringen willst, wird es sowieso verdammt hart!«

      Paul СКАЧАТЬ