Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben - Hanne-Vibeke Holst страница 11

Название: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Therese-Trilogie

isbn: 9788726569575

isbn:

СКАЧАТЬ würden erst jetzt die Kampfressourcen, die ich immer noch mobilisieren kann, freigegeben.

      »Ja!« tönt es triumphierend vom Fußende. »Jetzt kommt der Kopf! Der Schädel ist fast draußen! Versuche, es so zu halten! Nicht zu schnell!«

      Paul fängt mit Hundewelpengehechel an, und ich folge ihm, um dann aber trotzdem ein frustriertes »O nein!« zu hören.

      Der Kopf ist wieder hineingerutscht, und so geht es die ganze nächste Stunde weiter. Raus und wieder rein. Ich kämpfe buchstäblich so verbissen, daß meine Kiefer festgeschraubt sind und mein Schädel kurz vorm Zerbersten ist. Ich lasse mich fügsam auf alle viere umdrehen, um mehr Hilfe von der Schwerkraft zu bekommen, ich versuche meine Energie vom Kopf in den Unterleib umzulenken, und als auch Randis Beschwörungen nicht helfen, nehme ich ohne Widerstand einen wehenstimulierenden Tropf. Meine eigenen Wehen sind dabei, auszuebben, ich bin völlig ausgepowert, und Pauls unbewußte Art, meine Hand zu pressen, als Randi mich wieder abhorcht und dann die Schwester bittet, die Ärztin zu holen, läßt mein Blut zu Eis erstarren.

      Die Gynäkologin, ein Mannweib, das sich nicht damit aufhält, mich oder Paul zu begrüßen, wird kurz informiert, hört ein paar Sekunden zu und erklärt dann, daß das Kind SOFORT raus muß!

      »Wann haben Sie das letzte Mal was gegessen?« werde ich schroff gefragt, und auch wenn es mir vorkommt, als wenn das in prähistorischen Zeiten gewesen sein muß, kann ich matt murmeln, daß das wohl gestern so gegen drei gewesen sein muß.

      »Gut! Wir machen alles fertig zum Kaiserschnitt!«

      Das Wort läßt alles vor mir im Nebel verschwinden, und Paul dreht sich weg wie jemand, der eine Backpfeife bekommen hat. Er ist kurz vorm Heulen.

      »Können wir es nicht zunächst mit der Saugglocke versuchen?« schlägt Randi vor.

      »Bei den Herztönen? Dazu haben wir keine Zeit!« erwidert die Ärztin, schon mit dem Rücken zu ihr. »Warum sind keine Elektroden angelegt?«

      »So schlecht sind die ja nun auch nicht!« protestiert Randi. Sie wollen sich gerade heftig streiten, als Paul plötzlich dazwischenfährt.

      »Nun tut doch etwas!« ruft er mit einem Anflug von Panik, der die Leute aufhören läßt.

      Randi bekommt ein CTG in die Hand, und trägt ein wenig kalte Creme auf meine Bauchdecke auf und fährt mit dem CTG herum. Alle stehen wie erstarrt da, während wir auf die Herztöne warten. Schließlich hören wir sie als schwaches, allzu schwaches Signal aus dem Weltraum. Randi leckt sich angestrengt die Lippen und gibt der Ärztin kleinlaut recht.

      »Wir müssen uns beeilen!«

      Paul reagiert hysterisch, indem er sich prompt ins Waschbecken übergibt, während ich gegenteilig reagiere: Meine Seele verläßt den Körper, der sich aufs Sterben vorbereitet, während das Zimmer sich mit mich nicht interessierenden Menschen füllt, die alle zu mir kommen und sich vorstellen. Guten Tag, ich heiße Soundso und Soundso, ich bin der Narkosearzt, Kinderarzt, die Krankenschwester ... Ich winke sie irritiert weg. Meinetwegen könnte die gesamte medizinische Fakultät mit dem Professor an der Spitze aufmarschieren und mein entblößtes, fruchtwasserklammes Geschlecht betrachten, während mir mit einem Katheder die Blase entleert wird, ich rasiert und mit einem sterilen Tuch gewaschen werde. Und ich lasse sie auch passiv meinen Körper anonymisieren, als sie mir meine Swatch und den Art-Nouveau-Ring abnehmen, den Paul mir einmal bei einem Trödler in der Ryesgade gekauft hat. Sie können mit mir machen, was sie wollen, wenn sie mich nur verflucht noch mal von den Schmerzen befreien und ich endlich meine Ruhe habe! Und wenn sie ewig währen sollte.

      Paul sieht aus, als gäbe er mir den Todeskuß, als er mit Augen, schwarz wie japanische Tusche, seine Lippen auf meine preßt und ein belegtes tschüs flüstert, bevor ich im Laufschritt in den Operationsraum gefahren werde, wo man mich mit einem maskierten Team unter grellen Lampen allein läßt. Trotz der pädagogischen, beruhigenden Worte der Ärztin, erinnert mich die ganze Inszenierung an die Alptraumvision, die ich in der Nacht hatte, bevor mein Kind als geplante, eingeleitete Fehlgeburt enden sollte. Es war der Anblick der scharfen Messer und des glitzernden Metalls, der mich zurückhielt, und ich muß fast über die Ironie des Schicksals lächeln – jetzt haben sie mich doch gekriegt –, als mir ein Schlauch in den Hals geschoben wird.

      »Wir leeren nur den Mageninhalt«, sagt die Krankenschwester und lobt mich aufmunternd, als ich ihr alles in der Schale darbiete.

      Ihr Gerede ist wie Supermarktmusik, auf der ich dahinschwebe. »Prima! Und jetzt bekommen Sie noch so ein hübsches grünes Hemd an. Ja, und nun noch Riemen um Arme und Beine, damit Sie nicht herunterfallen! Dann sind wir soweit! Jetzt bekommen Sie die Maske, und dann drehen wir die Tropfen auf, und in zwei Minuten ist Ihr Kind draußen! Schlafen Sie gut, Therese!«

      Erst läßt die Angst mich dagegen ankämpfen, und meine letzte Erinnerung, bevor ich in der Narkose untertauche, ist die Geschichte von meiner Urgroßmutter aus der Familienchronik, die im Wochenbett bei einer Zwillingsgeburt starb. Das eine Kind wurde gerettet, das andere, ein Junge, mußte Stück für Stück herausgeschnitten werden.

      »Lebe!« rufe ich meinem Astronauten von der letzten Scholle des Bewußtseins zu. Dann bin ich weg.

      Ich werde von einem scharfen Raubtiergeruch geweckt, der mich verwundert und unter Mühen die Augen öffnen läßt. Ich weiß, daß etwas Schreckliches geschehen ist, als ich das weiße Krankenhauszimmer sehe, in das durch den Spalt zwischen den vorgezogenen Gardinen Tageslicht eindringt, aber erst, als ich Paul erblicke, mit Bartstoppeln und roten Augen auf einem Stuhl neben dem Bett, dämmert es mir. Es ist etwas mit dem Kind, mit unserem Kind.

      »Tes!« stößt er spröde hervor. »Bist du wach?«

      »Wie spät ist es?« frage ich, um die Katastrophe hinauszuzögern.

      »Viertel vor zehn«, sagt er, legt seine Hand auf meine Wange und schaut gleichzeitig schräg über die rechte Schulter, als sich eine weißgekleidete Gestalt nähert.

      »Guten Morgen«, sagt die Weißgekleidete und beugt sich zu mir herab. »Sind Sie wach?« wiederholt sie.

      »Ja«, nicke ich. »Kann ich ein wenig Wasser haben?« frage ich demütig.

      »Wenn Sie mir sagen, wie Sie heißen, wann Sie geboren sind und wo Sie wohnen!« erwidert sie mit einem Blick in ihr Journal. Ich befeuchte meine Lippen und antworte.

      »Die Adresse stimmt wohl nicht?«

      »Das ist ihre alte Adresse. Sie ist gerade erst umgezogen«, kommt Paul mir zu Hilfe.

      Die Krankenschwester nickt, gibt mir ein Schlückchen Wasser zu trinken und fragt noch einmal, ob ich wach sei.

      Ich möchte sie gern abfertigen, aber meine Augen fallen wieder zu, und ich lasse mich feige wieder in den Schlaf sinken. Ich bin noch nicht fähig, irgendwelche Konfrontationen durchzustehen. Als ich zum zweiten Mal aufwache, ist der Stuhl neben dem Bett leer. Dafür entdecke ich, daß ich mich mit drei anderen Aufwachenden in einem Vierbettzimmer unter der Aufsicht der weißgekleideten Wache von vorhin befinde. Sie löst Kreuzworträtsel, bekommt aber sofort mit, daß ich aufgewacht bin.

      »Hallo«, sagt sie, lächelt fröhlich und tätschelt mir die Hand. »Haben Sie noch ein Extranickerchen gemacht?«

      Ich nicke und denke, daß es doch reichlich unpassend ist, so mit einer Frau zu reden, die gerade ihr Kind verloren hat. Aber vielleicht weiß sie es ja nicht.

      »Wo СКАЧАТЬ