Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Therese-Trilogie

isbn: 9788726569575

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »Vorsicht!« sagt sie und schiebt das Kopfteil in senkrechte Position hoch. »Trinken Sie ein bißchen Wasser! Ihr Freund ist im Babyzimmer bei dem Baby ...«

      »Bei dem Baby. Heißt das, daß...?«

      Die Sitzwache lacht.

      »Hat er Ihnen das nicht erzählen können? Aber er scheint auch ein wenig aus dem Häuschen zu sein. Jedenfalls: Sie sind Mutter eines gesunden, wohlgeformten Kindes!«

      »Junge oder Mädchen?« frage ich atemlos.

      »Wissen Sie was, ich finde, das soll er Ihnen sagen dürfen! Soll ich nach ihm klingeln, oder möchten Sie lieber selbst ins Babyzimmer hinaufgefahren werden?«

      Ich will hinauf. Fort aus dem Intensivstationsgeruch nach Drama und Risiko, fort von meiner eigenen Untergangsstimmung und hin zu den normalen, glücklichen Abschlüssen. Hinauf zu meinem Kind. Und nachdem ich eine schmerzstillende Spritze in den Schenkel bekommen habe, werde ich freigegeben. Wieder in die gleichen Fahrstühle, die gleichen Flure entlang werde ich von einem leise stotternden Krankenträger verfrachtet, der glücklicherweise auf Autopilot umgeschaltet hat und mich fast wortlos in ein Zweibettzimmer fährt.

      Dort sitzt Paul auf einem freien Bett, im Schneidersitz, mit einem Bündel in den Armen.

      »Tes!« ruft er aus, als er mich sieht. »Ich habe doch gesagt, sie sollen anrufen!«

      Ich hebe eine schlaff abwehrende Hand, während mein Blick magisch von dem Bündel angezogen wird. Ein kleiner Schädel voller Flaum schaut hervor. Dunkel.

      »Tes«, sagt er feierlich und schiebt die Decke zur Seite, damit ich das winzige Kind sehen kann. »Wir haben eine Tochter bekommen. Guck nur!«

      Und ich gucke, daß es mir in den Ohren saust und schwarz vor Augen wird, aber ich kann es nicht fassen. Ich kann das Wunder nicht fassen, mich nicht aus dem watteartigen Gefühl der Unwirklichkeit befreien, in dem ich mich seit Beginn der Geburt befunden habe. Das ist einfach zu gewaltig.

      »Ist sie nicht hübsch?« flüstert Paul und läßt sich vorsichtig mit dem Kind in den Armen aufs Bett sinken, kommt dann ganz dicht zu mir heran, damit ich es aus der Nähe betrachten kann. Ich blinzle erschrocken. Sie ist wach. Ihre dunkelblauen Augen sind weit aufgerissen, neugierig und observierend. Ihr Blick ist direkt auf Pauls Gesicht gerichtet, als hätte sie bereits einen festen Haltepunkt im Dasein gefunden. Außerdem kann ich feststellen, daß sie ihm ähnlich sieht. Die gleichen muschelförmigen Augen, der gleiche geschwungene Mund, die gleiche Kopfform. Die gleichen Farben.

      »Doch, sie ist hübsch«, sage ich. »Sie ähnelt ihrem Vater!«

      »Wirklich?« lächelt er stolz. »Na, vielleicht ein bißchen. Aber guck nur mal ihre Beine an! Lange, schöne Schenkel wie du!«

      Ich betrachte sie weiter. Sie hat eine Stoffwindel um, sonst ist sie nackt. Immer noch voller Blutflecken und Käseschmiere, der abgeschnittene Bauchnabel wie eine abstehende, verschorfte Wunde über dem Windelrand.

      Paul sieht mich abwartend an. Er erwartet eine Reaktion, einen Gefühlsausbruch, vielleicht sogar Weinen. Das ist es, soll ich weinen vor Freude.

      »Ist das nicht phantastisch?« lockt er und bekommt selbst feuchte Augen.

      »Doch«, sage ich müde. »Es ist nur so ... ich weiß nicht ... so überwältigend ...«

      Vielleicht ist es das Geräusch meiner Stimme, das sie erschreckt. Denn plötzlich huscht ein unruhige Zug über ihr kleines, angeschwollenes Gesicht, die Mundwinkel ziehen sich nach unten und aus ihrem halb geöffneten Mund kommt eine Art piepsendes Knirschen.

      »E. T. phone home? E. T. phone home?« fragt Paul und beugt sich zärtlich über das Wesen, an das ich mich jetzt als Astronauten aus dem Weltraum erinnere, Gagarin. »Fällt dir plötzlich deine Mutter ein? Ja, wo ist die denn nur gewesen? Aber jetzt sollst du zu ihr kommen!«

      Ohne Vorwarnung schlägt er meine Decke zur Seite und legt das meckernde Kind zu mir, während ich voller Panik protestiere.

      »Paul, ich bin so müde! Und ich habe Schmerzen! Ich will lieber noch warten!«

      »Tes, sie braucht dich! Du bist die einzige, die sie kennt!« sagt er und legt sie zurecht, so daß ihr Kopf zwischen meinen Brüsten ruht.

      Ich umfasse sie mit steifen Armen, habe das Gefühl, meine Steifheit stecke sie an, so daß ihr Meckern in lautes Weinen umschlägt, und das weckt etwas in mir Schlummerndes, so daß ich mich selbst ihr beruhigend etwas zuflüstern höre, während ich eine beschützende Hand auf ihre weiße Schädeldecke lege. Vielleicht erkennt sie auch den Rhythmus meines Herzschlags wieder, denn ihr Weinen wird leiser, während wir Haut an Haut liegen und versuchen, einander in eine andere Dimension zu übersetzen. Die Krümmung ihres Rückens, der Po, die Knie, die Ellbogen – so bekannt und dennoch anders. Konkret.

      »Wie groß ist sie eigentlich?« frage ich und schnüffle wie betäubt an ihr. Das ist sie, die scharf nach Raubtier riecht. Sie, die diesen Urgeruch aus der Grotte mit sich bringt. Ich selbst rieche auch. Nach Schweiß, Blut, Scheiße, Urin, Erbrochenem und durchsickerndem Fruchtwasser. Den vergangenen halben Tag habe ich alle erdenklichen menschlichen Sekrete abgesondert.

      »Groß!« sagt Paul. »3980 Gramm und 54 Zentimeter lang. Unter anderem deshalb konnte sie nicht rauskommen. Sie war zu groß, und du warst zu eng!«

      Ich begnüge mich mit einem gemessenen Nicken. Absolut nicht in der Lage, eine nähere Analyse des Geschehens vorzunehmen.

      »Es war schrecklich, nicht wahr?« fragt er dann und nimmt meine Hand. Ich wende den Kopf von ihm ab, drücke meine Tochter näher an mich. Versuche, ihm zu vergeben. Er kann nichts dafür, daß er nichts versteht. Aber er hätte ebensogut die Überlebende einer Notlandung fragen können, ob sie eine gute Reise gehabt hat.

      »Wir werden schon drüber hinwegkommen«, antworte ich freundlich.

      »Du«, sagt er. »Ich habe noch nie in meinem Leben solche Angst gehabt. Als sie dich weggefahren haben, habe ich geglaubt, ich würde euch alle beide verlieren! Dich und sie! Noch nie habe ich mich so machtlos, so klein gefühlt!«

      »Der Mensch vor Gott!« murmle ich sarkastisch und wünschte, er würde mir weitere Ergüsse dieser Art ersparen. Er irritiert mich, stört mich, verlangt zuviel.

      Aber ich bin dennoch froh, daß er da ist, als das Kind plötzlich suchend von einer Seite zur anderen schaukelt.

      »Was macht sie jetzt?« frage ich Paul, dessen Brutpflegeinstinkt – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis – seit der Zeugung voll entfaltet ist. Er schürzt hingerissen die Lippen.

      »Sie will saugen! Sie sucht nach der Brust!«

      »Aber ich habe doch noch gar keine Milch!«

      »Aber Vormilch, Honey! Kolostrum!« erklärt er mit rollenden Augen und hilft mir, mich halb hinzusetzen, so daß ich sie umständlich zurechtlegen kann, während mir der Abschnitt über »die ersten Stunden nach der Geburt« in dem Handbuch einfallen, das ich nur locker durchgeblättert habe. Immer noch mit dem Kopf hin und her drehend, schiebt sie sich an die Warze heran, und mit der Sicherheit eines Blinden umschließen ihre rosa Lippen die Areola.

      »Treffer!« lacht Paul, als sie sich festsaugt und anfängt zu ziehen. Ich muß auch lachen, erinnere mich СКАЧАТЬ