Jockele und seine Frau. Max Geißler
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Название: Jockele und seine Frau

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467749

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СКАЧАТЬ Und die Nacht war spät; es hauchte schon der Tag an die Zinnen des Gletschers.

      Henrik legte seinen Arm in den ihren und zog sie ganz fest an sich. So schritten sie nach der Spitze des Eilands, die am weitesten von den Häusern entfernt lag. Es stand dort eine Bank ins Strandrohr geschmiegt, und grosse moosige Felsblöcke lagen darum her.

      „Wusstest du, dass ich dich rufen würde?“ fragte er froh.

      „Ich dachte es,“ sagte sie; „denn ich weiss: in Nächten, wie in dieser, nehmen Sie sich nicht erst die Zeit zum Schlafen. Warum sagen Sie übrigens „du“ zu mir?“

      „Ich habe das beschlossen,“ sagte er.

      In der Nähe der Bank fing sein Schritt auf einmal an zu zögern. Aber sie hüllte sich fester in das graue Schultertuch und sagte: „Kommen Sie nur. Es muss doch einmal klar werden zwischen uns — für die nächste Zeit“

      Da hob er sie zärtlich über das Wässerlein, das einen Schuh breit quer vor der Bank lag. Dann krochen sie zwischen die hohen Halme wie Rohrhühner.

      „Es war fein heute,“ begann Gwendolin. „Sie waren wieder einmal einfach vollkommen; denn Sie waren nie unmässig, wie das Ihre Art ist: unmässig gross, unmässig durstig, unmässig grob und unmüssig sentimental. Deshalb bin ich jetzt auch gekommen.“

      Er warf seine Arme um sie, dass sie hörte, wie ihr die Gelenke knackten. „Es ist dir doch nicht ernst gewesen mit dem, was du heut abend zu Rolf Krake gesagt hast?“

      „Ich schwöre es Ihnen,“ sagte sie. „Und wenn Sie mich jetzt küssen, dann lauf’ ich nicht etwa weg — oh nein! Aber das sag’ ich Ihnen: Sie machen mich damit nur hässlich und aufgewiegelt. Ich habe gelernt, viel zu fest auf mir selber zu stehen, lieber Henrik Tofte, und mit einem Aufgebot Ihrer Kraft erobern Sie die Festung nicht.“

      Gwendolin wusste genau, wie sie der Gefahr zu begegnen hatte, die sie in diesem Mann umlauerte. Ihr heisses jähes Herz hatte ihr in der anderen Zeit schon manchen Streich gespielt.

      „Erkennst du denn nicht, dass du der einzige Mensch bist, der mich in Ketten legt?“ fragte er.

      „Sieben Tage, mein Freund!“ lachte sie. „Oder siebenmal sieben Tage. Aber es müssten siebenmal sieben Jahre sein.“

      „Das ist lange,“ seufzte er.

      „Billiger bin ich nicht zu haben,“ sagte sie.

      „Und wenn ich dir einen Vertrag unterschreibe mit meinem Blut auf siebenmal sieben Jahre?“

      „Wie dem Herrn der Hölle, dem Sie verfallen sind,“ lachte sie.

      „Nun?“

      „Dann glaub’ ich Ihnen doch nicht, Henrik Tofte; denn ich glaube nur an mich und an meine Liebe. Und diese Liebe hat zu Ihnen nicht die Kraft des Vertrauens für einen Vertrag auf Lebenszeit.“

      „Und das ist dein letztes Wort, du liebste Gwendolin?“

      „Nein,“ sagte sie. „So dienen Sie um Rahel! Meinetwegen sieben Jahre. Es kann auch kürzer sein. Es braucht nur bis zu dem Tage zu sein, an dem wir beide wissen: wir können zu einer Zweieinigkeit gelangen wie Jockele und Do. Ich habe viel Leidenschaft und Liebe erfahren in meinem Leben, Henrik Tofte — aber ich danke mir auf den Knien, dass ich daran nicht zur Närrin geworden bin wie Tausende. Oh, wir Mädchen tragen unser Herz in den Händen, und wenn ein Mann Blumen darüber wirft, bilden wir uns gleich ein, sie blühen ewig. Sehen Sie Do und Jockele an, mein Freund! Die haben sich errungen durch Jahre. Diese herrliche Do hat ihren Mann dem Leben abgekämpft in einem verschwiegenen Kampfe. Und er ahnte es nicht; sie selbst nicht — niemand ahnte es. So selbstlos war der Kampf; und doch war er nicht minder schwer. Darum: reden Sie von diesen beiden nicht als von Hätschelkindern des Schicksals! Es gibt unter den Menschen keine, die sich ihr Glück köstlicher erzwungen haben als sie.“ Jawohl, das Wort vom Schicksal hatte sich ihm schon auf die Lippen gedrängt. Da scheuchte es Gwendolin fort. „Gute Nacht, Henrik Tofte! Vielleicht gelangen auch wir über den Sonnensteg in das schöne ferne Land. Gute Nacht!“

      Die Gletscherspitzen leuchteten nun in einem wundervollen Rot. Und auch die Worte Gwendolins waren voll von Verheissung gewesen für einen neuen Tag. Sie waren gewesen wie nie zuvor. Dennoch sah Henrik Tofte aus, als schrumpften seine mächtigen Glieder vor der Helligkeit ihrer Rede zusammen.

      So hockte er im Schilfrohr und war ohne Hoffnung. Gwendolin hatte fust das Werk für den neuen Herkules ausgesucht, das er unmöglich bewältigen konnte. Sie hatte seinen Gott, das Schicksal, gelästert und vom Sockel geworfen; sie hatte allen fröhlichen Glauben in ihm vernichtet; sie hatte seinen herrlichen Freibrief fürs Leben in tausend Stücke gerissen und in das Röhricht verstreut. „So dienen Sie um Rahel!“

      Es brach ein Lachen gewaltigen Schmerzes aus seiner Brust. Dann hob er den gestürzten Gott wieder an seine Stelle. — O diese Narren! Warum mochten sie nicht an das einige Schicksal glauben, das die Welt regiert? War es denn nicht Schicksal, dass die drei Menschen, die Henrik Tofte am meisten liebte von allen, ihm den Weg zum Glück verwehrten? Gleich am ersten Mittag, an dem sie den Fjord entlang gerudert waren, waren seine Augen finster geworden über dem Blick in die Sonne Dos und Jockeles. „Nun,“ tröstete er sich damals, „sie sind Hochzeiter!“ Aber seither war alles Flittergold von ihrer Ehe abgefallen, und ein schönes klares Leuchten war geblieben, das sah aus, als wär’ es für Zeit und Ewigkeit. Vor diese beiden Menschen führte ihn Gwendolin und sagte: „Sieh hin — getraust du dir das auch? Was wäre es, wenn wir einen Bund schlössen, und er könnte nicht sein wie dieser? Was wäre es, wenn wir zueinanderliefen in einem kindsköpfigen Rausche, wie zwei aus der Herde? Und flickten an unserer Gemeinsamkeit herum, stächen die Löcher mühselig zusammen und schafften damit doch nichts weiter, als dass das Ding ganz morsch würde? Und zuletzt liessen wir’s gehen und kümmerten uns nicht mehr um die getrennten Nähte, weil sie ja doch nicht halten! Henrik Tofte, was wäre das?“

      Jawohl, es war eine ungeheuer freventliche Weltanschauung, die die Gwendolin da zum besten gegeben hatte! Bildete sie sich denn nicht ein, sie wäre der liebe Gott selber und könnte sich mit ihrer eigenen Kunstfertigkeit das Leben zimmern?

      Darüber nahm er Stück für Stück der umherliegenden Fetzen auf und passte sie mit Sorgfalt aneinander. So baute er den richtigen Henrik Tofte wieder zusammen. Zwar, die Risse konnte er nicht ungesehen machen. Aber er war froh, dass es ihm leidlich gelungen war, und kroch aus dem Rohre; denn er hörte das Fischerboot mit den Kindern inselwärts plätschern, die die Kränze und Ranken brachten.

      Als die Fahrzeuge bunt und fröhlich geschmückt waren, trat er in den Saal, wo ihn die Sturmschwalben mit Jubel empfingen. Da jubelte er sich zwischen sie hin. Aber er dachte, seit dieser Nacht wäre er hier nicht mehr daheim. Es war ein wunderlicher Zustand. So, als wäre er nun von dem Schicksal an eine Wegscheide gesetzt.

      Indessen bereiteten sich die anderen schon zur Fahrt. Gwendolin und Do blühten wie der junge Tag: Hanna von Fellner hatte geschrieben, sie wäre auf dem Wege nach dem Hardanger Fjord und hätte sich Do und ihrem Mann in Sehnsucht schon dreimal an die Herzen gestürzt; nachmittags käme sie mit dem Dampfer fjordaufwärts, und sie erwarte, dass an der Haltestelle alle Flaggen gehisst wären.

      Deshalb war die Insel in so funkelndem Betriebe. Sogar Rolf Krake, der zu noch seltsameren Göttern betete als Gwendolin, schnalzte schon drunten auf dem Ufersande herum.

      Daher kam es, dass Henrik Tofte bald allein am runden Tische sass und merkwürdige Gedanken in den Morgenkaffee hineinrührte. Es war ihm ums Herz, als geschähe alles zum letzten Male, СКАЧАТЬ