Название: Jockele und seine Frau
Автор: Max Geißler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711467749
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„Er will dich durch dies Mittel reuig und gefüge machen,“ sagte Hanna zu Gwendolin. „Ich denke, in ein paar Tagen geht das grosse Licht uns wieder auf.“
Über das „grosse Licht“ lachten sie. Und damit war ein Name für Henrik Tofte gefunden, der nun unter ihnen blieb, wie das freundliche und sorgende Gedenken, das sie ihm bewahrten.
Jockele war tief betrübt über den zwar nicht ruhmlosen, aber unwürdigen Abgang, den sich Tofte gesichert hatte. „Vielleicht hätte ich mich mehr um ihn kümmern sollen,“ sagte er.
„Nein,“ sagte Gwendolin, „denn dann hätte ich gegen euch beide kämpfen müssen und wäre wohl besiegt worden. Möchtest du, dass es so gekommen wäre?“
Jo zog die Achseln: „Es ist eine zu ungewöhnliche Sache gewesen mit euch. Und Do und ich, wir haben uns gesagt: wir wollen uns da nicht hineinmischen. Du hast so klare Augen, Gwendolin, und du hast ein so aufrechtes Herz — einem Menschen, der nicht aus eigener Klugheit erwägen kann, was er wagen darf, wird auch durch den Rat anderer nicht geholfen. Aber es wäre mir doch leid um das grosse Licht, wenn, er sich selbst aus den Händen fiele.“
Den tiefsten Eingriff bewirkte Toftes Flucht in das Leben der „Glasgow Boys“ James und Johnny. Auch dieser Name stammte von der erfinderischen Hanna. Doch brachte sie ihn der Kürze halber nur zur Anwendung, wenn sie von beiden sprach. Meinte sie nur James, so nannte sie ihn den „Karauschenteich“ — nach einem Wasser auf dem Fjeld, zu dem sie mit Jakobus Sinsheimer um diese Zeit manchmal auszog. Es war wegen der grünen Wasserfrösche. Der Karauschenteich war ein Tümpel wunderlich verhaltenen Lebens. Algen wuchsen drin; Moosinseln trieben auf seinem Spiegel; er wimmelte von Molchen, Fröschen und Wasserkäfern; und es standen ein paar würdige Karauschen in der Nacht seiner Gründe, die hatten sich bereits Mooshauben angeschafft. Es konnte kein Blick recht erspähen, was in diesem Auge zwischen den Bergen sein verschwiegenes Dasein pflag — genau so ging es dem forschenden Blicke Hannas vor Mister James King; da erfand sie für ihn den Namen: der Karauschenteich. Aber weder das eine noch das andere Kosewort hatte seine Ursache in einer besonderen Hochachtung Hannas vor James und Johnny. Doch — sie unterschätzte die beiden; und Jockele musste sie eines Tages belehren, dass die „Glasgow Boys“ ihre Staatsstipendien keineswegs zur Pflege ihrer Talentlosigkeit empfangen hätten. Sondern die Dinge lagen so: Henrik Tofte war im Vergleich zu ihnen allerdings ein Genie — aber das war er gegenüber jedem anderen Malmenschen auch. Und da hatte die Gelegenheit Diebe gemacht: James und Johnny waren seine Schüler, sie kopierten ihn, sie übernahmen seine Malweise, und über allem war dann der grosse Bluff zustande gekommen: aus einer weitgehenden Bequemlichkeit und Leichtherzigkeit auf beiden Seiten.
Nun sassen James und Johnny am Rande des Verderbens. Oder sie mussten sich den Ruhm, den sie im Traum errungen hatten, erwerben, um ihn zu besitzen.
Johnny hatte dazu die ernstliche Absicht. Er ging also ans Werk; aber er schleppte Lasten. Zu allem erfuhr er von dem Kunsthändler Watson, dass nach seinen Bildern eine noch grössere Nachfrage ware als nach denen von James King ... Das war eine neue unfassbare Überraschung; denn Henrik Tofte hatte für Johnny nicht etwas Ausgezeichneteres gemalt als für James. Einige Tage später stellte es sich heraus, dass dies auf die Meinung Watsons zurückzuführen war: weil Johnny ihn damals angelogen hatte, ein dänischer Kunstfreund habe seinen gesamten Bestand an Bildern ausgekauft, war Herrn Watson das Licht aufgegangen, John Williams wäre der stärkere von den beiden „Jöttern“.
So kam es, dass Johnny für die Leute auf der Insel nahezu unsichtbar ward. Es hiess, er feiere seine Auferstehung in der Romantik der Berge. Mister James dagegen hatte nach dem Vorbilde seines entschwundenen Meisters ein weit grösseres Vertrauen zu seinem guten Stern als zu seiner Arbeit und Mühe. Ganz im geheimen erwog er, ob es nicht ratsamer sei, die sonnige Hanna von Fellner und ihre Wohlhabenheit sich gewogen zu machen — trotz dem „Karauschenteich“. Diesen Traum träumte er bald aus und zog der Leuchte Gwendolins nach. Aber auch das war ein Irrlicht.
Do hatte sich über allem mit heissem Eifer in das Studium der norwegischen Sprache gestürzt. Eines Tages fand sie bei Ibsen das Gedicht von der „Sturmschwalbe“. Dabei hatte sie eine Offenbarung. Sie übersetzte es in ihrer klaren Einfühlungskraft und ihrer freien Art:
Draussen, wo sich den Klippen die Wildsee vermählt,
Wohnt die Sturmschwalbe. Ein Seemann hat mir erzählt:
Sie schneidet den Schaum der Wogen, ein geflügeltes Schiff,
Sie tritt das brandende Meer und zerschellt nicht am Riff.
Mit den Wellen sinkt sie, mit den Wellen steigt sie zur Höh’,
Mit der Stille schweigt sie, und sie schreit mit der kreischenden Bd.
Sie fliegt nicht, sie schwimmt nicht: wo Himmel und See sich mischt,
Geht ihre Fahrt, zwischen Sonne und wogendem Gischt.
Zu leicht zum Gleiten am Grund, zum Fluge zu schwer —
Sturmschwalbe, wo nahmst du den Mut zum Leben her?
Do wollte weder aus dem Gedichte noch aus der Offenbarung, die sie davor gehabt hatte, ein Geheimnis machen. Sie kannte nun die Leute alle bis auf die letzten Kammern ihrer Herzen, die sich die Sturmschwalben nannten. Rolf Krake hatte mit jenem Namen ihren stolzen Flug zu den Höhen des Lebens kennzeichnen wollen, zu denen nur seltene Menschen den Aufschwung probieren. Er war ihm eingefallen in beglückter jugendlicher Überhebung und in einer Stunde, in der er die Masse zu sich und der Erde wohl einmal nicht bei der Hand hatte. Aber nun wusste Do: Rolf Krake war auch mit der Naturgeschichte der Sturmschwalbe nicht vertraut gewesen, sonst hätte er zu erhabenem Sinnbild nicht dies Geschöpf gewählt, das, nach alter Seemannsmär, weder fliegen noch schwimmen kann, sondern in ewigem Wechsel bald das eine versucht, bald das andere, und sein Element doch niemals findet. „Sturmvögel“ hatte Rolf Krake sagen wollen; denn in dem Namen sollte das Symbol des Kampfes einer hochgemuten Jugend mit den Stürmen des Lebens aufgestellt werden.
Nun sprachen sie darüber. Es war abends an dem runden Tisch im Saal. Do dachte zwar, dass ihm das aus mangelnder Naturgeschichte passiert wäre — aber: es konnte auch aus überlegen spottender Erkenntnis gewesen sein.
„Nein,“ gestand er, „es ist eine Dummheit gewesen ... Je nun, vielleicht war es das Gescheiteste, was mir je eingefallen ist; denn wir alle — mit Ausnahme von Jakobus und Doris — sind wir nicht die leibhaftigen Sturmschwalben der Seemannsmär? Zu leicht zum Gleiten am Grund, zum Fluge zu schwer?“
Sie sassen bis gegen Mitternacht. Und weil sie sich voreinander nicht versteckten, war dies Gespräch für alle voller Erkenntnis und Gewinn.
Am anderen Tage war Jockele mit Hanna schon vor Sonnenaufgang zum Karauschenteiche hinan auf das Fjeld gewandert. Die neuesten Werke über die Froschlurche stimmten seltsamerweise darin überein, dass der grüne Wasserfrosch ein Schattentier wäre — etwa wie die Kröte. Der Doktor aber hatte beobachtet, dass gerade dieser mit der Sonne an den Teichrand stieg und mit ihr um den Saum des Wassers wanderte, immer ängstlich darauf bedacht, in der vollen Bestrahlung zu sitzen. Auch anderen Irrtümern der neuesten Forschung war er auf der Spur. Sie betrafen alle die Lebensweise der Frösche und nicht die Kenntnisse, die man sich in den zoologischen Instituten der Hochschulen aneignen kann.
Johnny und Gwendolin waren ebenfalls schon mit dem Malzeug fjordaufwärts gefahren. Do hatte eine Bergwanderung mit Rolf Krake vor. So blieb James allein daheim. Aber auch er ward von Nane Thord kaum gesehen; denn er steckte СКАЧАТЬ