Jockele und seine Frau. Max Geißler
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Название: Jockele und seine Frau

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467749

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СКАЧАТЬ der Schwelle traf er Nane Thord. Die hatte zur Feier des Tages eine blinksaubere Haube angetan. Sie wollte hinübersegeln an den Strand, einkaufen. Da bekam Toftes Herz die Dankbarkeit: er nahm Nane Thord auf den Arm wie ein dreijähriges Mägdlein und trug sie hinab in sein Boot und sagte, sie müsste mit nach Elde in den Zirkus. Als sie merkte, dass es ihm ernst damit war, trieben die Boote schon mit gefüllten Segeln vor dem Winde — bunt wie fünf Sommerblumen, die dem Himmel aus den Händen gefallen waren. Und Henrik Tofte sang ein Scheidelied. Es klang, als würde er nie mehr einen Fuss auf das Eiland setzen.

      Wo sich jener kurze Arm vom Hardanger Fjord nach Norden abzweigt, an dessen Ende die Fischerstadt Elde liegt, ist auch die Haltestelle des Dampfers. Dort machten sie ihre Boote fest, Hanna zu erwarten. Aber Henrik Tofte war ruhelos. Er reffte vor dem Eldefjord zwar das Segel; denn der Fjord ist nach Süden offen, und die Uferberge legen sich darum wie zwei Arme, die alle Sonne für ihn einfangen. Aber der Wind aus Morgen streicht an seinen Toren vorbei. Deshalb legte Tofte dort die Ruder ein und sagte: „Nane Thord will die Rundholmen besuchen, ihre Tochter, die auf Gaeslinggaard wohnt. Ich fahre also mit ihr voraus.“

      Aber als die anderen Boote zwei Stunden danach an Gaeslinggaard vorüberkamen, lief Nane Thord aus dem Hofe und machte die Windmühle: Henrik Tofte hatte sie noch nicht wieder abgeholt.

      Da stieg Nane Thord in Gwendolins Seelenverkäufer und nahm ihr die Ruder aus den Händen und forschte auf der Weiterfahrt an dem Mädchen herum, was es mit Henrik Tofte wäre.

      Die zugeflogene Hanna sass in lauter Wiedersehensfreude im Boote von Do und Jockele. Rolf Krake aber fuhr mit diesem auf gleicher Höhe und ihm so dicht zur Seite, dass Do sehen konnte: er schien wie die Sonne.

      In Elde war ein grosses Leben. Die Fischer lehnten in ihren Sonntagskleidern breit und rauchend an den Steinen. Die Blockhäuser hatten helle Augen. Und die bunten blonden Mädchen und jungen Frauen wanderten Arm in Arm am Strande und hatten alle Fenster offen. Aber Henrik Tofte, den man sonst schon von weitem über allem Volk dahinsegeln sah, war nicht da. Nur sein Boot hatten sie im Hafen gesehen.

      Im Zirkus sassen sie dann in der ersten Reihe, gleich neben den Borten des geharkten Sandes. Die Holzbänke füllten sich bis auf den letzten Platz und bis unter das Zeltdach hinan, das leis im Sonnenwinde flappte. Ein sehr kleiner Clown im weissen Linnenanzuge mit faustgrossen schwarzen Wollknöpfen liess es sich angelegen sein, die Menge schon vor Beginn der Reitkünste und Akrobatenstücke neugierig zu machen. Dabei diente ihm seine zuckerhutförmige Filzmütze als Sitzgelegenheit und Schlafgemach: so bedeutend war diese Mütze, und so gering war das Männlein.

      Aber Henrik Tofte war nicht da — es war zum Lustigwerden.

      Endlich kam er — da war es zum Weinen.

      Er trug die Drahtseiltänzerin Miss Millie auf der freien Hand herein und schwang sie auf das gespannte Seil. Er hatte das Kleid eines Hanswurstes an, genau wie der Zwerg, hatte eine weisse Riesenfilzmütze wie dieser, hatte sich das Gesicht gepudert und die Nasenspitze und jede Wange mit einem schwarzen Tupfe geziert. Mit der Mütze reichte er beinahe bis an das Zeltdach. Seine Einkleidung aber war ohne Wissen des kleinen Mitclowns vor sich gegangen. Deshalb staunte ihn keiner gewaltiger an als dieser. Er fand sich aber rasch in die Lage und stellte ihn den Zuschauern vor als seinen grossen Bruder. Weil er immerzu schwätzte, und Miss Millie doch endlich ihre Kunststücke vorführen wollte, nahm der neue Clown ihm den Zuckerhut ab, klemmte ihn hinter ein Seil unterm Dache und steckte das Männlein einstweilen in seine Hosentasche ...

      Es war überwältigend, und der Erfolg der Eröffnungsvorstellung war schon mit dieser Improvisation gerettet.

      Der Kleine, den man nun in der Tasche der Pluderhose herumkrauchen sah, drohte die Hauptnummer der Seiltänzerin in Gefahr zu bringen; denn natürlich guckte er alsbald heraus wie aus einem Fenster. Es war so hinreissend, dass Henrik Tofte eine Zeit mit ihm aus der Arena verschwinden musste, was dadurch glaubhaft gemacht wurde, dass ein Nachtwächter mit Spiess und Laterne kam und den geharkten Sand nach dem grossen Bruder des kleinen Mannes ableuchtete. Als er ihn endlich gefunden hatte, verhaftete er ihn.

      Als „letzte Nummer“ aber trat Henrik Tofte wieder auf. Und zwar als Schnellmaler. Natürlich hatte er den Kleinen immer noch im Hosensack und tat, als hätte er das ganz vergessen. Damit ihn die geschwollene Tasche nicht beim Malen störe, entledigte er sich ihres Inhalts. Er zog ganze Steine bunter Kreiden hervor, eine Tabakspfeife und zwei Beutel — in dem vollen war Tabak, in dem leeren kein Geld. Danach holte er die Rollen seines Malpapiers hervor und zuletzt den kleinen Mann, über dessen Vorhandensein er natürlich äusserst verblüfft war. Deshalb liess er ihn an seinem freien Arm herumkrabbeln wie einen Käfer.

      Danach lief der Kleine nach einem Rahmengestell. Daran hefteten sie das Zeichenpapier. Der grosse Bruder begann sein Werk. Zuerst zeichnete er Gwendolin Vogelgesang — eins, zwei, drei ... und schon war sie fertig. Jedermann sah, dass sie es war. Er überreichte ihr das Bild mit komischer Eleganz. Er zeichnete schöne Mädchen und alte Fischer, wie sie da umhersassen. Und zuletzt brachte der Kleine einen Riesenrahmen geschleppt, den stellte er vor dem Eingange der Sandbahn auf und rief: „Ha, du bist ein grosser Maler, mein Bruder — du bist ein so grosser Maler, dass ich deine Hosentasche als Schlafstelle gemietet habe! Aber du kannst nicht das grosse Meer malen.“

      „Kleinigkeit!“ sagte Henrik Tofte.

      „Das ganze Meer? Mit dem Sturme? Und mit Schiffen in Not? Und alles auf dies kleine Papier? Ha!“

      „Kleinigkeit!“ sagte Henrik Tofte und begann zu malen. Die Fläche mass zehn Geviertmeter. Er sprang um das Papier, als wäre er aus Gummi: bald kroch er in sich zusammen, bald schnellte er empor, als hätte er eine Feder aus Stahl im Leibe. Und aus seinen bunten Kreiden schuf er das Meer. Wozu der liebe Gott einen Tag gebraucht hatte — oder tausend Jahre ... Henrik Tofte machte das in sieben Minuten. Und der kleine Bruder sass auf dem Sand und heulte den Sturmwind darüber.

      „Fertig!“ schrie der Kleine.

      Henrik Tofte aber lief an die andere Seite der Arena, als wolle er sich die Sache aus der Ferne betrachten — da! Mit ungeheuerem Anlauf flog er über den Sand, mit einem Gewaltschwung sprang er mitten hinein in das gemalte Meer. Und blieb verschwunden.

      „Oh,“ sagte der Kleine — „jetzt ist er ertrunken!“

      Die Menge tobte. Aber Henrik Tofte kam nicht mehr.

      Drei Minuten später schaukelte der „Seelenverkäufer“ mit Gwendolin und Nane Thord aus dem Hafen von Elde. Die anderen suchten nach Henrik Tofte bis gegen Abend. Sie fanden ihn nicht.

      Da zogen sie mit raschen Ruderschlägen Gwendolin nach. „Was nützt es uns, wenn wir uns um ihn sorgen oder uns grämen?“ fragte sie. „Auf dies Herz kann man nun einmal keine Häuser bauen — und er selbst getraut sich das am wenigsten.“

      Hanna von Fellner wohnte nun im Turm — es war ein lustiger Name für den kleinen Aufbau, auf dessen Dache der Sommerrasen schon wieder blühte.

      „Eure Tage in diesem abwendigen Weltwinkel sind ewig bewegt wie die hohe See,“ sagte Hanna.

      „Es ist in der Tat so,“ bestätigte Do, „wir haben genau die gleiche Wahrnehmung gemacht: als wir nach unserer Ankunft kaum zwei Stunden am runden Tische gesessen hatten, war uns, wir wären durch die Erlebnisse aufgeregter Wochen gewirbelt.“

      Seit Henrik Toftes Verschwinden war fast ein Monat verstrichen. Der Wanderzirkus war längst fortgezogen.

      Einmal segelten die von der Insel nach Elde, um über den Freund etwas zu erfahren. Da hörten sie viele widersprechende Meinungen über СКАЧАТЬ