Jockele und seine Frau. Max Geißler
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Название: Jockele und seine Frau

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467749

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СКАЧАТЬ diese Gwendolin Vogelgesang den schönen Pott nicht in Scherben schlug. — Da musste etwas geschehen.

      Jockele und Do, Henrik Tofte und Gwendolin verliessen die erlebnisreiche Tafelrunde schon gegen Mittag; denn Sinsheimers wollten ein Boot kaufen. Die Lockungen des Fjords waren mit unwiderstehlicher Macht über sie gekommen. Aber sie wollten auch nicht immer abhängig bleiben von Nane Thords Fahrzeug, so oft ihnen der Sinn nach der Insel stehen würde.

      Gwendolin musste mit. Das entsprach dem Wunsche Henriks. Wenn er sie nicht in seiner Nähe wusste, geriet er aus seiner „lächerlichen Wurstigkeit“ — wie James King den Normalzustand Henriks in tiefer Bewunderung nannte. Aber wenn er gar einmal nicht wusste, wo sie war, wurde er unfähig zum Schaffen. Dann war ihm sein guter Stern vom Himmel gefallen ... Die Leute wussten das von einem Ende des Fjords bis zum anderen. Sie wussten: dieser Mann, auf den sich die Augen aller richteten, weil er daherschritt wie ein Sieger, konnte Felsen zerdrücken in seinen Händen, und er konnte vor Gwendolin beten. Aber sie hörte ihn nicht. Es war das lauterste Verhältnis, das je zwischen zwei Menschen bestand, und doch wurde zu Land und zu Wasser kaum eines ohne das andere gesehen. Keines betrat die Stube des anderen, die ihnen Nane Thord von ihrem einsamen Fischerhäuschen vermietet hatte. James und Johnny konnten dieses Platzmangels wegen nicht aus dem Eilande wohnen. Die beiden hausten drüben am Festland unter dem Dache der alten Bolette Steensgard, die auch eine Fischerswitwe war. Sinsheimers behalfen sich einstweilen im Gehöft Krokengaard mit zwei kleinen Stuben, die nach dem Fjord hinauslagen. Und Rolf Krake sinnierte in der Sägemühle. —

      Der Wind, der am Morgen die Flut gekräuselt hatte, lag irgendwo schlafen an sonnigem Hange. Deshalb mussten die Männer die Ruder gebrauchen. Es war eine feine Fahrt; denn der Schiffbauer wohnte zwei Stunden fjordabwärts. Darüber liess sich Jockele von Henrik Tofte vollends in der Behandlung solch eines Fahrzeugs einweihen. Do und Gwendolin aber sassen in der Mitte gegen die rotgepolsterte Rückenlehne — Do ganz in Weiss, Gwendolin in Gelb — und brachten den Menschen, die sie vom Ufer aus sahen, den jauchzenden Glauben bei, dass nun der Frühling in vollem Gange wäre.

      „Jockele,“ sagte Gwendolin, „es ist furchtbar nett und delikat von euch, dass ihr vor der Mitwelt nicht ewig das Schauspiel der jungen Hochzeiter aufführt.“

      „Der Mensch kann schliesslich nicht alles auf einmal tun,“ sagte Jockele. „Jetzt bin ich dabei, mir Quasen an die Hände zu rudern — siehste nich?“

      Und: „Was meinst du, Jo — ist es nicht so herrlich und tatenreich hier, dass wir bis in den Herbst bleiben müssen?“ fragte Frau Doris.

      „Ich habe allbereits den gleichen Wunsch,“ sagte Jo. „Es ist gut, dass ich meine Mikroskope eingepackt habe. Ich werde also versuchen, mein Werk über ‚die Flechten‘ dem Abschluss nahezubringen. Später — etwa im Riesengebirge — will ich es vollenden. Und zweitens werde ich eine ‚spezielle Naturgeschichte der europäischen Froschlurche‘ in Angriff nehmen. Es ist da eine Lücke in der Literatur.“

      „Die Sache mit den Fröschen ist etwas Neues,“ warf Do überrascht ein.

      „Ja. Der Gedanke dazu ist mir in diesem Boote gewachsen.“

      „Indes werde ich mich mit der speziellen Naturgeschichte der ‚Sturmschwalben‘ beschäftigen,“ sagte Do mit bedeutendem Lächeln.

      „Hm,“ scherzte Jockele, „hm — ich werde also darüber nachdenken, ob sich eine so junge Frau dem praktischen Studium dieses Objektes ohne Gefahr aussetzen darf.“

      „Nun,“ rief Gwendolin in fröhlichem Verstehen, „man könnte ja im Notfalle dies gefährliche Studium durch eine jähe Abreise unterbrechen.“

      Henrik Tofte wurde ganz still vor dem Glück, das mit ihm im Boote sass. Er dachte, es ahnte niemand, welch ungeheure Erlebnisse diese liebliche Fahrt in ihn warf.

      Aber Gwendolin wusste es doch; denn Henrik Tofte war für sie nie beredter als in seinem Schweigen. Sie sah heimlich zu ihm hinüber und erkannte: das Glück dieser klaren und aufrechten Menschen nahm sein liebes und unstetes Herz in beide Hände und hielt es tief hinein in die Sonne. Und Henrik träumte das Märchen: es würde nie mehr ein Sturm durch dies Herz laufen. Ach, es war ein wunderschöner Traum!

      „Weisst du, Jo,“ begann Do nach einer Weile, „es wäre wohl gut, wir liessen uns zu unserem Vorhaben ein gemeinsames Laboratorium von drei kleinen Zimmern auf der Insel errichten.“ Darüber zog der Doktor die Ruder ein, und Henrik Tofte trieb das Boot mit leisen Schlägen voran. „Nun, einesteils zum Arbeiten, andernteils zu unserer Bequemlichkeit; drittens als ein heimeliges Nest für ‚Sturmschwalben‘, die nach uns auf der Osterinsel hausen möchten und unser dabei freundlich gedenken können; und viertens: wir verbessern damit der eifrigen Nane Thord ihre wirtschaftliche Lage. Was meinen Sie zu diesem Plane, lieber Doktor Jockele?“ fragte Do.

      Dem langen Henrik schauerte das Glück immer tiefer in sein grundgütiges Herz. Er liess die Ruder aus den Händen gleiten und vergass zu atmen — wie Lottchen, als es den ersten Christbaum sah.

      Er dachte nicht daran, dass man ihn auf solchen weichen Regungen des Gemüts ertappen könnte. Es focht ihn überhaupt nicht an, was man ihm bei seinem eichbaummässigen Wuchs als Schwäche aufrechnete. Pah — in diesem Hünenkörper flossen so viel Sanftmut und Gewaltart, so viel Allmacht und Unmacht, so viel Genie und Hilflosigkeit ineinander — der Teufel mochte dies Wirrsal ausfitzen! Haha, der Teufel! Als ob der ein Interesse daran gehabt hätte, dies wunderliche Stück Dasein, das man Henrik Tofte nannte, anders zu machen! Just so, wie er war, war er ihm herrlich verfallen. „Auf meinen Feingehalt kannst nur du mich läutern, Gwendolin Vogelgesang!“ hatte er an einem Winterabend zu ihr gesagt, als sie miteinander bei der Feuerstelle gesessen und dem Schneesturme gelauscht hatten.

      Nun, die Gwendolin hatte schon vor vier Jahren felsensicher auf sich selber gestanden — damals, als Jung-Jockele an ihr in den purpurroten Untergang geriet und am anderen Tage der Do gelobte: „Diese Gwendolin werde ich heiraten; sie ist ein süsses und heisses Mädel ...“

      Aber im Falle Henrik Tofte fehlte ihr das Vertrauen zu ihrer Kraft.

      Jockele, der sich die Quasen unter der ungewohnten Tätigkeit nun errungen hatte, stieg nach vorn und setzte sich den Damen gegenüber. Sie besprachen den Plan. Do hatte die Sache ausgezeichnet bedacht. Der kleine Neubau sollte an die Westseite der Fischerhütte kommen, dem Krakesaal entgegengesetzt. Auf ein paar Stiegen sollte man von aussen hineingehen, aber man sollte durch Nane Thords Flur auch zum Saale gelangen können. Und es sollte alles stilecht aus Blockholz errichtet werden, und mit einem Rasendache.

      Henrik Tofte ruderte sich darüber im Grunde genommen in tiefe Zwiespältigkeit. Aber er dachte, dieser Tag wäre die Glückseligkeit selber und wäre für ihn die Schwelle zu einem neuen Leben. Ja, solch ein Mensch war er nun!

      Es fehlte auf der Leiter der Affekte, die die guten und schlimmen Mächte in ihn hineingestellt hatten, das Satansgeschenk des Neides. Dafür war bei den Übermassen seiner sonstigen Gaben offenbar kein Platz mehr gewesen. Und nicht vergeblich hatte für ihn das Doppelgestirn Do und Jo lange Winternächte hindurch im Haus auf der Insel geschienen — das hatte die berechnende Sorge Gwendolins getan. Nun fand er in diesen beiden alles, was ihm zu wünschen blieb.

      Er fing das Wünschen auf dieser Bootfahrt überhaupt zum erstenmal an. Denn was er bis zur Stunde an anderen Menschen wahrgenommen, das besass er selber in Hülle und Fülle. Sogar Geld, so viel er wollte. Früher hatte er sich auch darum den Teufel gekümmert. Aber seit ihm das Schicksal James und Johnny gesandt — eine Berliner Sturmschwalbe hatte sie in scharfem Spotte „die beiden Jötter“ genannt — seitdem hatte er auch davon mehr, als nötig war. Er brauchte nur den Pinsel in sein Genie zu tunken und — er vermöchte in einem СКАЧАТЬ