Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen. Hermann Stehr
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Название: Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen

Автор: Hermann Stehr

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831040

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      In Liebe schieden die beiden, und Marie schritt in einer wohligen Luft hin, ihre Seele lag im Licht.

      Plötzlich packte sie der Klumpen, dessen ungleiche Schritte immer hinter ihr gewesen waren, am Arm und riß sie herum. »Jetze sag's, ob de mir gut bist!« sprach er in kraftloser Wildheit und zitterte am ganzen Körper. Sein massiger Leib war ganz nahe an ihr. Das erstemal seit dem Unglück seiner Kindheit, das seinen Leib und sein Leben verstümmelt hatte, öffnete sich sein unterjochtes Herz und schrie nach Liebe, nach Zärtlichkeit und freundlicher Gemeinschaft. »Mariela, Mariela«, stammelte er, ohne zu wissen, was er sprach.

      Eine Weile stand das Mädchen wie betäubt von der Sehnsucht seiner Seele. Dann sagte sie in kalter Trauer: »Du weeßt's ja, daß mir aneinandergeschmiedet sein.«

      Damit streifte sie seine kalte Hand von ihrem Gelenk ab und ging mit kurzem Gruß von bannen.

      Der Lahme stand noch lange wie ein Stein an demselben Fleck. Als sie, auf dem Rücken des Hügels angekommen, sich umwandte, sah sie ihn dem Walde zuschreiten.

      –

      Kurz vor Beginn der Fasten gingen die beiden fernen Menschen die Ehe miteinander ein. Es war eine geräuschlose Hochzeit.

      Außer Joseph und Kathe nahmen nur einige Verwandte an dem gedruckten Fest teil. Der Schuster war ausgeblieben. Marie saß in dem schwarzen Seidenkleid hinterm Tisch, still wie immer. Der Lahme aß, als dürfe nichts übrigbleiben.

      »Ein scheenes Wetter a unserm Ehrentage«, sagte er zwischen der unermüdlichen Kauarbeit zu ihr, »gell och, Marie! De Sonne finkelt, dr Weg eben, keen Schnee, de Luft ruh'g, ha?«

      Da mußte sie alle Gewalt zusammennehmen, nicht in lautes Weinen auszubrechen.

      Zweiter Teil

       Inhaltsverzeichnis

      9

       Inhaltsverzeichnis

      Aus dem Himmel ergoß sich der Sturm; jauchzend stürzte er nieder und schüttelte den Märzschnee von den Tannen. Die Bäume taumelten wie freudetrunken, schlugen mit ihren Ästen wie mit grünen Schwingen und sangen mit den Nadeln ein brausendes Lied.

      Marie stand in der Wohnstube ihrer neuen Heimat und horchte in die frohe Unbändigkeit des Vorfrühlings hinaus. Der nahe Wald donnerte, über den weißen Sand des Fußbodens liefen Schatten und Licht. Sie sah dem stummen Spiel zu ihren Füßen eine Weile zu; dann lächelte sie, ging zum Fenster und schaute zum Himmel hinauf.

      »Ach ja, jetze macht's Ernst«, sann sie, »ich dacht mr's wohl schon, 's brummte und beging's schon vorgestern im weiten Busch draußen. – Nach, 's is auch Zeit; ich hab' orndtlich Hummeln naus.«

      Und doch konnte sie sich gemütlich fühlen in ihren vier Pfählen. Der große braune Kachelofen mummelte behagliche Wärme ins Zimmer. Die neue Uhr mit den roten Rosen des Zifferblattes tickte hell von der weißen Wand. Die Perlen unwiederbringlicher Augenblicke sielen klingend durch die traumhafte Stille.

      Rund um den niedrigen, viereckigen Raum lief eine Wandbank aus weichem Holz, dessen Jahre man durch den gelben Anstrich sehen konnte. Ebensolche Schemel, deren steife Beine schief in das dicke Sitzbrett eingekeilt waren, standen um den großen Eßtisch, dessen weiß gescheuerte Platte eine ganze Ecke einnahm. Durch vier Fenster, je zwei in einer Wand, guckte der Tag neugierig herein, als gebe es in dem Raum etwas Besonderes zu sehen. Zwischen den beiden Fenstern der der Tür gegenüberliegenden Wand waren drei hölzerne, grobgeschnitzte Rehköpfchen angebracht. Von den Öhren und ihrem zackigen Gehörn hingen auf Zwirnfaden gereihte gelbe Zwergkürbisse. Rundumher steckte Tannenreisig. Bunte Pappbilder des Kaiserpaares und des Papstes vollendeten den Schmuck. Über dem Tische fehlte das Eckbrettchen nicht.

      Eine blau und rot bemalte Muttergottes hielt ihr rotes Herz vor ihrer Brust und sah stier immer auf den Ofen. Zwei Engel knieten an ihrer Seite und erhoben in demütigem Gebet die roten Hände zu der Gebenedeiten, hinter deren Rücken aus gelbem Papier ein Heiligenschein gefaltet war. Eine winzige Ampel aus rotem Glas mit einem Schwimmlichtchen hing an einer Spakatschnur von dem Brettchen nieder. Die Balkendecke war schwarzbraun angestrichen. Düster, dräuend, wie ein Sarg, hing sie über diesem Räume, den emsige Frauenhand zur Wiege für ein frommes, still gewordenes Leben bereitet hatte. Der Stieglitz in der Mitte des Zimmers brachte es nur zu abgebrochenen, sehnsüchtigen Rufen und flatterte gegen die Drahtwände des Käfigs, dem Lichte zu, das draußen, immer verdunkelt, immer siegend, auf und nieder tanzte.

      In der rechten Seitenwand, in der Nähe des massigen Ofens, war eine Tür von der Größe eines mäßigen Kleiderschrankes halb geöffnet, so daß Marie, die hintrat, sie zu schließen, mit einer leichten Beugung des Oberkörpers das winzige Eckchen mit den zwei hochgeschichteten Betten unter lukenartigen Fenstern überschauen konnte. Aber indem sie hineinsah, ward ihr Gesicht nicht von der süßen Zärtlichkeit verschönt, die sonst jede Frau überkommt, welche unbeachtet ihr Schlafzimmer mustert; mit einem hastigen Ruck schloß sie die Tür des dürftigen, lichtarmen Winkels. Der Klumpen hatte diese enge Kabine der Ruhe eingeräumt, als sei Schlaf ein lästiges Übel, das man unfreundlich behandeln muß, damit es sich nicht einniste.

      Darauf ging sie in der Wohnstube umher und wischte mit der blauen Schürze über jedes Stück, mehr um es zu berühren als den Staub zu entfernen, behutsam, wichtig und stolz. Alles, was umherstand, hatte sie mit eignem Gelde gekauft, und oben in der Sommerstube, »der Bühne«, wie der Landbewohner der Grafschaft sagt, standen gar ein Tisch und Stühle mit geschweiften Beinen, ein Glasschrank und ein Kleiderspind mit gedrehten Aufsätzen.

      Freilich steckten in der Ausstattung die ganzen achthundert Wart, die ihr als Erbteil von dem Zusammenbruch des väterlichen Wohlstandes geblieben waren. Aber mit Wohlbehagen hatte sie alles hergegeben, um ihrem Manne deutlich vor Augen zu führen, daß es ihr ein leichtes gewesen wäre, noch einen andern als ihn zu bekommen.

      Mit Genugtuung dachte sie des hochgeladenen, bunt bebänderten Brautfuders mit dem Butterfaß auf der Spitze, das die Pferde des Freirichters behutsam den holprigen Weg hergeführt hatten.

      An alles andere, was weiter zurücklag, durfte sie sich nicht erinnern, sonst geriet in Fluß, was sie fernhin in sich gebettet und dem sie geboten hatte, zu schlafen auf Nimmerwiedersehn.

      Der Holzdeckel des Ofentopfes klappte.

      Sie fuhr auf und fand, erstaunt, sich an dem Tische sitzend.

      Eilig lief sie zum Brunnen, holte Wasser und füllte den Ofentopf bis oben hin.

      Während sie es tat, erscholl dumpfes Brummen vom Stalle herüber.

      »Haha, de Hirsche weeß besser, wenn's Mittag is«, sagte sie mit einem Blick auf die Uhr, die drei Viertel auf zwölf zeigte, »wart och, Unmuß, alter, ich komm schon.«

      Behende nahm sie die Rüben vom offenen Herd und bereitete das Futter.

      Dann verließ sie die Stube, um »im Stall zu machen«.

      Um ein Uhr war sie damit fertig. Die Milch stand ausgegossen im Keller, die Raufen waren mit frischem Heu gefüllt, aus dem Stall tönte das taktmäßige leise Klirren der Ketten, das der Bauersfrau die Gewißheit gibt, daß СКАЧАТЬ