Название: Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Dramen
Автор: Hermann Stehr
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075831040
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Die anderen Felder bestellte er mit Sommergetreide und Kartoffeln. Der Klee war schön bestockt aus dem Winter gekommen, die Rübenkörner quollen im Schaff. In aller Muße machte er sich daran, das Niederstücke umzupflügen... Aber obwohl er den Pflug seicht gestellt hatte, erhielt er alle Augenblicke einen derben Ruck; das Schar saß nach wenigen Schritten immer wieder in den Steinen. Die Kühe begannen wegen des fortwährenden Anhaltens unruhig zu werden und trafen einigemal Anstalten, durchzugehen: die Hirsche hob den Schwanz, krümmte ihn, legte die Ohren zurück und brüllte wiehernd.
Der Lahme spannte aus und zog mit ihnen in den Stall. Indessen grub Marie mit dem Spaten das kleine Gärtchen neben dem Hause um, teilte es sorgfältig in Beete und bepflanzte sie mit Reseda, Majoran, Stiefmütterchen, Levkojen und Goldlack.
Der Lahme setzte auf den schmalen Streifen zwischen Mauer und Hinterwand des Hauses eine Reihe Pflaumen- und Kirschbäume.
Zu beiden Seiten der Lücke, durch welche der Zufuhrweg mündete, grub er Turmpappeln.
»Nee ha, de Pappeln kunnst'r ersparn«, rügte Marie und hob dann den Kopf gegen den Dorfweg hin, auf dem ein Mann und ein Knabe etwas hinter sich herschleppten. Sie sah gespannt hin, obwohl sie gar kein Interesse an jenem Vorgänge hatte, weil sie durch diese auffallende Neugier die Wirkung des Tadels an ihrem Mann abzuschwächen hoffte.
Sie schien sich wirklich nicht verrechnet zu haben, denn der Klumpen legte die eiserne Schaufel aus den Händen und sah auch hinauf.
»Kannst'n sehn, wer's is?« fragte er nach scharfem Auslugen.
»Ich weeß nie, die fahrn was of'm Wägelchen. Jetze geht dr Mann hinten hin und stößt, irnd was Schweres...«, antwortete Marie.
»Vielleicht a Sarg, Franz Tone of'm Berge is doch gestorben.«
»Gestorben? Was das für ne Rede is von dir! Gehängt hat er sich, das sollste doch wissen. Der is zugrunde gegangen, nie gestorben. – Nee, das kann's nich sein.« Marie wandte von neuem ihre Augen hin. »Se fahr« ja nach Erlengrund zu, und der Mann, der stößt, geht krumm.«
»Das is auch alles egal«, schloß der Klumpen und bückte sich wieder nach seiner Schaufel, während Marie dem Hause zuschreiten wollte.
»Halt a mal!« rief er rauh, richtete sich auf und stieß die Schaufel in den lockeren Boden. »Wie war das, was de vorhin vo den Pappeln sagtest?«
»Ich meente, es war nich notwendig gewesen«, antwortete Marie mit einem begütigenden Lächeln.
»Ja! Ha, weil se dr Freirichter hat? Grade deswegen setz ich se eben!«
»Du weeßt ja, wie komisch er is, wenn er's och nich übel aufnahm.«
»Baum is Baum, wo se stehn, wachsen se, und übrigens hat mich der Freirichter nich ausgebrüt!«
»Aber, Karla, meinetwegen ...«
Allein die ruhigen Worte waren wie Öl auf die glimmende Erregung ihres Mannes, schon bei den ersten Tropfen schlug sie jäh auf. »Gar nischt Karla«, schrie er zornig. »Was der Nagelschmiedejunge kann, kann ich schon lange! Immer dr Freirichter und dr Freirichter! Bin ich denn ein Seeger, den der bloß ufziehn kann?«
Marie antwortete nichts, nahm ein Schaff, das am Hause lehnte, und verschwand um die Ecke. Der Klumpen redete noch einiges hinter ihr her und trat dann eifrig eine Regengrube um die jungen Stämmchen.
Indessen erklang das Geknarr eines leichten Wägelchens immer deutlicher. Der Lahme richtete sich auf. Da kam das Gefährt schon den Weg heruntergeholpert: ein Schuljunge führte unbeholfen seine Deichsel, Freiwald ging dahinter und hielt die Bretter, mit denen der Wagen beladen war.
»Na«, sagte der Alte nach dem Gruß, den das Geräusch des Wagens verschlungen hatte, gab dem zurückschauenden Knaben einen Wink, zu halten, und streckte dem Klumpen die Hand entgegen.
Dieser ergriff sie und fragte mit einem Blick auf die Ladung: »'s Bornhäusel?«
Freiwald nickte und erzählte umständlich, warum sich die Lieferung der Arbeit so lange verzögert habe, und indem er nach seiner gründlichen Manier diese Angelegenheit zu einer lehrreichen Probe der neuen Zeitrichtung vertiefte, forschte sein graues, verglänzendes Auge in dem Gesichte Einers. »Heute will eben niemand warten«, beendete er seine Betrachtung und setzte sich langsam nach dem Hause zu in Gang. »De Menschen machen alle denselben Fehler jetzunder: ein jedes denkt, er is wegen der Arbeit da, un de Arbt is doch wegen uns da.«
Der Klumpen sah zu dem Knaben zurück, um dem Gespräch, er wußte noch nicht wie, eine anders Wendung zu geben.
Der Brunnenbauer tröstete ihn: »Er kommt schon nach«, und fuhr dann fort: »Da wirste nu denken, das is egal, aber ...«
»Du hast doch alles gemacht, wie ich drs gesagt habe«, unterbrach ihn der Lahme.
Freiwald nickte: »De Füllung grün, de Deckleisten und 's Dächel rot.«
Der Lahme wühlte prüfend unter den Brettern umher.
»Sachte, sachte«, mahnte der Brunnenbauer, »de Farbe leidet sonste. – Ma sieht ja deine gar nich?« fragte er unvermutet und fixierte Exner scharf.
»Se wird ei dr Stube sein«, erwiderte der Klumpen gleichgültig.
Marie erschien eben am Fenster und dankte bleichen Gesichts dem freundlichen Gruße des Greises.
»Nee Maria, Exner, is die schön, die reene Muttergottes! Da halt och schon de Hände unter se.«
Der Lahme lachte mit einem Anflug von Geringschätzung.
»Ja, ja, ich hör'g schon. Du wirst dich erst müssen ans Licht gewöhnen.«
»De Schindeln sein doch of meim Dache!« antwortete der Klumpen gereizt auf den ruhigen Tadel.
»Da haste schon recht«, gab der Alte zurück, »aber unse Leben is eben nich mit Schindeln gedeckt oder mit Flachwerk oder Schiefer. Das eenzige Dach für das Haus is ein gutes, sehr gutes Herze. – Da geh och ehe und mach' deine Arbt wenn ich wer fertig sein, ruf' ich dich.«
Exner ging aus dem Bereich dieser unbestechlichen Augen, und mit ernstem Gesicht machte sich Freiwald an seine Arbeit. Gegen die Vesperzeit war er fertig. Das Brunnenhäuschen stand gleich einer geputzten Dirne am Eingange des Höfchens, dem es mit seinem lebhaften Grün und Rot einen freundlichen Anstrich gab.
Der Greis trat in die Stube und fand Marie mit den Vorbereitungen zum Vesperkaffee beschäftigt. Er tauchte seine Hand in das Weihkesselchen an der Tür und sprengte drei Prisen des heiligen Wassers auf den Boden mit dem Wunsche: »Viel Glück und Segen ei Haus und Stall.«
Dann benetzte er seine Hand abermals und bekreuzte Marie auf der Stirn: »Daß de Gutts denkst«, auf den Mund: »Das Rechte redst«, und auf die Brust. Da ward der Greis überwältigt und sah lange auf den blonden Scheitel der jungen Frau, ohne ein Wort sprechen zu können. Als Marie die Augen zu ihm erhob, redete er endlich milde auf sie nieder: »Ihr Weiber tragt euer Kreuze vorne; so trag's gerne, was de mußt.«
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