Die Ankündigung. Nancy Mehl
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Название: Die Ankündigung

Автор: Nancy Mehl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ein Kaely-Quinn-Krimi

isbn: 9783775175098

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СКАЧАТЬ ihm nichts anderes übrig, als sich der Situation zu stellen.

      Er richtete sich auf, straffte die Schultern und tupfte sich mit einem Papierhandtuch das Gesicht trocken. Dann verließ er die Toilette und lief zielstrebig zu Solomons Büro. Nathan Walker wartete im Vorzimmer. Er stand auf, als Noah eintrat, und nickte ihm zu.

      »Gehen Sie ruhig hinein«, forderte Grace sie auf. »Er erwartet Sie beide.«

      Noah klopfte und öffnete die Tür. Solomon winkte sie herein. Er unterzeichnete gerade das Protokoll, anhand dessen der Weg des Beweisstücks nachverfolgt werden konnte. Dann schob er es Noah hin, der ebenfalls seine Unterschrift daruntersetzte und es an Walker weiterreichte. Als Nächstes würde in Quantico der mit der Prüfung beauftragte Labormitarbeiter das Protokoll abzeichnen. So hatte das FBI jederzeit einen lückenlosen Nachweis darüber, wer den Brief wann in den Händen hatte.

      »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, bat Noah Walker.

      »Mach ich«, versicherte Walker. Er nahm den Brief, steckte ihn in eine spezielle Aktentasche, die er mitgebracht hatte, und verabschiedete sich.

      »Kaely wartet im Konferenzraum auf Sie«, sagte Solomon zu Noah.

      Er nickte und verließ Solomons Büro. Der Konferenzraum lag gleich um die Ecke. Die Tür war geschlossen. Also klopfte er leise. »Kommen Sie rein«, forderte ihn eine Stimme auf.

      Als er die Tür öffnete, sah er Kaely mit einem Stapel Akten vor sich am Konferenztisch sitzen. Kaum zu glauben, dass sie FBI-Agentin war. Kaely war klein. Auf den ersten Blick konnte man sie für einen Teenager halten, nicht für eine Frau Mitte 30. Sie hatte ihre Jacke ausgezogen und trug eine ärmellose Bluse zu ihrer schwarzen Hose. Ihren ausgeprägten Oberarmmuskeln nach war sie in Topform. Ihr lockiges, rotbraunes Haar war zu einem Knoten zusammengebunden, aus dem einige widerspenstige Strähnen heraushingen.

      Als sie zu ihm aufsah, fielen ihm ihre kecke Nase und ihre weichen, vollen Lippen auf. Er hatte sie noch nie genauer betrachtet. Aber plötzlich war ihm, als raube ihr Anblick ihm den Atem. Ihre Augen fesselten ihn. Wie dunkle Seen, in die er sich, ohne es zu wollen, hineingezogen fühlte. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er etwas darin erkannt: eine Spur von Verletzlichkeit.

      In diesem Moment fühlte er sich plötzlich zurückversetzt in seine Kindheit. Sein Vater war mit seinen Kameraden auf die Jagd gegangen und hatte ihn mitgenommen. Ein Schritt ins Erwachsenenleben. Ganz aufgeregt und stolz hatte Noah sich der Gruppe angeschlossen. Aber im entscheidenden Moment starrte er dem Reh, das er eigentlich erschießen sollte, in die Augen und konnte nicht abdrücken. Einer der anderen Männer bemerkte sein Zögern und erlegte das Tier selbst. Auch wenn Noah den Vorfall damals mit einem Lachen überspielte und mit den anderen zusammen die erfolgreiche Jagd feierte – an jenem Abend weinte er sich in den Schlaf. Am nächsten Tag verkündete sein Vater, dass er ihn nicht mehr mitnehmen würde, und schlug vor, etwas anderes zusammen zu unternehmen – vielleicht wandern zu gehen. Noahs Vater hatte zwar die Reaktion seines Sohnes auf sein erstes und einziges Jagderlebnis nie verstanden, aber die beiden verbrachten danach viele glückliche Tage beim Wandern in Noahs Heimat, den Hügeln von Colorado. Vermutlich konnte sein Vater es dann nicht so richtig einordnen, als sein Sohn beschloss, zum FBI zu gehen. Aber Verbrecher zu jagen, schreckte Noah nicht ab. Übeltäter zu verfolgen war etwas völlig anderes, als unschuldigen Tieren aufzulauern.

      Er atmete bewusst langsam und versuchte, sein klopfendes Herz zu beruhigen. »Special Agent Noah Hunter«, stellte er sich vor. »Es sieht so aus, als würden wir in nächster Zeit zusammenarbeiten.«

      »Ich weiß, wer Sie sind, Special Agent Hunter«, entgegnete Quinn mit einer sanften, fast melodischen Stimme. »Nehmen Sie doch Platz.«

      Noah setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Er wartete darauf, dass sie das Wort ergriff, aber sie schien in eine Akte vertieft zu sein, die geöffnet vor ihr lag. Mit ihren langen, schlanken Fingern strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die über ihre glatte Stirn gefallen war. Als sie schließlich aufsah, musterte sie ihn prüfend. Jedes Anzeichen von Verletzlichkeit war verschwunden. Ihr durchdringender Blick erfüllte ihn mit Unbehagen. Was hatte es auf sich mit dieser Frau? Hinter dieser Fassade lag etwas. Etwas, das er nicht ergründen konnte. Sie war als geradlinig bekannt. So viel er von anderen Kollegen gehört hatte, lebte sie für ihren Job – etwas anderes gab es offenbar nicht in ihrem Leben. Mit einer an Besessenheit grenzenden Hingabe hatte sie sich dem FBI verschrieben.

      »Sie leiten die Ermittlungen«, stellte sie fest und schob ihm ein Stück Papier hin. Es sah aus wie der Brief, den er in Solomons Büro gesehen hatte. »Ich habe ihn abfotografiert und ausgedruckt, damit wir etwas in der Hand haben, womit wir arbeiten können.«

      Er nickte. »Gut. Wie ich es verstanden habe, meint Solomon, dass sich diese Drohung direkt gegen Sie richtet.«

      »Nun, ich denke eigentlich, wir müssen uns auf einen möglichen Serienmörder konzentrieren, der es auf Leute in St. Louis abgesehen hat. Das halte ich für das Wichtigste, meinen Sie nicht?«

      Anstelle einer Antwort deutete er auf die Akten auf dem Tisch. »Wonach suchen Sie?«

      »Ich gehe alte Fälle durch und überlege, wer etwas gegen mich haben könnte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, die Liste ist ziemlich lang. Aber wie Sie vermutlich wissen, machen Verhaltensanalytiker nichts anderes, als das Täterfeld einzugrenzen. Leute, die Verbindungen zu unseren Opfern oder Tätern haben, wüssten über mich normalerweise nichts.«

      »Und wie ist es mit den Artikeln von diesem Reporter? Acosta?«

      »Das könnte natürlich das Bindeglied sein. Acosta hat es so hingestellt, als hätte ich in den letzten Jahren eigenhändig jeden Serienmörder, Brandstifter, Vergewaltiger und Terroristen zur Strecke gebracht. Das ist natürlich lächerlich.«

      »Es eröffnet aber unzählige Möglichkeiten«, sinnierte Noah.

      »Auf alle Fälle haben wir jede Menge Arbeit«, entgegnete Kaely nur. »Und Sie würden lieber etwas anderes tun. Habe ich recht?«

      Er runzelte die Stirn. »Nein, natürlich nicht. Dies ist eine ernsthafte Drohung …«

      Sie klappte die Akte zu und schnitt ihm das Wort ab. »Eine Partnerschaft kann nicht funktionieren, wenn Sie mich anlügen, Agent Hunter.«

      Ihre Antwort ärgerte ihn. Was wollte diese Frau eigentlich? Er tat unter den gegebenen Umständen sein Bestes. »Wie sollten Sie wissen können, wie es mir damit geht, Agent Quinn?«

      Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Das erkenne ich an Ihrer Körpersprache. Schauen Sie doch mal auf Ihre Füße.«

      Überrascht lenkte er den Blick auf seine Schuhe. Wovon redete sie?

      »Sie zeigen zur Tür. Am liebsten würden Sie gleich wieder verschwinden. Sie haben sich so weit wie möglich von mir weggesetzt. Außerdem haben Sie, seit Sie hier sitzen, zweimal Ihren Kragen zurechtgerückt. Das ist eine besänftigende Geste. Sie versuchen sich also selbst zu beruhigen. Dann haben Sie dreimal Ihre Lippen aufeinandergepresst und mit den Händen so stark auf Ihre Armlehnen gedrückt, dass Ihre Fingerspitzen ganz weiß sind.«

      »Erstellen Sie gerade mein Profil?«

      »Nein, das hat mit Profiling nichts zu tun. Eher mit Menschenkenntnis. Mit aufmerksamer Beobachtung.« Sie deutete mit dem Kinn auf die Akten auf dem Tisch. »Dank der Verhaltensanalyse können wir die schlimmsten Gewalttäter auf diesem Planeten identifizieren. Deshalb bin ich zum FBI gegangen. Wie war das bei Ihnen? СКАЧАТЬ