Die Insel der Einsamen. Paul Keller
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Название: Die Insel der Einsamen

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517376

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СКАЧАТЬ zuckte die Achseln. Mit gleichmütiger Stimme sagte es:

      „Ich denke, so, wie du vom Theater redest, so ist es doch überall in der Welt. Mein Vater sagt: Die Menschen können nur sich selbst lieben; selbst wenn sie einmal etwas Gutes tun, lieben sie doch nur sich selbst; denn sie glauben, dass sie einen Lohn dafür bekommen. Und wenn sie anständig oder ehrlich sind, sind sie es bloss, weil sie Strafe erhalten, wenn sie es nicht sind. Der Eigennutz ist die Wurzel, aus der der ganze Baum des Lebens wächst, den Satz sagte mir mein Vater oft; man sollte nur Lohn und Strafe aus der Welt wegnehmen, und wir hätten lauter wilde Tiere.“

      Die grauhaarige Sängerin strich dem Mädchen über den Scheitel.

      „Wie ist das traurig, dass ein junges, schönes Kind so spricht! Dass es so früh die Wahrheit weiss!“

      Klotildis erhob sich; der Mond beleuchtete ihr Gesicht, das von reiner Schönheit und Frische war. Sie lachte und sagte:

      „Traurig — wieso? Ich mache mir gar nichts daraus. Ich rede auch gar nicht gern von solch dummen Dingen. Du hast mich bloss darauf gebracht, weil du vom Theater sprachst. Was geht mich all das an? Was geht es dich an? Wir leben auf der Insel und haben damit nichts zu tun. Wir sind draussen! Aber weisst du, manchmal möchte ich doch in die Welt und einmal diese wilden Tiere sehen.“ Nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: „Wir hier auf der Insel haben ja nicht mal richtige wilde Tiere — nur ein paar Füchse. Ich schiesse nie einen Fuchs tot; die Füchse sind mir viel lieber als die zimperlichen Rehe oder gar die albernen Hasen. Wie ich das erste Mal hätte einen Fuchs schiessen können, war ich vierzehn Jahre alt. Ich hatte ihn gut vor der Büchse; aber er beschlich gerade einen Hasen, der in seiner Todesstunde nichts besseres vorhatte, als sich seine Löffel zu putzen. Da dachte ich: Friss ihn erst, dann werde ich dich schiessen. Und er frass ihn! Er zerkrachte ihm erst das Genick, dann riss er ihm den Leib auf, trank sein Blut —“

      „Klotildis!“

      „O, ich habe geschaut! Und dann, wie er satt war, wollte ich ihn schiessen; aber ich dachte, vielleicht fängt er wieder mal einen Hasen. wenn ich’s sehe, und ich liess ihn leben.“

      „Kind! Kind! Wenn das nur gut tut!“

      Die Sängerin fasste Klotildis an der Hand, und sie gingen noch ein paar Schritt näher auf Günther zu, der hinter einer Hecke stand. Die Wangen glühten dem jungen Mann. Er war ein Lauscher. Aber — wenn es auch erbärmlich, wenn es gemein gewesen wäre, er hätte sich nicht von seinem Platze rühren können. Nein! Deutlich hörte er in der tiefen Stille des späten Abends jedes Wort.

      Dann aber wandten sich die Frauen, gingen Arm in Arm über die hellbeleuchtete Wiese und ihre Stimmen waren nicht mehr deutlich zu vernehmen. Günther schaute ihnen nach und rührte sich noch immer nicht vom Platze.

      Plötzlich knackte es im Gesträuch. Ehe sich Günther umwenden konnte, fühlte er, dass sich zwei riesige Pranken um seinen Hals legten, und eine mächtige Stimme brüllte:

      „Ich hab’ einen! Ich haaab’ einen! Zu Hilfe! Ich hab’ einen gefangen!“

      Günther machte sich mit einem kräftigen Ruck frei und sah sich Lukas, dem Mann mit der magnetisierten Lanze, gegenüber. Dieser fuhr fort zu brüllen und fasste Günther aufs neue. Im Kämpfen gerieten beide auf die offene Wiese, stolperten über des Polizeimanns grosse Lanze und wälzten sich bald darauf im Grase.

      Mit einem langgezogenen schrillen Freudenschrei stürmte Klotildis über die Wiese.

      „Wen hast du? Wer ist das?“

      „Ich — ich weiss nicht —“ keuchte der Polizist; „ich habe halt einen — ich halte ihn fest — oooh —“

      Günther befreite sich mit einer geschickten Wendung und stand auf den Füssen Er hielt die Lanze in der Hand und drohte dem sich ebenfalls erhebenden Kriegsmann.

      „Vergreif’ dich nicht mehr an mir, oder ich jage dir die eigene Lanze durch den Leib, du Esel!“

      Da grunzte der Polizeimann halb drohend, halb überrascht und furchtsam, dann schrie er:

      „Ich hole den Oberst! Ich hole den Oberst!“ und jagte auf seinen Riesenbeinen davon.

      Günther sah ihm nach, machte dann eine Verneigung vor Klotildis und sagte:

      „Ihr habt keine gute Polizei hier, Komtesse. Aber es ist selbstverständlich, dass Ihr mir gegenüber gar keines Schutzes bedürft.“ Er warf die Lanze ins Gras. Klotildis bückte sich blitzschnell und ergriff die Waffe.

      „Nun bleibt stehen,“ sagte sie drohend, „oder Ihr sollt sehen, wer die Lanze durch den Leib bekommt, Lukas oder Ihr!“

      Sie hielt ihm die Klinge dicht vor die Brust. Günther machte eine lässige Wendung, entwand ihr die Lanze mit leichter Mühe, schleuderte sie weit von sich und sagte lächelnd:

      „Gebt Euch keine Mühe! Ich bin kein Hase, und Ihr seid kein Fuchs.“

      „Ooh — ooh — er hat gehorcht — hörst du, Wanda, er hat gehorcht — pfui!“

      „Eine Waldwiese ist kein Boudoir, gnädiges Fräulein!“

      „Wie konntet Ihr Euch erdreisten, diese Insel zu betreten?“ herrschte sie ihn an.

      „Ich bin ein Wandersmann,“ sagte er gemütlich; „und die Welt ist frei. Selbst des Kaisers Gärten stehen offen.“

      „Aber diese Insel steht nicht offen, Ihr werdet es büssen!“

      „Nun, so werde ich es büssen!“

      „Wenn Ihr einen Kahn hier habt, wie ich vermute, so macht, dass Ihr fortkommt,“ riet ihm nun die Sängerin; „es ist streng verboten, die Insel zu betreten, und Ihr setzet Euch der grössten Gefahr aus. Es war unrecht von Euch, dass Ihr hierher kamet!“

      „Es war vielleicht unrecht, aber ich fürchte mich nicht,“ sagte Günther; „und ich werde die Insel nur auf Befehl dessen verlassen, dem sie gehört.“

      „Sie gehört meinem Vater!“ rief Klotildis zornig.

      „Nun wohl, Komtesse, so werde ich warten, bis ich mit Eurem Vater gesprochen habe.“

      „Er ist frech,“ sagte Klotildis verdutzt, „komm, Wanda, wir wollen ihn stehen lassen und sehen, ob er dann nicht von selber fortläuft.“

      Sie ging mit ihrer Freundin zurück zum Brunnen. Günther blieb ruhig auf seinem Platz. Da schallte das Geschrei des Polizisten durch den Wald:

      „Er kommt! Der Oberst kommt! Haltet ihn! Haltet den Kerl! Der Oberst kommt!“

      Der Soldat stürzte keuchend aus dem Walde, fand seine Lanze, stellte sich drohend vor Günther auf und sagte:

      „Ich lass dich nicht entkommen, du Bursche!“

      Günther nickte ihm lachend zu.

      „Ja, wenn du willst, kannst du mich wohl an deine magnetische Lanze kleben!“

      In diesem Augenblick trat eine hohe Gestalt aus dem Gebüsch. Ein Fünfziger mit energisch geformter Nase, starkem Kinn, dunklen, sehr ausdrucksvollen Augen und angegrautem Haar.

      „Was СКАЧАТЬ