Die Insel der Einsamen. Paul Keller
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Название: Die Insel der Einsamen

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788711517376

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СКАЧАТЬ ein Pessimist.“

      Kajetan machte eine kleine Pause; dann fuhr er fort:

      „Allen Pessimisten ist es so ergangen. Sie waren gut und tüchtig; alle anderen Menschen waren schlecht und dumm; aber den Dummen ging’s gut und den Klugen ging es schlecht; und da wurden sie eben Pessimisten.“

      „Seid Ihr auch einer?“ fragte der andere mit einem schiefen Seitenblick.

      „Natürlich bin ich einer,“ rief Kajetan und räkelte sich wieder lang ins Gras. „Oder haltet Ihr mich etwa für einen Dummen? Wenn ich kein Pessimist wäre, hätte mich der Herr Graf nicht angestellt, dass ich seine Insel bewache.“

      „Ah, Ihr seid der Inselwächter?“

      „Was sonst? Eine Insel ist eigentlich keine Insel, müsst Ihr wissen. Denn warum?“

      „Weil Wasser drum ist,“ fiel der andere ein.

      „Ja, so, das sagte ich Euch schon. Nun, wer soll verhindern, dass Leute auf die Insel fahren, die dort nichts zu suchen haben? Ich verhindere es! Wer soll verhindern, dass die Leute, die auf der Insel sind, herunterkönnen? Ich verhindere es!“

      „So ist die Insel ganz abgeschlossen von der Welt?“

      „Vollständig! Und zwar nicht nur durch das Wasser, sondern durch mich!“

      Der andere lachte.

      „Diese Insel ist also ein Stück Land, das ringsum von Meister Kajetan umgeben ist?“

      „Nein, nicht ringsum. Wie könnte ein einzelner Mann eine so grosse Insel bewachen, selbst wenn er einen Knecht hat? Es gibt nur eine Landungsstelle auf der Insel, alles andere ist flaches Sandufer.“

      „Die Insel ist hübsch gross!“

      „O, sie ist über viertausend Schritte lang und an den breitesten Stellen an die zweitausend Schritte breit. Sie hat viele Berge, Wälder, Felder, Gänse-, Kuh- und Schafherden, Ziegen, Hasen und Hühner.“

      „Wieviel Menschen wohnen darauf?“

      „Achtzehn — ohne die Weiber.“

      „Wieso ohne die Weiber? Zählen die Weiber nicht mit?“

      „Nein, denn alles Unheil kommt vom Weibe.“

      „Das habt Ihr wohl auch wieder von dem Dichter?“

      „Ich habe es von ihm; aber ich weiss es auch von selbst.“

      „Habt Ihr eine Frau?“

      Kajetan zog mit der Hand eine Linie durch die Luft.

      „Gehabt! — Futsch!“

      „Gestorben?“

      „Nein, ausgerückt!“

      Der Fremde sah Kajetan mitleidig an. Der hatte die Stirn in finstere Falten gelegt.

      „Mit ihrem Vater ist sie ausgerückt,“ knirschte er. „Er hat sie wieder nach Hause geholt, als ich sie kaum zwei Jahre lang hatte. Er sagte, sie müsse bei mir zu viel arbeiten!“

      Der andere lächelte abermals.

      „Das ist Pech. Und so seid Ihr also ein Pessimist geworden?“

      „Jawohl, da bin ich ein Pessimist geworden und habe mir einen Knecht halten müssen, den ich nicht nötig hatte, als die Frau noch da war.“

      „Wie lange lebt denn der Graf schon auf der Insel?“

      „An die acht Jahre. Seine Tochter ist jetzt achtzehn.“

      „Eine Tochter hat er auch?“

      „Sie heisst Klotildis.“

      „Ist sie schön?“

      „Nein, keine Frau ist schön. Der Dichter sagt, die Schönheit der Weiber ist Schwindel. Und Klotildis braucht auch nicht schön zu sein, denn es gibt niemand etwas darauf. Der Dichter sagt, sie ist ätherisch, das soll heissen, sie ist sehr mager.“

      Kajetan schloss die Augen. Von dem vielen Reden schien er müde geworden zu sein, und namentlich das Thema über die Weiber hatte ihn sehr gelangweilt. Nach einer halben Minute schon begann seine Nase die Einleitungstakte zu einer grossen Symphonie. Darauf wollte sich nun der andere nicht einlassen; er rüttelte also Kajetan und sagte:

      „Schlaft nicht, lieber Meister, sondern erzählt mir lieber noch ein wenig von der Insel.“

      Kajetan gab verdrossen zur Antwort:

      „Ich kann mich nicht zu Tode reden. Ihr habt mir das Neueste von der Welt erzählt, und ich habe Euch von der Insel erzählt, also sind wir quitt. Jetzt will ich schlafen; denn ich bin müde und habe ausserdem heute den Namenstag.“

      „Der Tausend!“ rief der andere, „den Namenstag habt Ihr? Das trifft sich gut. Da sollten wir ein Fest feiern.“

      Er bastelte an seinem Reisegepäck herum und reichte Kajetan eine kleine Flasche hin.

      „Da, nehmt das zum Angebinde! Lasst es Euch gut bekommen: es ist edler Burgunder.“

      Kajetan war mit einem Male wieder munter. Er bedankte sich und sagte dann:

      „Ich habe es bald gemerkt, dass Ihr ein Mann von Bildung seid, hätte es aber gern, wenn Ihr mir Euren Stand und Namen nennen wolltet. Ihr wisst, wer ich bin, und ich weiss nicht, wer Ihr seid, und also steht die Wage schief.“

      Der Fremdling erhob sich sogleich, machte eine zierliche Verneigung und hub an:

      „Gestattet demnach, edler Meister Kajetan, grosser Admiral dieser Inselflotte, dass ich mich vorstelle: Ich heisse Günther, Freier von Echtelfingen, bin der vierte Sohn meines Herrn Papa und meiner Frau Mama, stamme aus der Gegend zwischen Köln, Rom, Konstantinopel und Danzig und habe mein Leben lang nichts getan als Allotria, indem ich nämlich Jurisprudentia studierte, mit welch lächerlichem Zeitvertreib ich eben fertig geworden bin. Darauf bin ich in die Welt gezogen, um nach Herzenslust zu wandern, und habe vorläufig keinen anderen Plan, als hinüber ins Klösterliche zu fahren, wenn sich dazu durch die Rückkehr Eures Knechtes eine Gelegenheit bieten wird.“

      Kajetan hatte aus dem ganzen Wortschwall nur das eine behalten, dass sein Gast und Nachbar ein Edelmann sei; er sprang also mit einer für ihn ganz unpassenden Geschwindigkeit empor, zog seine Zipfelmütze ab, so dass sein dicker, struppiger, schon etwas angegrauter Schädel in Erscheinung trat, stammelte eine Entschuldigung und erbot sich, Herrn Günther augenblicklich selber hinüber ins Klösterliche zu rudern.

      Doch Günther nahm ihm die Mütze, zog sie ihm eigenhändig wieder über die Ohren, gab ihm einen sanften Stoss, der Kajetan einlud, wieder im Grase Platz zu nehmen, und sagte:

      „Machen wir nur keine Faxen, lieber Freund; ich bin froh, dass ich bei Euch bin, und habe es gar nicht so eilig, fortzukommen. Ruht Euch erst ein wenig aus, sammelt Euern Geist und erzählt mir dann noch etwas von dieser geheimnisvollen Insel, um derentwillen ich in diese sehr entfernte Gegend gekommen bin.“

      „Wisst СКАЧАТЬ