Die Insel der Einsamen. Paul Keller
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Название: Die Insel der Einsamen

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9788711517376

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СКАЧАТЬ warf sich lang hin, dort, wo er stand, schlug mit Händen und Füssen auf die Erde, heulte und schrie:

      „Ich habe keinen Knecht — ich habe kein Geld — ich habe keinen Wacholder und ich hab’ doch den Namenstag.“

      „Da habt Ihr immerhin etwas!“ sagte Günther vom Ufer her.

      Er liess den Mann jammern und weinen und schürte so lange seine Verzweiflung, bis Kajetan sagte:

      „Nehmt den Kahn, fahrt hinüber. Mir ist alles gleich — alles gleich — ich muss ja jetzt doch verhungern!“

      Nach einer Weile aber kam die Furcht wieder, und er sagte:

      „Wenn Ihr nun durchaus hinüber wollt, so tut mir wenigstens den Gefallen und bindet mir vorher Hände und Füsse zusammen.“

      „Ah,“ sagte Günther, „damit Ihr, wenn es doch herauskommt, die Ausrede habt, Ihr seiet überfallen und überwältigt worden.“

      „So ist es,“ sagte der kluge Mann, „und damit der Herr Graf einsieht, dass ich nicht allein bleiben kann, sondern wieder einen Knecht haben muss.“

      „Ich will nach Eurem Wunsche tun und Euch so fest binden, dass auch der Ungläubigste einsehen muss, dass Ihr das unschuldige Opfer einer Gewalttat geworden seid!“

      Das dritte Kapitel.

      Die Sonne war längst in einen fernen blauen Wald versunken, der späte Mond noch tief unter dem Horizont, da band Günther Kajetanen Hände und Füsse, fesselte ihn ausserdem noch mit einem Strick an ein Bein des riesigen Eichentisches in der Fischerhütte, wünschte dem bitterlich klagenden Manne eine geruhsame Nacht und trat hinaus ins Dunkle. Bald glitt der Nachen unhörbar über den Fluss.

      In der Nähe der Steintreppe, dort, wo das Erlengebüsch über das Wasser hinaushing, barg Günther den Kahn und setzte den Fuss auf das verbotene Land.

      Ein paar Grillen zirpten im Gras, ein paar Unken riefen im Wasser, sonst war tiefe Stille. Selbst die Blätter der Bäume regten sich nicht; nur Nachtschmetterlinge wiegten sich im Reigen auf dem bunten Tanzplatz schlummernder Blumen.

      Günther stand eine Zeitlang, ohne sich zu bewegen. Röte zog in sein Gesicht; es wollte eine Scham in ihm aufdämmern, dass er unberufen eingedrungen war in einen so tiefen Frieden. Wie er noch so stand, sprach eine Stimme dicht hinter ihm:

      „Warum geht Ihr nicht weiter?“

      Günther erschrak so, dass seine Knie ein wenig bebten, und er stiess einen kurzen Schreckensruf aus. Vor ihm stand eine Frau in schwarzem Gewand. Ihr Haupt trug einen Witwenschleier. Sie war noch nicht alt, kaum über dreissig Jahre, und es quollen reiche blonde Haare unter dem Schleier hervor; aber in ihr Gesicht waren tiefe Male von Groll und Herzeleid gegraben, es war hart, und die Augen blickten tot.

      „Warum geht Ihr nicht weiter?“ wiederholte sie; „fürchtet Ihr Euch?“

      Günther überwand mühsam das peinliche Gefühl, ertappt worden zu sein.

      „Verzeiht — verzeiht, dass ich hier — gehört Ihr zu dieser Insel?“

      „Ja. Und ich hörte Euch kommen. Warum kamet Ihr hierher?“

      „Aus Neugierde!“ gestand Günther.

      „Das ist ein guter Grund,“ sagte sie freundlich, „ein guter Grund, wenn man jung ist. Geht nun und seht Euch um, aber lasst Euch nicht erwischen. Ich werde derweil auf den Kahn Obacht geben, dass er nicht entdeckt wird. Denn wenn Ihr auch den Fischer Kajetan ans Tischbein gebunden habt, so wird man ihm diesmal nicht mehr glauben, dass er überfallen worden sei.“

      „Ah — hat er das — hat er das schon einmal so gemacht?“ fragte Günther überrascht.

      „Er hat es schon zweimal so gemacht,“ sagte sie, und um ihren harten Mund ging ein Lächeln.

      „Geht nun,“ fuhr sie fort, immer in mildem Ton; „aber sagt mir erst noch, ob Ihr eine Waffe tragt.“

      „Ihr seht es,“ sagte Günther, „ich trage meinen Degen, und ich habe ein Pistol.“

      „Ich kann es nicht sehen,“ erwiderte sie; „denn ich bin fast blind. Lasst die Waffen hier zurück!“

      „Ich trenne mich nie von meinen Waffen.“

      „So wird er Euch zum Duell herausfordern, wenn er Euch trifft.“

      „Der Graf?“

      „Nein, ein anderer.“

      „Wer?“

      „Ich nenne seinen Namen nicht. Er wird Euch töten.“

      „Ah,“ rief Günther fröhlich; „mich hat noch keiner getötet, der mich zum Zweikampf gefordert hat.“

      „Geht!“ sagte sie und machte eine Handbewegung, die eine Verabschiedung ausdrückte.

      Günther verneigte sich vor ihr.

      „Ich danke Euch für Eure Güte, Madame,“ sagte er und ging.

      Ein Waldweg führte dicht am Flussufer hin; Erlengebüsch und Ulmenbäume säumten ihn ein. Der Weg war mit Gras bewachsen, und Günthers Schritt blieb unhörbar. Einmal zuckte er vor einer weissen Gestalt zurück; er erkannte aber bald, dass es eine verwitterte Bacchusfigur war, wohl ein Denkmal aus fröhlicher Zeit. Jenseits des Flusses ging der Mond auf. Es war noch nicht lange nach Vollmond, und so war das Licht ganz hell. Sehr vorsichtig ging Günther, immer im Schatten der Bäume. Bei einer Walddichtung blieb er stehen. Im klaren Mondschein lag eine Wiese, und mitten darauf sassen zwei Männer. Der eine war wie ein Soldat aus Kaiser Josephs Zeiten gekleidet und hielt eine Lanze, deren Schneide sein Kumpan, ein kleines, dürres Männlein im Handwerkerkittel, mit regelmässigem Streichen rieb, wobei das Männlein laut zählte: „90, 91—98, 99, 100!“

      „100mal — nun wollen wir sehen, ob sie magnetisch ist!“ sagte das Männchen.

      „Ja, das wollen wir sehen,“ erwiderte der Kriegsmann und nahm einen riesigen Schlüssel aus der Tasche, den er an die Klinge der Lanze hielt; der Schlüssel fiel ins Gras.

      „Bist wohl verrückt, Lukas?“ schrie der Handwerker; „vielleicht willst du gleich Marzells Ambos an die Klinge hängen! Da sieh her“ — er nahm etwas Feines, Blinkendes aus der Tasche — „da sieh her, wie das hängt, wie ich sie dir magnetisch gemacht habe!“

      „Für so einen Stüber gebe ich dir doch meine Tabaksdose nicht,“ knirschte Lukas, der Krieger, unmutig; „da klebe ich mir ja, wenn ich will, mit Spucke viel schwerere Dinge an meine Lanze und brauche deinen Magnet nicht. Streiche sie tausendmal, und ich werd’ mir’s mit der Dose überlegen!“

      „Den Buckel werde ich dir streichen, du Lump!“ schrie jähzornig der Kleine. „Entweder du gibst mir augenblicklich die Dose oder ich streich dir die Lanze gegen den Strich und mache sie unmagnetisch.“

      Der Kriegsmann das hören, seine riesige Gestalt aufrichten und mit seiner magnetisierten Lanze Reissaus nehmen, geschah alles in drei Sekunden. Der andere drohte in ohnmächtigem Zorn mit seinem Magnetstab hinter ihm her СКАЧАТЬ