Die Insel der Einsamen. Paul Keller
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Название: Die Insel der Einsamen

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9788711517376

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СКАЧАТЬ Günther:

      „Wie haltet Ihr es eigentlich mit dem Gelde, Meister Kajetan?“

      Kajetan seufzte.

      „Ich halte es gar nicht mit ihm, denn ich habe keines. Die Leute auf der Insel dürfen kein Geld haben, sie brauchen auch keines. Ich aber dürfte es haben und brauchte es auch; aber ich bekomme keines. Seit drei Tagen seid Ihr der erste Mensch, der um einen Dreier über den Fluss gesetzt sein will, und da ist nicht einmal der Knecht zu Hause. Was ist das für ein elendes Geschäft!“

      „Ihr verkauft doch die Fische!“

      „Lieber Herr, verkauft einmal Fische, wenn durch die ganze Welt dieser Fluss läuft, aus dem sich jeder selber sängt, was er an Fischen braucht. Der Fischfang bringt kaum so viel, dass ich meinen Knecht erhalten kann, der sehr viel isst und jährlich acht Taler Lohn will.“

      „Was bekommt Ihr denn als Inselwächter?“

      „Nichts! Alle Jahre drei geschlachtete Schweine, zwei Kähne voll Kartoffeln, zwei Kähne voll Obst und Kohl, sonst eben Hasen, junge Ziegen, Tauben, mal einen Hammel oder ein Kalb, sonst nichts, rein nichts.“

      „Das ist ein Hungerleben!“ rief Günther mitleidig. „Da kenn’ ich Euch einen Mann auf den Besitzungen meines Vaters, der lebt ganz anders als Ihr. Er ist ungefähr Eures Alters und Eurer Statur, nur dass er — wie ich gleich bemerkte — viel ungeschickter und dümmer ist als Ihr. Aber was für ein Leben hat er. Er ist Zollwächter. Den ganzen Tag sitzt er in einem Lehnstuhl vor seinem schönen Zollhaus, raucht Tabak und hat die Füsse auf einem gepolsterten Schemelchen. Der Schlagbaum sperrt die Strasse ab, und wenn eine feine Kutsche kommt, springt der gnädige Herr selbst heraus, nimmt den Hut ab und sagt: „Bitte, Herr Zollwächter, lasst mich durch!“ Der Zollwächter hält die Hand auf, in die der gnädige Herr ein Silberstück legt, dann macht der Knecht die Schranke auf, der gnädige Herr steigt in den Wagen, grüsst und fährt davon, und der Knecht macht die Schranke wieder zu.“

      Kajetan riss die Augen auf.

      „Oh! Oh!“ Mehr brachte er nicht heraus.

      „Kommt noch besser,“ fuhr Günther gleichmütig fort. „Zu dem Zollhaus gehört eine Wirtsstube. Abends erscheinen die Bürger der Stadt, der Zollwächter setzt sich zu ihnen an den Tisch, und dann geht es ans Geschichtenerzählen. Was nun überhaupt in der Welt passiert, wird erzählt. Zum Exempel, die Geschichte von den Griechen und dem hölzernen Pferde wusste unser Zollwächter schon vor drei Monaten; der Kuchenbäcker hatte sie mitgebracht. Natürlich wird viel getrunken: Wacholder, Kümmel und auch Wein. Und der Wirt hat alles umsonst.“

      Kajetan warf sich weit hintenüber und strampelte mit den Beinen. Günther betrachtete ihn und sagte:

      „Das erzähle ich Euch so nebenher. Was habt Ihr auch für ein Interesse an dem Zollwächter meines Vaters!“

      Kajetan keuchte.

      „Ist er noch gesund?“ fragte er.

      „Wer? Mein Vater?“

      „Nein, der Zollwächter! Hat er nicht die Gicht oder die Wassersucht oder ist er nicht wenigstens so alt, dass er bald sterben muss?“

      „Nein, er ist ganz gesund, und wie ich Euch schon sagte, nur ebenso alt wie Ihr.“

      „So — na dann —!“

      Kajetan hieb die Faust ins grüne Gras und rührte sich nicht mehr.

      Auch Günther sagte nichts mehr. Er nahm aus seinem Felleisen ein Fernrohr, schob es auseinander und suchte die Küste der Insel ab. Es dauerte eine ganze Weile, ehe Kajetan diesen Vorgang bemerkte und eine Menge höchst verwunderter Fragen tat. Günther gab ihm kurze, konfuse Auskünfte und sagte am Schluss:

      „Lieber Admiral, ich weiss jetzt, wo Eurer Insel verwundbare Stelle ist. Ringsum ist flache Sandküste, wo kein Kahn heran kann. Aber dort, wo am Strande die hohen Ulmen stehen und gleich dahinter der Eichenwald aufsteigt und links das Erlengestrüpp am Ufer hinläuft, da ist die Landungsstelle. Ich sehe deutlich, dass ein Eisenzaun am Ufer ist, der übrigens so niedrig ist, dass ein Schulbube darüber springen kann. Dahinter führt eine Steintreppe empor.“

      „Das ist ein Teufelsrohr,“ rief Kajetan; „gebt es her, ich muss auch einmal durchsehen.“

      „Mit nichten!“ erwiderte Günther zurückhaltend, „denn erstens wisst Ihr genau, wie es da drüben aussieht, und dann habe ich mir als Lebensgrundsatz auserwählt: Wer mir seinen Kahn nicht leiht, dem leihe ich mein Fernrohr nicht. Von diesem Grundsatz gehe ich niemals ab.“

      Wie er das kaum gesagt hatte, stiess er einen erstaunten Ruf aus.

      „Da! — Da kommt jemand über die Steintreppe herunter ans Ufer. Eine Frau! Eine Frau mit einem Pferd —“

      Kajetan riss ihm das Rohr vor den Augen weg und riss ihn selbst um ins Gras.

      „Um des Himmels willen, Herr, haltet Euch still; bleibt liegen — sonst sind wir verloren — das ist sie — das ist Klotildis — Klotildis mit ihrer Fuchsstute!“

      Günther schob den Fischer ohne Mühe beiseite, blieb aber liegen.

      „Das ist Klotildis! Sie hat Augen scharf wie das Sonnenlicht. Wenn sie Euch sieht und mich beim Inselgericht anklagt, verliere ich mein Brot!“

      Kajetan weinte, als er das sagte.

      „Bleibt liegen, edler Herr!“ fuhr er in kläglichem Tone fort; „wenn sie Euch auch wirklich schon gesehen hätte, kann sie immer noch meinen, es sei mein Knecht, der auch manchmal neben mir liegt, weil er ein so fauler Bursche ist.“

      Günther beachtete ihn gar nicht. Halb aufgerichtet hielt er ununterbrochen sein Fernrohr nach der Insel gerichtet.

      „Ah, nun geht sie fort! Was war das für ein schönes Bild!“

      Neben ihm der Fischer redete, schalt, jammerte; Günther hörte nicht darauf. Er lag auf dem Rücken und sah in den blauen Himmel. Drüben über dem Wasser lebte ein Dornröschen; er hatte es gesehen, und nun sollte ihn gewiss kein Stachelwald aufhalten, bis zu der Holden vorzudringen.

      „In dieser Nacht werde ich nach der Insel hinüberfahren,“ sprach er vor sich hin. „Schweigt, lieber Nachbar, lasst mich reden! Ich werde mir, noch ehe der Mond hochsteigt, den Kahn des Fischers Kajetan losbinden und hinüberrudern. Sollte mich besagter Kajetan daran hindern wollen, so würde ich ihn nehmen und mit dem Kopfe drei Minuten lang unters Wasser halten, bis er genug getrunken hätte, um stille zu sein. Sollte er sich als vernünftiger Mann erweisen, so würde ich ihm drei goldene Dukaten in seinem Kahn hinterlassen, wenn ich am Morgen zurückkehre.“

      Kajetan lugte angstvoll den Waldrand entlang, von da sein Knecht kommen musste. Nach einiger Zeit kam wirklich ein Mann daher, dem Kajetan eilends entgegenlief. Es war aber nicht sein Knecht, sondern ein Landstreicher von sehr zerlumptem Aussehen, der ihm mit halbtrunkener Stimme entgegenrief:

      „Seid Ihr der Fischer Kajetan?“

      „Der bin ich.“

      „Dann soll ich Euch schön grüssen von Eurem Knecht. Er lässt Euch sagen, Ihr wäret ein altes Faultier, und er käme nicht mehr zu Euch zurück.“

      „Was? СКАЧАТЬ