Название: Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht
Автор: Marie Brennan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966583220
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Sie biss wieder die Zähne zusammen. Dann sagte sie offen: »Es ist furchtbar.«
Angesichts einer derartigen Aussage konnte das Taktgefühl meine natürliche Ehrlichkeit nicht länger niederringen. »Es ist furchtbar«, stimmte ich zu. »Aber sogar es so weit zu schaffen, ist eine Leistung.«
Sie starrte auf ihre Schuhe. Ein Lächeln begann, an meinem Mundwinkel zu zupfen – ich konnte es nicht unterdrücken. Dann fing sie an zu lachen, und das überrumpelte mich, und die Anspannung in mir löste sich.
Als wir endlich aufhörten zu lachen, stand ich auf, um ihr einen Stuhl zu holen. Nur dass sie, als ich mich wieder umdrehte, meinen Stuhl eingenommen hatte – ihren Stuhl, meine ich, denn ich habe das Gefühl, dass ich, wenn es darum geht, gegen den Wind segle. Mir schien es nicht mehr wert, darüber zu diskutieren, also setzte ich mich auf den, den ich herangezogen hatte.
»Ich bin Cora«, sagte sie.
»Und ich bin Audrey Camherst.«
»Ich weiß«, sagte sie. »Ich meine, das habe ich mir gedacht. Onkel hat gesagt, dass du kommen würdest. Aber du siehst nicht aus wie eine Scirländerin.«
Die meisten Leute sagen es mir nicht so ins Gesicht, obwohl ich weiß, dass sie das denken. »Das bin ich zur Hälfte«, sagte sie. »Meine Mutter ist eine Utalu. Aus Eriga.«
Den letzten Teil fügte ich an, weil die meisten Scirländer dazu neigen, Eriga als undifferenzierte Masse zu betrachten, einen ganzen Kontinent, der unter einem Namen zusammengefasst wird, und die Talu-Union nicht auf einer Karte finden könnten, wenn man ihnen damit drohte, sie für ihr Scheitern kielzuholen. Aber Cora nickte, ehe ich es überhaupt ganz klargestellt hatte. »Du bist die Enkelin von Lady Trent. Und dein Großvater, dein Stiefgroßvater meine ich, ist derjenige, der Drakoneisch entschlüsselt hat.«
»Na ja, er und ein Haufen anderer Leute. Es ist nicht so, dass er es einfach eines Tages angesehen und gerufen hat: Ha! Ich hab’s! Aber ja, er ist derjenige, der den Kataraktstein übersetzt und die Theorie aufgestellt hat, dass die Sprache mit Lashon und Akhisch verwandt ist. Und dann hat Großmama bewiesen, dass er recht hatte.«
»Hast du irgendwelche Drakoneer getroffen?«
»Oh ja, ganz viele. Ich war sogar schon im Refugium.« Ich erschauderte bei der Erinnerung. »Die Leute sind liebenswert, aber was sie dort ›Sommer‹ nennen, würde hier kaum als kühler Frühlingstag durchgehen.«
Cora sagte: »Ich war noch nie außerhalb von Scirland. Ich glaube nicht, dass es mir sehr gefallen würde, aber Onkel verreist andauernd. Meistens nach Thiessin und Chiavora – Akhien hat ihm nicht gefallen.«
Alle möglichen unhöflichen Antworten schossen mir dabei durch den Kopf, aber ich schluckte sie hinunter.
»Wenn du nicht willst, dass ich dir helfe«, fuhr Cora fort, »dann sag es mir. Onkel hat gesagt, dass ich tun soll, was auch immer du sagst.«
Als sei sie irgendeine Bedienstete! Oder noch schlimmer, eine Sklavin. »Ich möchte deine Hilfe«, sagte ich. »Aber nur, wenn du helfen willst.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie ich das kann. Du hast gesehen, was passiert ist, als ich es versucht habe. Und es hat dich wütend gemacht, nicht wahr? Dass ich versucht hatte, etwas zu übersetzen.«
Höflich wäre es gewesen, zu lügen. Aber Cora ist so direkt, dass ich feststellte, dass ich genauso antwortete. »Nun ja, ein wenig. Aber ich hätte nicht wütend sein sollen. Was das Übersetzen betrifft, braucht es gewöhnlich Jahre des Studiums, bis jemand bereit ist. Es gibt allerdings andere Dinge, die du tun kannst – und um ehrlich zu sein, wäre ich dafür dankbar. Dein Onkel will, dass das hier sehr schnell erledigt wird, sodass es mein Leben viel einfacher machen würde, wenn mir jemand bei all den Nebenaufgaben helfen würde.«
Sie nickte und war nicht überrascht. »Als die Tafeln angekommen sind, hat er gesagt, dass sie alles verändern würden.«
Tagebuch, ich sage dir: Lord Gleinleigh hat eine sehr hohe Meinung über die Wichtigkeit seines Fundes, und ich fange an, mich zu fragen, warum. Er hat einen langen Erzähltext entdeckt, und das ist sehr aufregend, wenn man sich viel aus der antiken drakoneischen Zivilisation macht. Wir haben zuvor einige Gedichte entdeckt, wenige, kurze mythische Legenden oder Auszüge aus der Geschichte, jedoch nichts, was diesem Maßstab nahekommt. Aber zu sagen, dass es alles verändern wird? Das scheint mir unangebracht, wenn wir noch nicht einmal wissen, was da steht.
Was mich dazu bringt, mich zu fragen, ob er es irgendwoher doch weiß. Nur dass ich mir nicht vorstellen kann, wie er das überhaupt könnte! Es ist leicht genug, den Sinn einer Steuerliste auf den ersten Blick zu erkennen, aber eine Erzählung ist viel schwieriger, und selbst einige Minuten des Betrachtens sagen mir, dass diese hier wirklich kompliziert ist. Die Sprache ist so archaisch, dass mir nicht viele Leute einfallen, die überhaupt wüssten, was sie damit anfangen sollten, und die Besten von ihnen könnten sie nicht einfach überfliegen und einem erklären, was da steht, nicht im Detail. Ich habe Lord Gleinleigh erzählt, dass ich zwei Tafeln pro Monat durcharbeiten kann. Ich hoffe nur, dass ich mein Wort halten kann. Wie also könnte er – ein Mann, der wahrscheinlich nicht einmal weiß, was ein Determinativ ist – auch nur anfangen vorauszusagen, welche Wirkung das hier haben wird?
Pah. Ich zäume den Drachen vom Schwanz auf. Lord Gleinleigh hat nur eine übersteigerte Meinung von sich selbst, also muss natürlich alles, was er findet, gewaltig wichtig sein.
Natürlich habe ich nichts davon zu Cora gesagt. Ich bin nicht so hirnrissig. Ich sagte nur: »Gut, wir werden sehen. Es wird viele Arbeitsstunden dauern, ehe wir irgendeine echte Ahnung haben, was hier steht.«
Dasselbe sagte ich erneut beim Abendessen heute Abend, um zu sehen, ob Lord Gleinleigh reagieren würde, aber das tat er nicht. Wir haben alleine gegessen, ohne Cora. Als ich fragte, warum, antwortete er nur, dass »sie nicht gerne in Gesellschaft speist«. Dann, während ihm Missbilligung aus jeder Pore strömte, sagte er: »Ich habe gehört, dass Sie den ganzen Nachmittag im Garten waren.«
Er dachte, ich drücke mich! Ich sagte: »Ja, weil ich heute mit dem Kopieren angefangen habe. Ich weiß nicht, warum, aber ich finde, dass natürliches Licht am besten dafür ist, mich die Inschrift deutlich sehen zu lassen – Lampen sind einfach nicht dasselbe.«
»Kopieren?«, wiederholte er.
Er versuchte nicht einmal, nicht misstrauisch zu klingen. Ich seufzte und erklärte in meinem diplomatischsten Tonfall: »Die Tafeln sind zwar zum größten Teil in einem guten Zustand, aber das werden sie nicht lange bleiben, wenn ich sie ständig anfasse. Es ist viel besser, mit einer Kopie zu arbeiten – einer exakten Zeichnung der Symbole, wie der Schreiber sie geschrieben hat – und das Original nur zu konsultieren, wenn ich denke, dass da vielleicht ein Fehler ist. Sobald das erledigt ist, werde ich den Text transkribieren …« Ich sah, dass ich ihn verloren hatte. »Die Laute in unserem Alphabet aufschreiben«, sagte ich. »Das sind notwendige Schritte, mein Lord, das versichere ich Ihnen. Fragen Sie jeden Übersetzer, und er wird Ihnen dasselbe erzählen.«
Lord Gleinleigh verwarf das mit einem kurzen Wink. »Nein, nein, ganz richtig. Ich stelle Ihre Methoden nicht infrage, Miss Camherst.« (Doch, das tat er … aber das stellte ich nicht heraus.)
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