Название: Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht
Автор: Marie Brennan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966583220
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Aber schließlich habe ich ihn überzeugt, und so kommt hier der langen Rede kurzer Sinn:
Der Hort besteht aus zweihunderteinundsiebzig Tafeln oder deren Fragmenten. Einige von diesen Fragmenten gehören wahrscheinlich zusammen. Es gibt zumindest drei Paare, bei denen ich mir sicher bin, aber deutlich mehr, die weiterer Untersuchungen bedürfen. Wenn ich raten müsste, liegt die endgültige Zahl näher an zweihundertdreißig.
Ihr Zustand ist höchst unterschiedlich, obwohl unklar ist, wie viel davon an einer schlecht gemachten Konservierung liegt. So viel muss ich ihm zugestehen. Gleinleigh war zumindest vernünftig genug, sich sofort darum zu kümmern, also sollten wir hoffentlich keine weiteren Schäden durch Salz sehen. Aber einige Tafeln sind ziemlich verwittert (das waren sie schon, bevor sie vergraben wurden, kann ich mir vorstellen), und manche sind an der Oberfläche stark abgebröckelt, was, wie ich befürchte, eine Entzifferung jener Abschnitte schwierig, wenn nicht unmöglich machen wird.
Was die Themen betrifft, gibt es eine ganze Reihe, und ich hatte nicht genug Zeit, um mir mehr als einen kurzen Überblick zu verschaffen. Einige Listen von Königinnen, manche, die in Kalkstein geritzt sind und wie königliche Dekrete aussehen, ziemlich viele, die wie völlig prosaische Steuerlisten erscheinen. (Manchmal glaube ich, dass die literarische Produktion der drakoneischen Zivilisation zu fünfzig Prozent, wenn nicht mehr, aus Steuerlisten besteht.)
Aber was den Rest angeht … Ja, die Gerüchte sind wahr, oder zumindest denke ich das. Vierzehn der Tafeln sind auf die gleiche Größe und Dicke behauen, und wie es aussieht, war die Hand desselben Schreibers bei ihnen an der Arbeit. Sie scheinen einen fortgesetzten Text zu bilden, der auffällig archaischen Eigenschaften der Sprache nach zu urteilen – sie ist mit obsoleten Zeichen durchzogen, die es zu einer ziemlichen Herausforderung machen, irgendetwas zu entziffern. Das Wenige, was ich auf den ersten Blick erkennen konnte, ist anscheinend eine Erzählung. Ob Lord Gleinleigh damit recht hat, es die »verlorene Geschichte der drakoneischen Zivilisation« zu nennen, kann ich ohne weitere Untersuchungen nicht sagen, aber es ist fraglos ein atemberaubender Fund.
Und bei einem solchen Mann völlig verschwendet.
Allerdings gibt es Hoffnung! Angesichts dessen, wie widerwillig Gleinleigh war, mich die Tafeln sehen zu lassen, dachte ich, ich müsste Monate damit verbringen, ihn zu überreden, sie übersetzen und veröffentlichen zu lassen. Aber offenbar ist ihm bewusst, dass sich in fünf Jahren niemand mehr darum scheren wird, was er gefunden hat, außer man weiß, was da steht, denn er schlug vor, sie zu übersetzen, bevor ich dies überhaupt ansprechen konnte. Noch dazu habe ich ihn überzeugt, dass die Würde seines uralten Namens verlangt, dass man diesen Tafeln die größtmögliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmet. Deine Gedanken schweifen schon in eine bestimmte Richtung, da bin ich sicher, aber ich möchte dich überraschen, indem ich dich zwei Generationen weiter lenke: Ich denke, wir sollten Audrey Camherst rekrutieren.
Meiner Meinung nach ist sie, was Kenntnisse in der drakoneischen Sprache angeht, ihrem Großvater locker ebenbürtig. Darüber hinaus hat sie den Vorteil ihres Geschlechts. Du hast selbst gesagt, dass Lord Gleinleigh jeden Mann, der in seine Nähe kommt, entweder als Untertan oder Bedrohung für sein eigenes Prestige betrachtet, was uns zu dieser Gelegenheit beides nicht gut dienen würde. Miss Camherst wird ihn, weil sie eine Frau ist, nicht zu solchen Überlegenheitsdarstellungen provozieren. Und wenn er doch versucht, mit seiner Bedeutung aufzutrumpfen – tja, Audrey kann den Namen ihrer Großmutter als Waffe und Schild gleichsam führen. Dadurch, dass die Aufmerksamkeit ihrer Familie sich derzeit darauf konzentriert, den Kongress in Falchester nächsten Winter vorzubereiten, bezweifle ich, dass ihr Großvater die Zeit und Sorgfalt aufbringen könnte, die diese Aufgabe verlangt, aber Audrey würde die Chance ergreifen.
Ich habe sie noch nicht bei Lord Gleinleigh empfohlen, weil ich denke, dass die Dame eine gewisse Warnung verdient, bevor ich ihn an ihrer Türschwelle auftauchen lasse. Aber wenn du kein starkes Gegenargument hast, habe ich vor, ihr so bald wie möglich zu schreiben. Die Welt lechzt danach zu sehen, was jene Tafeln zu sagen haben, und wir sollten sie nicht warten lassen.
Dein Freund
Simeon
Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst
4. Pluvis
Bin heute auf Lord Gleinleighs Landsitz angekommen, in einem sintflutartigen Platzregen, der mich im kurzen Intervall zwischen Motorwagen und Tür in einen begossenen Pudel verwandelt hat. Wäre nicht passiert, wenn sein Diener den gesunden Menschenverstand besäße, einen Regenschirm im Wagen zu haben. Schlechter Service? Oder Berechnung von Lord Gleinleighs Seite? Ich weiß, dass Simeon nicht glaubt, dass der Graf es für nötig halten wird, sich vor mir aufzuplustern, weil ich kein Mann bin, aber überzeugt bin ich nicht. Mein Eindruck, der zugegeben bisher auf einer kurzen Bekanntschaft basiert, ist, dass er überaus erfreut ist, dass die Enkelin von Lady Trent höchstpersönlich diesen ganzen Weg gekommen ist, um sich seine Tafeln anzusehen – aber nach dem, was Alan laut Simeon gesagt hat, kann ich mich nur fragen, ob er befürchtet, dass die Geschichten bald alle von mir statt von ihm handeln werden. Mich patschnass werden zu lassen, ist vielleicht seine Art, mich in die Schranken zu weisen.
Wenn in die Schranken gewiesen zu werden der Eintrittspreis ist, um die Tafeln zu sehen, werde ich ihn bezahlen. Nach dem, was ich über ihn höre, ist es Lord Gleinleighs übliche Gewohnheit, über seinen Fund zu wachen wie eine Drachenmutter, die ihre Eier ausbrütet. (Warum benutzen wir immer noch diese Analogie, obwohl Großmama klargestellt hat, dass die meisten von ihnen nicht brüten?) Es ist ein echtes Wunder, dass er begierig darauf ist, seinen neuen Fund veröffentlicht zu sehen, und ich kann nicht ganz darauf vertrauen, dass er es sich nicht anders überlegen wird. Falls er das tut … Tja, ich bin mir nicht zu fein dafür, Kopien meiner Papiere hinauszuschmuggeln und auf die Konsequenzen zu pfeifen. Papa wird mich schon rausboxen, da bin ich mir sicher. Dann kann ich für die Presse ganz tragisch und fest entschlossen aussehen, was sie mir aus der Hand fressen werden.
Lord Gleinleigh war schockiert, als er mich gesehen hat, und ich glaube nicht, dass es daran lag, wie durchnässt ich war. Die Leute neigen dazu, zu vergessen, wer meine Mutter ist, obwohl alles über unsere Familie Schlagzeilen macht. Sie erwarten, dass ich wie eine Scirländerin aussehe, und sind immer überrascht, wenn ich das nicht tue.
Aber er hatte sich schnell wieder im Griff, so viel gestehe ich ihm zu. »Miss Camherst«, sagte er mit der angemessenen Höflichkeit. »Willkommen auf Stokesley. Es tut mir leid, dass Ihre Reise so erschöpfend war.«
»Da draußen ist es wie im Monsun«, sagte ich, während ich stetig auf seinen Marmorboden triefte. »Aber das ist in Ordnung. Ich wäre die ganze Strecke hierher geschwommen, wenn das nötig gewesen wäre. Wann kann ich anfangen?«
Das schockierte ihn erneut. »Mit den … Mein liebes Fräulein, Sie sind gerade erst angekommen! Ich würde nicht davon träumen, Sie so bald an die Arbeit zu schicken.«
Es geht mir immer gegen den Strich, wenn mich jemand »Fräulein« nennt. Ich bin dreiundzwanzig und eine erwachsene Frau. Aber wahrscheinlich bleibe ich in aller Augen ein Fräulein, bis ich grauhaarig oder verheiratet bin. »Sie schicken mich nicht an die Arbeit«, sagte ich. »Das mache ich selbst. Wirklich, ich kann es nicht erwarten, die Tafeln zu sehen. Geben Sie mir nur ein Handtuch, um mich abzutrocknen …«
Natürlich verschwendete ich meinen Atem. Zuerst СКАЧАТЬ