Название: Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht
Автор: Marie Brennan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966583220
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Wirklich, ich hätte es kommen sehen sollen. Warum sonst wäre er so begierig, diese Tafeln von jemandem übersetzen zu lassen, wenn er seine Sammlungen bis jetzt verborgen hat, sodass nur er selbst und seine Freunde sie genießen können? Weil der Kongress nächsten Winter stattfindet. Alle werden dann über die Drakoneer nachdenken, weil deren Delegation hierherkommt und die Zukunft des Refugiums zur internationalen Debatte steht. Die Übersetzung wird wahrscheinlich schneller aus den Regalen gegriffen sein, als man sie hineinstellen kann.
Er hustete delikat. »Das wäre praktisch, ja.«
Ganz zu schweigen von profitabel. Bei der Art, wie er Geld für Antiquitäten ausgibt, würde man annehmen, dass er im Reichtum schwimmen muss, aber wie ich höre, haben heutzutage viele Hochadlige Schwierigkeiten, ihre Anwesen zu unterhalten. Vielleicht hat er sich verschuldet. Oder vielleicht will er einfach nur mehr Geld, um damit mehr Antiquitäten zu kaufen. So oder so, das wird er tun können, wenn diese Übersetzung rechtzeitig herauskommt – um nicht zu erwähnen, dass er berühmt sein wird.
Und ich auch.
Das sollte nicht das Erste sein, was mir durch den Kopf geht. Ich sollte mir mit diesem Text Zeit nehmen und sicherstellen, dass er erst veröffentlicht wird, wenn ich absolut überzeugt bin, dass ich das Beste abgeliefert habe, zu dem ich fähig bin – selbst wenn das bedeutet, dass er erst herauskommt, wenn ich vierzig bin. Ruhm bedeutet gar nichts, wenn die Leute später sagen: »Ach, Audrey Camherst? Meinst du diejenige, die vor einigen Jahren diesen traurigen kleinen Versuch einer Übersetzung geschrieben hat?«
Aber es ist so schwierig, wenn ich spüren kann, wie mich alle anschauen und darauf warten zu sehen, was ich tun werde. Nicht meine Familie natürlich. Wenn ich beschließen würde, mich in ein Häuschen auf dem Land zurückzuziehen und mein Leben damit zu verbringen, Rosen zu züchten – nicht einmal prämierte Rosen; mittelmäßige, von Blattläusen zerfressene –, würden sie mich umarmen und mir alles Gute wünschen. Es ist der Rest der Welt, der von mir erwartet, etwas Spektakuläres zu vollbringen, weil Papa das getan hat, und Mama, und Großpapa, und besonders Großmama. Wann werde ich mein Recht beweisen, neben ihnen zu stehen?
Ich muss überhaupt nichts beweisen.
Außer für mich selbst.
Und ich weiß, dass ich das hier schaffen kann. Wenn es bedeutet, lange Stunden zu arbeiten, um es rechtzeitig fertigzubringen … Tja, genau dafür gibt es Kaffee.
Aus dem Notizbuch von Cora Fitzarthur
Eine neue Frau ist nach Stokesley gekommen. Ich wusste, dass jemand zu Besuch kommen würde, aber Onkel hat mir davor nicht erzählt, dass sie monatelang hier wohnen wird, was sehr unangebracht von ihm ist. Die gute Nachricht ist, dass sie keinen kläffenden kleinen Hund hat, der überall Fell verliert, wie unser letzter Hausgast. (Der Hund hat natürlich das Fell verloren, nicht der Hausgast.) Ich habe Mrs. Hilleck gesagt, dass sie sie im lila Zimmer unterbringen und herausfinden soll, was sie gerne isst.
Ihr Name ist Audrey Isabxella Mahira Adiaratou Camherst. Sie ist dreiundzwanzig Jahre alt, und Onkel hat sie angestellt, um die Tafeln zu übersetzen. Ich habe gesehen, wie sie zum Abendessen gegangen ist, obwohl sie mich nicht gesehen hat.
Onkel sagt, es ist sehr wichtig zu wissen, zu welchen Leuten jemand gehört, also habe ich ihre Familie gestern Abend in Webbers Almanach über den Hochadel und andere illustre Persönlichkeiten von Scirland nachgeschlagen. Da steht, sie ist die Enkelin von Isabella Trent, geborene Hendemore, ehemalige Camherst, 1. Baroness Trent, die eine Drachenforscherin und sowohl sehr berühmt als auch sehr skandalös ist. (Der Almanach behauptet nicht, dass sie skandalös ist, aber so viel weiß ich selbst.) Audreys Großvater väterlicherseits war Jacob Camherst, zweiter Sohn eines Barons. Ihr Stiefgroßvater, falls das ein richtiges Wort ist, ist Suhail, Lord Trent, der Akhier und Archäologe und Linguist ist. Er ist auch berühmt, aber weniger, und nicht sehr skandalös. Ihr Vater ist der ehrenwerte Jacob Camherst, ein Ozeanograf. Ihre Mutter ist Kwenta Adiaratou Shamade aus der Talu-Union, eine Astronomin. Das erklärt, warum Audrey eine dunkelbraune Hautfarbe hat, abgesehen von ihrem Haar, das schwarz ist und wie eine Wolke aussieht, wenn sie es offen lässt. Ihre Großeltern mütterlicherseits stehen nicht im Almanach, wahrscheinlich weil sie weder Hochadlige noch Scirländer sind.
Ich weiß nicht, warum es wichtig ist, solche Dinge nachzuschlagen. Der Almanach hat keinen Eintrag, der mir verrät, ob sie die richtige Art von Leuten sind. Ich denke allerdings nicht, dass Onkel sie dafür hält.
Meine Anweisungen sind, Audrey auf jegliche Art zu helfen, die sie mir sagt (sogar wenn alles, worum sie mich bittet, ist, ihr einen Tee zu holen) und all ihre Briefe zu lesen, bevor sie in die Post gehen, und Onkel zu erzählen, wenn sie irgendjemandem irgendetwas über die Tafeln schreibt oder wenn sie irgendetwas Unhöfliches oder Verdächtiges über ihn sagt. Der Brief, den Audrey an das Tomphries-Museum geschrieben hat, verrät nur, dass sie hier angekommen ist und dass Lord Gleinleigh genau so ist, wie sie erwartet hat, was vielleicht gemein sein könnte, je nachdem, was sie erwartet hat, aber ich denke nicht, dass es das ist, was Onkel im Sinn hatte. Trotzdem, ich schätze, ich sollte es ihm erzählen, nur um sicherzugehen.
Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst
5. Pluvis
Lord Gleinleigh ist nicht beim Frühstück. Wie unhöflich von ihm! Der Hausdiener sagt, dass er nicht oft Frühstück einnimmt. Ich frage mich, ob er überhaupt schon wach ist? Er verbringt einen Großteil seiner Zeit auf dem Kontinent. Vielleicht hat er sich die kontinentale Gewohnheit zugelegt, lange wach zu bleiben. Ich habe mein Bestes getan, um so lange auszuschlafen, bis es die meisten Leute als zivilisierte Zeit erachtet hätten, aber nachdem ich so viel von meinem Leben mit Papa und Mama auf Schiffen verbracht habe, ist die Gewohnheit, bei Tagesanbruch aufzuwachen, schwer abzulegen.
Irgendjemand muss jedoch auf sein, ansonsten haben die Bediensteten etwas Essen gemopst, weil sie annahmen, dass niemand es essen würde. Wer sonst ist hier, frage ich mich?
Später
Gut, jetzt sind mehrere Fragen gleichzeitig beantwortet. Aber was ich von der Antwort halte, da bin ich mir noch nicht sicher.
Als ich mit dem Frühstück fertig war, ging ich direkt zur Bibliothek, wo, wie Lord Gleinleigh versprochen hatte, die Tafeln für mich ausgelegt sein würden. Ich war halb überzeugt, dass er vergessen hätte, das zu tun – oder vielleicht »vergessen« –, weil er sie mich sicher nicht sehen lassen konnte, ohne dass er anwesend wäre, um über seinen Trophäen zu thronen. Aber da waren sie, in einer ordentlichen Reihe auf einem Tuch ausgelegt, um den langen Tisch zu schützen, der die Mitte des Raums beherrscht. (Warum hat ein Mann, der sich so wenig um echte Gelehrsamkeit schert, eine so gewaltige und gut ausgestattete Bibliothek? Prestige, nehme ich an.)
Ich steckte mein Haar hoch und fing an, die Reihe zu untersuchen. Jener Raum braucht eine bessere Beleuchtung. Ich habe den Hausdiener bereits gebeten, mir eine Lampe mit einem ausreichend langen Kabel zu bringen, damit ich sie herumzerren kann, wie ich sie brauche. Für den Anfang allerdings musste ich eine der Tafeln zum Fenster tragen, damit ich sie deutlich sehen konnte.
Und dann stellte ich fest, dass ich grinste wie ein Affe, denn da stand ich, mit einem unbezahlbaren Schatz in meinen Händen! СКАЧАТЬ