Название: Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht
Автор: Marie Brennan
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783966583220
isbn:
»Das ist völlig irrational«, sagte Cora zornig. »Es muss so viele Möglichkeiten geben, die Bedeutung falsch herauszulesen.«
»Ja, aber allgemein wird einem nach einer Weile bewusst, dass man es tatsächlich falsch verstanden hat. Wir würden weniger Fehler machen, wenn wir die Sprache fließend sprechen würden, wie die Schreiber der Antike, aber natürlich müssen wir gleichzeitig auch den Wortschatz herausarbeiten. Wir sind seit dem Kataraktstein weit gekommen, wohlgemerkt – wir können jetzt ziemlich viel lesen. Aber es geht immer noch langsam.«
Ich glaube nicht, dass ich sie von irgendetwas überzeugt habe, obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht sicher bin, ob es irgendetwas gibt, von dem ich sie überzeugen könnte. Die drakoneische Schrift ist wirklich ziemlich irrational, wenn man sie sich ansieht. Aber es war das erste Mal, dass irgendjemand irgendwo auf der Welt die Schrift erfunden hatte, und wir können ihnen nicht vorwerfen, dass sie beim ersten Versuch keine sehr gute Arbeit geleistet haben.
Und wenn man darüber nachdenkt, haben sie ausreichend gute Arbeit geleistet, dass ihre Texte über Jahrtausende überlebt haben und wir sie heute immer noch lesen können – wenn auch mit sehr viel Mühe. Ich wäre glücklich, wenn irgendetwas, das ich tue, ein Tausendstel so lange überdauert!
In der einleitenden Anrufung stand etwas über einen männlichen Drakoneer, der als Erster »Sprache in Ton aufzeichnete«. Falls das hier eine mythische Erzählung ist, beschreibt sie vielleicht, wie die Schrift und andere Dinge geschaffen wurden. Ich frage mich, wie sehr die Geschichten denen ähneln werden, an die man sich heute erinnert?
Tafel II: »Die Schöpfungstafel«
Übersetzt von Audrey Camherst
Vor Städten, vor Feldern, vor Eisen, vor der Zeit kamen die drei zusammen, die drei namens Immer-Bewegt, Immer-Stehend und Licht der Welt, die drei namens Quelle des Windes, Ursprung von Allem und Schöpfer von Oben und Unten.
Gemeinsam schufen sie die Welt. Gemeinsam schufen sie Himmel und Erde, den Regen und die Flüsse und alles, was fliegt oder kriecht oder im Boden gräbt. Sie machten diese Dinge, aber sie waren immer noch einsam. Sie sagten zueinander: »Wen gibt es, der fähig ist, uns zu erkennen? Wer wird unsere Namen singen und uns preisen? Wer blickt auf das, was wir erschaffen haben, und erkennt dessen Schönheit?«
Also kamen sie am höchsten Punkt zusammen, an dem Ort, wo Immer-Stehend Immer-Bewegt trifft und das Licht der Welt herablächelt, an dem Ort, wo der Berg Rauch in den Himmel bläst1, an dem Ort, der Rauchfass des Himmels genannt wird. Die Quelle des Windes sprach zuerst: »Ich werde eine Kreatur schaffen, die die Pracht des Himmels kennt. Von hoch oben wird sie alles sehen. Sie wird auf das blicken, was wir erschaffen haben, und dessen Schönheit erkennen.«
Sie nahm den Wind und flocht ihn, viele Strähnen aus Brisen und Böen, mit Regen, um ihm Substanz zu verleihen, und setzte ihre Kreatur frei. Der erste issur2 stieg in den Himmel, und Immer-Bewegt war froh. Aus der Höhe sah ihre Kreatur alles und blickte auf das, was die drei erschaffen hatten.
Doch die Kreatur von Immer-Bewegt hatte einen Makel. Sie schaute, aber sie erkannte nicht. Sie kannte die drei nicht. Sie sang nicht ihre Namen und pries sie nicht. Obwohl sie eine Schönheit war, fehlte ihr die Fähigkeit, Schönheit zu erkennen. Ihr fehlte ein Verstand.
Und so sagte der Ursprung von Allem: »Ich werde etwas Besseres machen. Ich werde eine Kreatur formen, die die Fülle der Erde kennt. Vom Boden wird sie alles erfahren. Sie wird ergründen, was wir erschaffen haben, und dessen Schönheit schätzen.«
Er nahm die Erde und formte sie, Humus und Stein, mit den Wurzeln wachsender Dinge, die sie zusammenbanden, und ließ seine Kreatur frei. Der erste āmu3 lief über die Erde, und der Immer-Stehende war froh. Vom Boden aus erfasste er alles und erkundete, was die drei erschaffen hatten.
Aber die Kreatur des Immer-Stehenden hatte einen Makel. Sie erlebte, schätzte aber nicht. Sie erkannte die drei, doch in ihrer Arroganz sang sie nicht ihre Namen, pries sie nicht. Obwohl sie Verständnis besaß, fehlte ihr die Bescheidenheit, um die drei anzuerkennen.
Und so sagte das Licht der Welt: »Wir müssen etwas Besseres schaffen. Es muss die Schönheit des issur, den Verstand des āmu besitzen. Es muss kombinieren, was an beiden gut ist, und es muss besitzen, was jedem von ihnen fehlt. Ich kenne die Form, die es haben wird, aber um es zu schaffen, wie es sein soll, müssen wir uns alle drei am Werk beteiligen.«
Sie nahmen den Wind, sie nahmen die Erde. Sie schufen eine Kreatur mit den Schwingen des issur, den Augen des āmu. Aus Brisen und Gestein wurde sie gemacht, aus Regen und den Wurzeln wachsender Dinge. Der issur kam und hauchte sie als Segen an. Der āmu kam und vergoss als Geschenk sein Blut auf sie. Und zuletzt setzte der Schöpfer von Oben und Unten sein Licht auf deren Schöpfung, den göttlichen Funken, sodass sie die drei erkennen und ihnen Ehre erweisen würde.
Sie erwachte zum Leben. Sie sah sich um. Sie lief über die Erde und flog durch die Luft. Sie sah die Welt von oben und unten. Sie sang die Namen der drei und pries sie.
All dies geschah in der Zeit, bevor die Welt verändert wurde.
1Ich frage mich, ob dies ein bestimmter Berg ist? Ein Vulkan, möchte man annehmen.
Einer, den wir vielleicht identifizieren könnten? – AC
2Der Kontext lässt mich annehmen, dass sich dies auf Drachen beziehen muss, aber gewöhnlich würde man dafür umbarra schreiben. Also vielleicht nicht? Vielleicht etwas Mythisches? Oder das hier ist einfach ein älterer Ausdruck. – AC
3Wenn das erste Wort tatsächlich »Drache« ist, dann müsste dieses hier vermutlich Menschen bedeuten. Aber erneut ist es nicht das übliche Wort (das wäre lansin), deshalb bin ich nicht sicher. – AC
GEPLÜNDERTER TEMPEL ENTDECKT
Stätte in Seghayen bis aufs Gestein vernichtet Rouhani betrauert Zerstörung
»So viel Geschichte ist verloren«
Archäologen, die die Umgebung der Stadt Djedad in Seghayen erkunden, haben einen weiteren antiken drakoneischen Tempel gefunden, der in den gewachsenen Fels der Ghurib-Hügel gehauen ist – doch leider waren sie nicht die Ersten, die ihn entdeckt haben. Hormizd Rouhani, Leiter der Expedition, sagt, dass Plünderer die Stätte bereits verwüstet und unbekannte Reichtümer weggebracht hatten.
»Wir werden nie erfahren, was früher dort war«, schrieb Rouhani in einem Brief an die seghayische Kommission für Antiquitäten. »Zweifellos haben viele der Artefakte bereits ihren Weg auf den Schwarzmarkt gefunden, aber ohne ihren Kontext verlieren sie viel von ihrer Macht, uns von der Vergangenheit zu erzählen.«
Der Tempel ist von einem Typ, den man auch andernorts sieht, mit einer inneren Kammer, deren Decke einen Oculus enthält, eine Öffnung zum Himmel, die, wie Forscher glauben, in der Antike abgedeckt war. Während der Zeremonien sollen die Priester die Abdeckung im Schlüsselmoment abgenommen und dem Sonnenlicht erlaubt haben, in die Kammer zu scheinen. Ein Erdbeben in der Gegend hat die Abdeckung über dem Oculus einstürzen lassen, sodass, СКАЧАТЬ