Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl
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Читать онлайн книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl страница 19

СКАЧАТЬ Rechten vorbei, um Sebastian zu folgen. Hinter einem Vorhang versteckt verbarg sich ein zweiter Raum, ebenso klein wie der andere, doch er war beinahe leer. Nur ein einzelner Tisch stand in der Mitte. Selbst die Wände waren kahl, und die einzige Lichtquelle war eine altmodische Laterne, die von der Decke hing.

      Sebastian schlurfte zum Tisch. »Mr. Newman hat mir gesagt, dass Sie kommen würden. Hier, bitte sehr.«

      Erst jetzt sah Payne, dass sich eine flache Schachtel auf dem Tisch befand. Der Mann öffnete den Deckel und trat zur Seite, damit Payne sich den Inhalt ansehen konnte.

      »Ich dachte mir, Sie möchten etwas aus der Heimat. Colt Model 1873, Single Action Army, .45 Kaliber. The Peacemaker, wie ihr Amerikaner sie nennt.«

      Payne pfiff durch die Zähne und nahm den Revolver zur Hand. Er war schwer, aber perfekt ausbalanciert. Genauso eine Waffe hatte er als Pinkerton gehabt, sie jedoch während der Sache mit seinem ehemaligen Partner verloren. »Sie ist perfekt.«

      Sebastian schob eine Schachtel Munition über den Tisch. »Die kriegen Sie umsonst, weil Sie mir sympathisch sind.«

      Payne glaubte eine Spur englischen Humors herauszuhören, nahm die Patronen jedoch an sich. War doch eine gute Idee gewesen, sich zu waschen und neue Kleider zu besorgen, bevor er hierhergekommen war.

      Er drückte dem Mann ein paar Geldscheine in die Hand, bedankte sich und verließ den merkwürdigen Buchladen.

      Jetzt, wo er wusste, nach wem er suchte, war es ein Leichtes, die Agentur in Holborn zu finden. Diese Lydia Frost hatte eine Annonce im London Herald und in der Times geschaltet. Sie bezeichnete sich als eine Art Privatermittlerin, worüber Payne schmunzeln musste. Eine Diebin, die privat die Arbeit von Scotland Yard übernehmen wollte.

      Seit etwa zwei Stunden lehnte er auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der Hausmauer und gab vor, in einem Penny Dreadful zu lesen. Der matschige Schnee hatte seine Stiefel längst durchtränkt und ihm war kalt, doch deswegen gab er seinen Beobachtungsposten noch lange nicht auf. Die Arbeit eines Pinkertons bestand oftmals aus stundenlangem Beobachten und Abwarten.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung und richtete sich etwas auf. Ein Glöckchen bimmelte, als die Tür zum Lokal der Agentur aufging. Eine Frau, etwa in Paynes Alter, mit beinahe schwarzen Haaren und einem braungrünen Kleid, tauchte auf der Treppe auf. Ihr dunkler Mantel war schlicht und unauffällig. Sie schien in Eile zu sein.

      Payne löste sich von der Wand und zog den Hut tief in die Stirn. Er musste ihr folgen, wenn er etwas über den Russen herausfinden wollte. Er hatte die Vermutung, dass sie wichtig genug war, um direkten Kontakt zum Russen zu haben. Oder zumindest genug mächtige Freunde.

      »Miss Frost?«

      Payne blieb wie angewurzelt stehen, als er die Stimme hörte. Direkt vor ihm ging eine zierliche Frau über die Straße und sprach die Schlüsselmacherin an.

      Verdammt, was machte Cecilia hier?

      Payne warf sich in den nächstbesten Hauseingang und zog den Hut noch tiefer ins Gesicht. Seine Frau durfte ihn nicht sehen. Seine ganze Arbeit der vergangenen zwei Monate wäre umsonst gewesen, zudem würde er sie nur in Gefahr bringen. Und warum, zum Teufel, redete sie mit der Schlüsselmacherin?

      Payne beugte sich etwas vor, doch über den Lärm einer vorbeifahrenden Straßenbahn verstand er kein Wort von dem, was die beiden Frauen sprachen. Erleichtert sah er jedoch, dass das Gespräch nur sehr kurz war und Cecilia bereits wieder über die Straße ging.

      So sehr er sich auch danach sehnte, mit seiner Frau zu sprechen, die Schlüsselmacherin ging momentan vor. Er folgte ihr unauffällig durch das Viertel, bis sie durch die Tore des Britischen Museums schritt. Payne wollte nicht riskieren, sie im weitläufigen und verwinkelten Gebäude zwischen all den Besuchern zu verlieren, also beschloss er, draußen zu warten. Irgendwann musste sie ja wieder herauskommen.

      Und sie kam schneller, als er gedacht hatte. Er hatte sich gerade erst eine Zigarette angezündet, als er den Radau hinter sich hörte. Leute wurden unsanft zur Seite geschubst. Payne drehte sich verwundert um, dann rannte sie auch schon an ihm vorbei. Gleich darauf wurde er beinahe von vier Männern umgerannt, die offensichtlich hinter ihr her waren.

      »Verdammt«, knurrte er und zertrat die Zigarette unter dem Stiefel. Dann begann auch er zu rennen. Er durfte die Schlüsselmacherin nicht aus den Augen verlieren.

      Frost raffte ihre Röcke und rannte an der eisernen Umzäunung des Museumsgeländes entlang. Das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Hinter sich hörte sie ihre Verfolger.

      »Verzeihen Sie. Pardon. Aus dem Weg!«, murmelte Frost, als sie durch die Menschen hastete, die vor dem Museum über den Platz schlenderten. Auf der Straße bog sie nach links in die Montague Street ab. Beinahe wäre sie auf dem vereisten Gehweg ausgerutscht. Ihr Atem ging stoßweise, als sie den Russel Square erreichte.

      Sie konnte nicht ewig rennen, wurde ihr klar. Hastig warf sie einen Blick über die Schulter. Der Abstand zwischen ihr und den vier Männern verkleinerte sich gefährlich. Frost hatte keine Waffe dabei. Ihr Revolver lag in einer Schublade in ihrem Büro. Das Messer, das sie wie immer in ihrem Korsett versteckt hatte, würde ihr nicht viel nützen. Sie fluchte. Als ein Schuss knallte, fluchte sie erneut.

      »Das ist nicht mehr komisch«, presste sie zwischen den Zähnen hervor, als sie durch den Park sprintete. Ohne auf den dichten Verkehr zu achten, rannte sie über die Kreuzung. Ihr Blick blieb an einem Schild hängen, das an einem weinroten Gebäude etwa hundert Meter vor ihr befestigt war. Die Russel Square Tube Station.

      »Ach, verdammt.« Frost hasste die Tube, doch vielleicht gelang es ihr, im Untergrund ihre Verfolger abzuschütteln. Wenn sie Glück hatte, würde gerade ein Zug einfahren.

      Nach einem weiteren Blick über die Schultern – ja, sie waren immer noch da – schlängelte sie sich durch die Passanten. Im letzten Moment änderte sie die Richtung und sprang durch den Eingang der Station. Ihre Augen brauchten einen Moment, bis sie sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, doch sie hatte keine Zeit, sich richtig zu orientieren. Sie folgte ein paar Arbeitern, warf dem Ticketverkäufer einige Pennys hin – vermutlich viel zu viele, doch sie hatte keine Zeit, um Münzen zu zählen – und rannte die schmale Treppe hinunter in die Tiefe.

      Nur wenige Aetherlampen erhellten den Treppengang. Ihr Licht spiegelte sich in den ehemals weißen Kacheln, mit denen die Wände getäfelt waren. Schier endlos wand sich die Treppe nach unten. Frost hielt kurz inne, um nach Luft zu schnappen, als sie über sich Radau hörte. Sie wollte nicht herausfinden, was der Grund dafür war, auch wenn sie es sich denken konnte. Wieder raffte sie die Röcke und nahm zwei Stufen auf einmal.

      Frost schickte ein stummes Stoßgebet in den Himmel, als sie die untersten Stufen erreichte und den engen, düsteren Flur entlangrannte, der zur Plattform führte. Als sie das unmissverständliche Rattern und Dröhnen eines einfahrenden Zuges hörte, hätte sie beinahe vor Erleichterung aufgelacht.

      Die Luft hier unten war stickig und voller Rauch und Asche. Frost stülpte ihren Schal über Mund und Nase. Der Zug stand an der Plattform, die halb offenen Wagen gut besetzt mit Arbeitern und Gesindel. Frost rannte die letzten Meter und sprang in einen der mittleren Wagons. Gleich darauf kam von der Lokomotive ein Pfeifsignal, und der Zug fuhr ab. Als sich die Dunkelheit des Tunnels um sie schloss, setzte Frost sich ermattet auf eine freie Holzbank. Sie hatte es geschafft. Sie hatte ihre Verfolger abschütteln können.

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