Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl
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Читать онлайн книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl страница 17

СКАЧАТЬ die wiederum lange Reihen von alten und uralten Büchern enthielten. Hohe Leitern lehnten an ihnen. Hoch über Frost befand sich die mit reichem Stuck und Blattgold verzierte Decke, ausladende Kronleuchter an eisernen Ketten hüllten die Halle in ein warmes Aetherlicht.

      Frosts Absätze klackten auf dem Marmorboden, als sie die Mitte der Halle durchschritt. Zu beiden Seiten befanden sich Schreibpulte und Lesetische, an denen Gelehrte und Studenten saßen. Mehrere Servicedroiden rollten zwischen den Tischen und Regalen umher, die mechanischen Arme beladen mit dicken Büchern.

      An einem der Tische fand sie den Mann, den sie suchte. »Jonah!«

      Der etwas dickliche Mann schaute auf. Als er Frost auf sich zukommen sah, zuckte er zusammen und machte ein Geräusch, das sich wie das Quieken einer Maus anhörte. Hastig fing er an, seine Papiere zusammenzupacken und sah dabei aus, als wäre er am liebsten geflohen.

      »Hallo, Jonah«, sagte Frost noch einmal, diesmal lächelnd, und stellte sich dem Mann in den Weg. Er hatte mausgraue Haare und trug eine runde Brille auf der Nase, die ihm ständig herunterrutschte. »Ich wusste doch, dass ich Sie hier finde.«

      »Miss Frost!«, rief Jonah Neville aus und presste das Buch, das er soeben an sich genommen hatte, fest an seine Brust, als wollte er sich damit schützen. »Was für eine Überraschung, Sie hier zu sehen.« Seine Stimme bebte leicht.

      »In der Tat.« Frost legte den Kopf schief und musste schmunzeln. Jonah hatte immer noch Angst vor ihr. Sie musste die Sache behutsam angehen. »Viel zu tun?« Frost deutete mit dem Kinn auf die Papiere auf dem Tisch.

      Neville nickte nervös. »Äh, ja, ja, neue Schriftstücke von Königin Elisabeth I. wurden entdeckt. Ich prüfe sie auf ihre Echtheit.« Er warf Frost einen schnellen Blick zu. »Darf ich fragen, was Sie hier machen, Miss Frost?«

      »Ich glaube, ich habe etwas, das Sie sehr interessieren dürfte.«

      Neville wich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Ich habe sehr viel zu tun, Miss Frost. Ich habe leider keine Zeit für Ihre …«

      »Es ist ein altes Manuskript aus Tibet.« Frost ließ die Worte kurz wirken. Neville hielt inne und senkte das Buch ein kleines bisschen. Sie hatte ihn an der Angel.

      »Wie alt?«

      »Sehr alt, glaube ich. Aber ich bin keine Expertin, was solche Sachen angeht.«

      Neville befeuchtete sich die Lippen. »Darf ich es sehen?«

      Innerlich triumphierend holte Frost den Folianten aus ihrer Umhängetasche, legte ihn auf den Tisch und löste behutsam die Stofflappen, in die sie ihn gewickelt hatte. Neville pfiff leise durch die Zähne und legte sein Buch beiseite. Er rückte seine Brille zurecht und beugte sich über den Folianten.

      »Tibetisch, in der Tat. Jedenfalls die Zeichnung auf dem Umschlag. Darf ich?«, fragte Neville und schlug das Buch mit den Fingerspitzen vorsichtig auf, als Frost nickte. »Oh«, sagte er nach einer Weile und mehrmaligem Umblättern.

      »Was, oh?«

      »Dies ist keineswegs ein tibetisches Manuskript, Miss Frost«, sagte Neville und richtete sich auf. »Dieses Buch stammt aus der Song-Dynastie, wenn ich mich nicht irre.«

      Frost hob überrascht die Augenbrauen. Damit hätte sie nicht gerechnet. Auf dem Umschlag befanden sich eindeutig tibetische Kaligraphie und eine Zeichnung nach tibetischer Art. Die Song-Dynastie, 960 bis 1279, Blütezeit der chinesischen Klassik. Abgelöst von der Yuan-Dynastie mit Kubilay Khan. Frosts Gedanken begannen zu kreisen.

      »Und ich habe mich schon gewundert, warum Madame Yueh ein tibetisches Buch besitzt«, murmelte sie und starrte auf die kunstvoll bedruckten Seiten. Die Yueh-Familie waren Han-Chinesen durch und durch. »Aber warum hat es einen tibetischen Einband?«

      Neville zuckte zusammen und gab wieder ein Mäusequieken von sich. »Haben Sie gerade Madame Yueh gesagt? Die Madame Yueh? Die Seven Dragons?«, zischte er ängstlich und starrte Frost mit weit aufgerissenen Augen an. Frost nickte, worauf Neville wieder in hastige Eile verfiel. »Damit will ich nichts zu tun haben, Miss Frost! Warum haben Sie dieses Buch zu mir gebracht? Ich will wahrlich nichts damit zu tun haben!«

      »Jonah, so beruhigen Sie sich doch«, versuchte es Frost, doch er schien ihr nicht zuzuhören. Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Muss ich Sie daran erinnern, dass Sie mir einen Gefallen schulden? Ich habe Ihren Arsch gerettet«, sagte sie eindringlich.

      Einige andere Besucher und Gelehrte in der Bibliothek hoben die Köpfe und schauten missbilligend zu Frost und Neville. Dieser ließ nervös den Blick schweifen. »Das sagen Sie jedes Mal, wenn Sie etwas von mir verlangen, Miss Frost!«

      Das stimmte. Frost verzog den Mundwinkel zu einem schiefen Schmunzeln, während sie Neville musterte. Vor ein paar Jahren hatte sie dafür gesorgt, dass er von Scotland Yard als Zeuge gegen die Organisation fallen gelassen wurde. Neville war zur dümmsten Zeit am für ihn unglücklichsten Ort gewesen und hatte gesehen, wie eine Ladung Opium angeliefert wurde. Oder hatte zumindest geglaubt, dies gesehen zu haben. In jener Nacht war es sehr neblig gewesen. Zu seinem Glück hatte nur Frost sein Gesicht deutlich erkannt, als er weggerannt war. Und als Frost herausgefunden hatte, dass er ein harmloser Bücherwurm und Professor war, hatte sie einen Deal mit ihm vereinbart. Er zog seine Aussage bei der Polizei zurück, und sie half ihm dabei, die Organisation von ihm abzulenken. Hätte sie das nicht gemacht, wäre Neville nicht lange am Leben geblieben. Die Organisation verwischte gerne alle ihre Spuren.

      »Tatsächlich? Das tut mir leid. Ja, das Buch gehört Madame Yueh. Sie hat mich gebeten, es von einem Experten untersuchen zu lassen, weil sie es restaurieren lassen will«, log sie kurzerhand. »Für die Versicherung, Sie verstehen.«

      »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Miss Frost?« Neville brachte ein nervöses Lachen zustande. »Ich würde es mir gerne noch einmal anschauen.«

      Frost trat vom Tisch zurück und verschränkte zufrieden die Arme unter der Brust. Na bitte, geht doch. »Wenn der Foliant aus der Song-Dynastie stammt«, fragte sie, »warum hat er dann einen tibetischen Einband? Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«

      »Eine interessante Frage, Miss Frost, sehr interessant.« Neville war wieder dabei, sich die einzelnen Buchseiten genau anzusehen und berührte dabei mit der Nasenspitze fast das alte Papier. »Ich bin Experte für Alt-Englisch und Angelsächsisch. Latein, Alt-Griechisch und Hebräisch. Ich kann diese chinesischen Zeichen leider nicht entziffern.«

      Frost kniff die Lippen zusammen. Sie hatte versucht, im Buch zu lesen, aber entweder war die Schrift zu alt und die Zeichen hatten sich in den letzten sechshundert Jahren verändert – sie konnte einzelne Zeichen lesen, ja, aber sie standen in keinerlei Zusammenhang mit dem Rest –, oder der Text war in einer Art Code verfasst.

      Nachdenklich ließ sie den Blick durch die Halle schweifen. Als sich ihr Blick mit dem eines asiatischen Mannes traf, begannen ihre Alarmglocken zu schrillen. Einen Tisch weiter saß noch einer. Zwei weitere Chinesen gingen langsam an den Regalen entlang und gaben vor, nach einem Buch zu suchen.

      Ein ungutes Gefühl knotete sich in ihrem Magen zusammen. Waren die Männer ihr etwa gefolgt? Hatte Madame Yueh sie geschickt, um den Folianten an sich zu bringen? Vielleicht hatte Michael ihre Lüge doch durchschaut. Eines jedoch war sicher – sie musste von hier verschwinden.

      »Was schätzen Sie, Jonah, ist es wertvoll?«, fragte sie und gab sich betont unbekümmert.

      Neville СКАЧАТЬ