Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold
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Название: Ein Kerl wie Samt und Seide

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711726945

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СКАЧАТЬ in die Unterlippe, bis sie platzte und blutete; er spürte es nicht. Er bekam keine Luft mehr und fürchtete, zu ersticken. Langsam wurde er mit dem Anfall fertig.

      »Machoff sagte, es sei auch für ihn gewagt, einzugreifen, und ein Risiko erfordere eine Gegenleistung. Dann wurde er konkret und gab mir eine Stunde Zeit zur Entscheidung –«

      »Und du hast es getan?« sagte Maletta mit kenternder Stimme: »Du, ausgerechnet du?«

      »Ich wollte dich retten«, sagte Lisa leise.

      »Mein Gott«, erwiderte er.

      Er nahm ihre Hand, preßte sie, bis es schmerzte, aber Lisa gab keinen Laut von sich.

      Maletta sprang auf, zündete sich eine Zigarette an. Im Feuerschein des Streichholzes war sein Gesicht glutrot. »Ich zahle es ihm heim«, sagte er. »Ich schwöre: Alles zahle ich ihm heim. Alles, was er dir, mir, Olga, Nadine, Sybille, Dena und Bruno Plaschke angetan hat.«

      »Ist das denn noch so wichtig, Peter?« fragte sie. »Wir haben überlebt – und nur das zählt. Wenn wir uns mit der Erinnerung herumschlagen, quält uns Machoff bloß weiter.«

      »Vielleicht gelingt es mir wieder einmal, nachts zu schlafen. Womöglich kann ich wieder einmal richtig lachen. Vielleicht schmeckt mir das Essen wieder, und ich brauche nicht mehr den dummen Snob zu spielen. Es kann auch sein, daß mir das Trinken wieder Spaß macht, weil ich dabei nicht mehr die Vergangenheit ertränken muß.« Maletta zog Lisa an sich. »Vielleicht kommt auch einmal wieder die Situation, da ich eine Frau begehre«, sagte er. »Aber zuvor heißt es Tabula rasa. Es ist die Voraussetzung, daß ich wieder atmen, daß ich weiterleben kann.«

      »Mach’ von mir aus ihn kaputt«, sagte Lisa, »aber bitte nicht dich.« Sie streichelte seine Stirn. Es war Zärtlichkeit ohne Sinnlichkeit. Sie fuhr mit den Fingern über seinen Mund, spürte die Feuchtigkeit.

      »Du weinst doch nicht?« fragte sie.

      »Nein«, antwortete Maletta. »Ich weine nicht.«

      Er machte Licht, um sich den Mund abzuwischen.

      Lisa sah, daß es Blut war.

      Sie legten sich wieder hin und versuchten voreinander zu verbergen, daß sie nicht schlafen konnten, sondern die Sekunden, Minuten und Turmuhrschläge zählten.

      »The alarm is over«, rief First-Lieutenant Teddy Pepper durch Haus und Garten, als Major Tajana und seine reizvolle und gefährliche Begleiterin Judy enlihch gegangen waren. »The party goes on!« brüllte er weiter. »And now«, verfiel er in ein ulkiges Deutsch: »Ringelpietz mit Anfassen!«

      »Schrei’ nicht so laut, Teddy-Boy«, rief Doc MacKinley lachend, »sonst kommen die noch einmal zurück.«

      Der Aufreißer schüttelte sich: »Dieser Major Tajana hat uns glatt um zwei Stunden zurückgeworfen.« Er wandte sich dem kurzbeinigen und kurzatmigen Chef des Mammut-Areals zu: »Mach’ die Schotten dicht, Stubby, damit wir nicht noch andere Überraschungen erleben.«

      Der First-Lieutenant ging ans Telefon, um weitere ›Tahitianerinnen‹ zu beschaffen. Während er noch verhandelte, kamen die in den Blauen Salon verbannten Gespielinnen im Gänsemarsch nach unten; voran die blonde Sissy, dann die Kurven-Lilly, gefolgt von der flammend roten Betsy und der schüchternen Daisy. Alle überragend Sandwich, blankpoliert, als hätte sie die Zeit des Exils im ersten Stock dazu benutzt, sich ununterbrochen zu schrubben.

      Major Silversmith nahm mit den Augen Maß bei der Masuren-Tochter, er schob die Icewater-Karaffe beiseite und kroch unter dem Baumschatten der üppigen Roßkastanie hervor, wie der Drachen, der Jungfrauen verspeist, aber er war kein feuerspeiendes Monster, und das Sandwich schon gar keine Jungfrau, sondern eine für zwei, die so viele Blicke auf sich zog, als wäre sie eine für alle.

      Der Hausherr drehte die Lautsprecher auf. Die Neger-Ordonnanzen füllten, ziemlich unnötig, die Gläser nach, und Stubby sah nicht mehr aus wie ein Seekranker an der Reling und auch nicht mehr wie ein gerade noch einmal entkommener Taschendieb. Sein Gesicht war wieder in der Farbe der Baccara-Rose erblüht; der Doc schätzte seinen Blutdruck auf mindestens 200 zu 130, bei ansteigender Tendenz, systolisch wie diastolisch.

      Die ersten Paare vollbrachten auf dem Teppich Bocksprünge der Lebenslust. Die Tänze hatten sich geändert wie die Namen der deutschen Mädchen: Man stellte sich nicht mehr zu Marschfox oder langsamem Walzer auf, sondern zu Jitterbug und Bebop. Der American way of Life hatte in Germany schon im ersten Anlauf einen riesigen Brückenkopf gebildet.

      Major Silversmith holte sich bei der Aufforderung zum Tanz bei Sandwich eine Abfuhr, ertrug sie aber gelassen und blieb auf der Lauer, ein Rüde im Rudel, der trotz der Hoffnungslosigkeit des Unterfangens treu zu seiner Brunft steht. Doc MacKinley hatte die Szene verfolgt und grinste genüßlich; er ahnte ein Fiasko, denn die kolossale Ostpreußin, dieses weizenblonde Edelgewächs, war zwar vielseitig, doch auch geschmäcklerisch.

      Charly dirigierte nicht mehr fachmännisch seine farbigen, wenn auch alliierten Hilfskräfte; er saß im intimen Gespräch mit Captain Miller in einer Sofaecke; es sah aus, als tauschten zwei mit allen Wassern gewaschene Börsenjobber hochkarätige Tips aus und begaunerten sich dabei gegenseitig. Der Findling aus Berlin, glücklich an der Isar gestrandet, hatte es in kurzer Zeit recht weit gebracht. Seine Förderer unter den Alabama-Offizieren waren beim deutschen Wohnungsamt erfolgreich dafür eingetreten, daß Charly das Siedlungshäuschen eines schwerbelasteten Parteigenossen zugesprochen wurde.

      Langsam verlagerte sich die Garten-Party in das Innere des Hauses. Wiederum gingen einige Gäste, unter ihnen First-Lieutenant King mit Iris, die er in einem unbewachten Moment seinem Rivalen Sears entführte. Captain Wallner stellte fest, daß seine Begleiterin Gesine auch bei anderen Männern Anklang fand, sogar im Cocktailkleid und ohne BDM-Röckchen. Wenn sie von anderen Offizieren umlagert war, nahm er sie bei der Hand und zog sie einfach weg, zugleich beleidigt wie stolz, mißtrauisch und befriedigt – James Wallner gehörte zu den Verwundeten einer Zeit, die den Teufel im Leib hatte.

      Die von Teddy-Boy herbeigerufene Verstärkung erschien. Die männlichen Partygäste zog es an den Eingang wie damals die Männer von San Francisco in die Hafenbucht: Sie stellten mit Befriedigung fest, daß der First-Lieutenant wieder einmal das richtige Gespür gehabt hatte – die Anlandung erfreute, auch wenn sie den Männerüberschuß nicht ausgleichen konnte.

      Die Mädchen waren nicht alle käuflich, wenn auch vielleicht zu haben. Daß sie von heldischen Zeiten bedient waren, bedeutete noch nicht, daß sie sich rücksichtslos an die Fettlebe hielten. Sie hatten nur die selbstgestrickten Wollstrümpfe satt und auch die linksgewebten, schwarzgehandelten Baumwollprodukte ›Made in Germany‹. Der Slogan: »Die deutsche Frau raucht nicht«, hing ihnen ebenso zum Hals heraus wie die Holzpantinen, der Muckefuck und der Kunsthonig. Sie wollten keine Panzersperren mehr bauen und auch an keinen Flakgeschützen mehr stehen, und das Himmler-Angebot, dem Führer – zwecks Ausgleich des Blutverlustes – ein Lebensborn-Kind zu schenken, fanden sie so lächerlich wie den Zwicker des zur Hölle gefahrenen Reichsführers SS. Mochte man sie für Amizonen, für Nutznießerinnen der Besatzungszeit halten, jedenfalls waren sie auch Vorbotinnen der Vorurteilslosigkeit, und dabei meist ehrlicher als ihre Eltern.

      Die deutsche Frau raucht nicht?

      Sie smokte CAMEL, Chesterfield und Luckystrike, als bliese sie den Einpeitschern des braunen Reinheitsgebots den Rauch ins Gesicht, und ihre Männer, Väter und Brüder warteten auf die Kippen.

      Doc MacKinley hatte sich bislang eher als Kundenbetreuer, denn als Partyteilnehmer СКАЧАТЬ