Название: Ein Kerl wie Samt und Seide
Автор: Will Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711726945
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»Aber einen Schnaps trinken wir doch zusammen.«
»Auch nicht so gerne«, wehrte sie ab. »Oder haben wir das nötig?«
»Du sicher nicht«, erwiderte Maletta grinsend, »aber vielleicht ich.« Er schenkte sich einen halben Bourbon ein, nippte dann aber nur am Glas. »Ich bin der deutsche Fahrer des US-Captains Freetown«, erklärte er dann. »Wie du siehst, habe ich es ziemlich weit gebracht.«
»Ich auch«, ging sie auf seinen Ton ein. »Ich arbeite jetzt als Sekretärin, und manchmal läßt man mich sogar kleine Nachrichten selbständig formulieren. Nicht viel, aber immerhin.«
»Ganz schöne Karriere für eine gelernte Granatendreherin aus dem Arbeitslager«, erwiderte Maletta.
»Das weißt du?«
»Ich weiß einiges«, antwortete er. »Übrigens habe ich auch deinen Vater aufgespürt.«
»Ich habe keinen Vater mehr«, entgegnete Lisa.
»Das beruht auf Gegenseitigkeit«, versetzte Maletta. »Er hat mir gesagt, daß er seine Tochter nicht mehr kennt.«
»Dann ist ja alles bestens geregelt«, antwortete die junge Frau mit einem unlauteren Lächeln.
Die Ehe ihrer Eltern war zerrüttet gewesen; das kommt häufig vor, und daraus zieht man normalerweise die Konsequenzen, aber der Hoheitsträger und Günstling des NS-Staates hatte gefürchtet, eine Scheidung könnte seine Karriere schädigen – die Moral der Mörder war auch eine Moral der Spießer. Horst Schöller hatte, mit einer anderen Frau zusammenlebend, Lisas herzkranke Mutter bis zuletzt drangsaliert. Nach der Denunziation von Lisas Freund hatte sie sein Haus für immer verlassen und war kurze Zeit später gestorben.
»Könnte ich jetzt vielleicht doch einen kleinen Schnaps haben«, fragte sie.
Maletta goß ihr einen Bourbon ein.
»Du weißt ja schon von damals, daß ich mit dem Vize-Stabschef nie mehr etwas zu tun haben wollte und – zu diesem Zeitpunkt hatte er seine letzte Gemeinheit noch längst nicht abgezogen.«
»Ja«, erwiderte Maletta. »Wir haben oft über ihn gesprochen und du hast mir viel erzählt.« Er sah sie an. »Leider haben wir nie darüber gesprochen, daß er Günter Machoff kannte, und zwar sehr gut.«
»Der Vizechef kannte mehrere Männer vom Reichssicherheitshauptamt«, entgegnete Lisa. »Er war ja selbst auch SS-Sturmbannführer. Von dieser Sorte sind bei uns so viele verkehrt, daß ich die Namen wirklich nicht alle behalten konnte. Machoff war nur einer von vielen. Und ich wußte ja nicht, daß du schon einmal einen Schlagabtausch mit diesem Schwein gehabt hattest.«
»Und ob«, erwiderte Maletta. »In gewisser Hinsicht war ich sogar daran schuld, daß er noch lebte.« Sein Mund platzte auseinander. »Komisch, was?«
»Allerdings«, sagte die Besucherin.
In diesem Moment heulten die Sirenen.
Es war die Vorwarnung für ›Curfew‹, die Sperrstunde. Eine Viertelstunde später würde ein zweites Signal verkünden, daß sich kein Deutscher mehr auf der von der US-Militärpolizei kontrolherten Straße aufhalten dürfe.
»Wenn du willst, fahr’ ich dich schnell nach Hause«, bot Maletta an.
»Das schaffst du nie«, entgegnete Lisa. »Ich wohne ganz weit draußen im Münchener Osten.« Sie sah ihn an: »Du hast dich nicht sehr verändert, Peter.«
»Meinst du?«
Lisa sah ihn an: Immer noch diese Prachtzähne, diese Prachtaugen, diese Prachthände, die gleichermaßen virtuos ein Flugzeug durch den Sturm zwingen oder eine Frau streicheln konnten. Lisa hatte beides erlebt, den Gewitterflug und die Liebesnacht. Peter war ein Mann gewesen und ein Filou, ein Freund und ein Verführer, und dabei ein verdammt guter Liebhaber, wiewohl Lisa wenig Erfahrungen mit Liebhabern gehabt hatte. Er hatte sie mit Geduld, Zärtlichkeit und Finessen in die Zweierbeziehung eingeführt und dabei gleichviel gegeben wie genommen. Ein Kerl wie Samt und Seide – hatte sie ihn einmal liebevoll charakterisiert.
»Du mußt etwas wissen, Peter«, sagte sie, »ich bin mit einem Mann liiert; ich mag ihn und er mag mich.«
Maletta nickte, ohne enttäuscht zu sein.
Die Sirene heulte zum zweiten Mal und das bedeutete, daß Lisa heute über Nacht hier festgehalten wäre.
»So, Kleine«, sagte er, sie erstmals wie früher nennend, »nun folgt der erfreulichere Teil des Abends.« Über Zutaten verfügte er reichlich, und er war ein begabter Amateurkoch. Maletta nahm die Steaks aus dem Kühlschrank und ließ die Pfanne mit Butter langsam warm werden.
»Soll ich dir nicht helfen?« fragte Lisa.
»Nein«, versetzte er. »Prinzessinnen werden verwöhnt.« Er lachte spöttisch: »Auch wenn sie aus einer Munitionsfabrik kommen.«
»Oder aus einem Arbeitslager«, ergänzte Lisa.
Sie waren wieder beim Thema; sie kamen nicht davon los, so sehr sie es auch wollten. Nicht an diesem Abend, vielleicht morgen – vielleicht nie in ihrem Leben.
»Bleib sitzen«, sagte Maletta, als Lisa den Tisch decken wollte. »Hast du diesen Machoff im Hause deines Vaters nur einmal gesehen, oder öfter?«
»Öfter«, antwortete die junge Frau. »Zuletzt so oft, daß ich dachte, der kleine Bormann und Günter Machoff hätten eine Leiche miteinander im Keller. Aber der Vize-Stabschef der Gauleitung München-Oberbayern hatte wohl mit vielen ›Goldfasanen‹ seine Kellerleichen.«
Der Amateurkoch wendete die Steaks. »Paß mal einen Moment auf, daß nichts anbrennt, Lisa«, sagte er. »Ich muß nur mal schnell in den Keller.« Er ging, um eine Flasche Wein zu holen. »Rares Gewächs«, sagte er beim Zurückkommen und las das Etikett vor. »Ein Kabinettwein.«
Er öffnete die flüssige Rarität, roch am Korken, goß einen kleinen Probeschluck ein, kostete die Blume, wie damals in einem der vielen Luftwaffen-Casinos, wo der Chef des Zirkus Maletta mit seiner Truppe stets ein willkommener Gast gewesen war. »Ein wirklich köstlicher Mosel«, stellte er fest, als käme es jetzt darauf an, den unzeitgemäßen Snob zu spielen.
Sie lachten beide, rückten ein wenig näher, ohne sich nahe zu kommen. Die Entfremdung schwand. Sie wirkten nicht mehr verkrampft, auch nicht wie ein Ex-Liebespaar, sondern eher wie Hänsel und Gretel. Sie konnten ein normales Tischgespräch führen über Wichtiges und Belangloses.
»Was ist das für ein Mann, mit dem du zusammen bist?« fragte Maletta beim Abräumen.
»So ziemlich das genaue Gegenteil von dir – bitte nicht böse sein. Er heißt Harry«, erklärte sie, »Zivilamerikaner, dreiunddreißig, ein netter Kerl, nicht sehr aufregend und auch nicht besonders begütert. Aber gemessen an uns Hungerleidern ist zur Zeit wohl jeder Ami ein Nabob.« Lisa lächelte. »Vermutlich gefällt er dir.«
»Auch wenn Harry nur ein halber Krösus ist, verstehe ich nicht ganz, warum du zu viert in einem nassen Keller hausen mußt«, erwiderte er.
»Er auch nicht«, entgegnete die junge Frau lachend. Ihr feines Lächeln wurde wirklicher: »Es ist der ständige Streitpunkt СКАЧАТЬ