Ein Kerl wie Samt und Seide. Will Berthold
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Название: Ein Kerl wie Samt und Seide

Автор: Will Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711726945

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СКАЧАТЬ eigenen Verhältnissen leben.«

      »Das ist absurd, Lisa, und übertrieben«, versetzte Maletta. »Und richtig unklug.«

      »Ich will gar nicht klug sein«, entgegnete sie. »Ich möchte zur Ruhe kommen und glücklich werden – falls es auf dieser Erde noch möglich sein sollte.«

      »Du bist päpstlicher als der Papst.«

      »Keineswegs«, versetzte Lisa. »Ich weiß, was ich tue. Wenn ich mich mit Chocolate, K-Rations und Cigarettes beschenken ließe, würden sich die Gewichte verschieben und kleine Mißverständnisse, Schlampereien und Gewohnheiten einreißen. Auch wenn Harry dagegen Sturm läuft, fühlt er doch, was ich ihm biete: Ich verkaufe mich nicht, er bekommt mich gratis, weil ich ihn mag, und solange ich ihn mag.«

      »Einverstanden«, erwiderte Maletta. Er stellte das Radio an. Eine weiche Melodie erfüllte den Raum, und er spürte einen Stich der Erinnerung; er drehte etwas lauter und versuchte, die Kurve elegant zu nehmen, Worte suchend, die er nicht fand. Er ärgerte sich über seine Plumpheit, als er sagte: »Du kannst meine Couch haben, Lisa. Ich werde mir am Fußboden ein Behelfslager richten.«

      »Warum?« fragte sie. »Die Couch ist breit genug für uns beide.«

      »Und was sagst du morgen Harry?«

      »Die Wahrheit«, antwortete die junge Frau. »Wie sie auch aussehen mag.«

      »Und du weißt schon, wie sie aussehen wird?«

      »Allerdings«, entgegnete sie. »Und du, fürchte ich, auch.«

      »Und das glaubt dir dann Harry?«

      »Das glaubt er mir«, versicherte Lisa. »Weil ich keine Zigaretten, keine Pralinen und keine Nylonstrümpfe von ihm nehme.«

      »Trotzdem«, erwiderte Maletta. »Wenn er dir glaubt, muß er dich sehr liebhaben – oder ein großer Trottel sein.«

      »Such’ dir das Bessere aus«, versetzte Lisa. Sie zog ihre Lippen nach. »Dieses Geschenk habe ich übrigens angenommen«, gestand sie, deutete auf das Rouge aus Paris und wirkte dabei einen Moment lang so keck wie früher: »Siehst du, ich bin doch nicht päpstlicher als der Papst.«

      Dann lagen sie nebeneinander. Das Radio war ausgeschaltet, das Licht gelöscht. Der Abend brachte eine leichte Abkühlung und sanftes Mondlicht. Die Grillen zirpten, und die Nachtfalter drehten sich im Liebesreigen. Maletta spürte nicht den Zauber einer Sommernacht, und Lisa merkte, daß er an der Frage herumkaute, der sie schon einmal ausgewichen war.

      »Schläfst du schon?« fragte er.

      »Nein.«

      »Wann hast du Machoff zum letzten Mal gesehen. Weißt du das noch?«

      »Im April vierundvierzig«, antwortete Lisa. »Es kann auch ein bißchen früher oder auch später gewesen sein.«

      »Und Ramloch, sein Mädchen für alles?«

      »Dem Hauptsturmführer bin ich nach meiner Verhaftung nur einmal begegnet.«

      »Und was weißt du von den anderen?« fragte Maletta weiter: »Von Bruno, Olga, von Sybille, Nadine und –«

      »Nicht viel«, wiederholte sich Lisa. »Aber doch einiges«, setzte sie hinzu. »Meistens vom Hörensagen: Wir wurden damals alle verhaftet und mit der Zeit auseinandergerissen, das heißt«, berichtigte sie sich, »Olga kam ihrer Mutter wegen sofort ins Frauen-KZ nach Ravensbrück, Nadine als Zigeunerin ebenfalls.«

      »Und?«

      »Vielleicht hätte Olga überlebt, aber sie hatte nicht mehr die Kraft dazu. Sie rannte schon bald nach ihrer Einlieferung gegen den elektrischen Drahtzaun und schmorte zu einem Klumpen zusammen.«

      »Woher weißt du das?« fuhr Maletta hoch.

      »Das hat mir dieser Machoff ein paar Wochen nach meiner Festnahme erzählt.«

      »Er ist nach ein paar Wochen noch einmal bei euch im Gefängnis aufgetaucht?«

      »Was heißt aufgetaucht«, entgegnete Lisa, »er hat von vornherein seine eigene Giftsuppe gekocht. Oder meinst du«, sagte sie langsam, »ein Schwein seines Kalibers läßt fünf hübsche Mädchen, die in seine Hände gegeben sind, aus den Klauen?«

      Lisa hörte, wie schwer der Mann an ihrer Seite atmete und brach einen Moment ab.

      »Er hat euch – hat er euch – erpreßt?« fragte Maletta.

      Es hörte sich an, als riebe sich seine Zunge an den Zähnen.

      »Erpreßt?« wiederholte Lisa, »was für ein schöner Ausdruck. Das nächste Opfer war Sybille«, berichtete sie weiter. »Du weißt ja, sie und Bruno, unser erstes Liebespaar. Aber niemand von uns wußte – auch Bruno nicht –, daß sie ein Kind erwartete und schon im dritten Monat schwanger war.« Lisas Stimme bekam einen schrillen Klang, der nicht zu ihr paßte: »Machoff erpreßte sie. Soll ich aufhören, Peter?«

      »Nein«, erwiderte er. »Ich muß alles wissen.« Er sah sie gequält an. »Es muß sein.«

      »Gut«, versetzte Lisa. »Aber ich hab’ dich gewarnt.«

      Maletta nickte. Sein Speichel schmeckte nach Galle.

      »Sybille glaubte sich für Bruno zu opfern«, fuhr Lisa fort. »Sie wurde eine Nacht lang von diesem RSHA-Scheusal vernommen. Sie kam weinend zurück. Verstört. Mit aufgelösten Haaren. Sie konnte tagelang nichts essen. Als die Mithäftlinge sie dazu zwangen, kotzte Sybille die Brocken wieder heraus. Mit kaputtem Magen wurde sie in die Krankenabteilung eingeliefert. Von da an weiß ich nichts mehr von ihr – ich fürchte, sie ist am Ekel gestorben.«

      »Und die anderen?« fragte Maletta.

      »Die nächste war ich«, sagte Lisa hart, »Machoff hatte meinem Vater versprochen, sich um mich zu kümmern«, sprang Lisa ins kalte Wasser. »Und das hat er dann auch getan.«

      Der Mann an ihrer Seite spürte, wie sich sein Nacken versteifte. »Machoff wollte mich in sein dreckiges Bett zerren. Ich spuckte ihn an.« Lisa atmete schwer. Selbst bei dem kärglichen Licht, das ins Zimmer fiel, sah Maletta in ihrem Gesicht, wie in einem Spiegel, daß sie alles noch einmal durchmachte.

      »Er lachte nur und wartete, bis ich mich beruhigt hatte. Er fläzte sich in einen Stuhl, zündete sich eine Zigarette an, blies blasiert den Rauch ab, sah mich an, prüfte, ob ich schon reif genug sei für weitere Angebote. Weißt du, Peter, die besten Folterknechte sind bekanntlich die, denen es Spaß macht – das habe ich begriffen in diesen Monaten –«

      »Und?« fragte er mit einer Stimme, die überschwappte.

      »Machoff sagte mir, daß du in einem geheimen Verfahren zum Tode verurteilt seist und morgen früh hingerichtet würdest. Zwar hatte ich eine solche Nachricht befürchtet, aber die Vorstellung, daß es in ein paar Stunden soweit sein würde und es vielleicht doch noch verhindert werden könnte, danach aber für immer zu spät wäre, machte mich verrückt. Zuerst war ich so entsetzt, daß ich nicht einmal weinen konnte. Dann begann Machoff von einer Möglichkeit zu sprechen, die Hinrichtung auszusetzen. ›Ob sie mich mögen oder nicht, Lisa‹, sagte er, ›ändert nichts daran, daß nur ein Anruf genügt, um die morgige Exekution СКАЧАТЬ