Название: Und wenn die Welt voll Teufel wär ...
Автор: Heinrich Christian Rust
Издательство: Bookwire
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783862567638
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Für den einen mag jegliche übersinnliche Erfahrung schon in den Bereich des Okkulten gehören; für den anderen ist eine Differenzierung hilfreich: Nicht alles, was übersinnlich ist, ist zugleich auch dämonisch und satanischen Ursprungs. So geht man in der Parapsychologie davon aus, dass viele übersinnlichen Erfahrungen zunächst auch völlig wertfrei erfassbar und erfahrbar sind. Reinhard König differenziert zwischen dem eigentlich Okkulten (Verborgenen) und dem Dämonischen und warnt vor einer Gleichsetzung.18 Wo aber liegen die Grenzen? Ab wann wird Okkultes zum Dämonischen? Unbestritten mag es eine ganze Reihe übersinnlicher Erfahrungen geben, die weder gut noch böse sind, die – anders ausgedrückt – nicht ideologisch besetzt und gedeutet werden müssen. Dennoch sind die Grenzen sehr schwer zu ziehen.
In dieser Popularisierung und Verharmlosung des Okkulten liegt eine große Gefahr. Das Feld der Parapsychologie erstreckt sich ja durchaus bis in die Bereiche der Magie und des Spiritismus. Wer meint, auf diesem Terrain als neutraler wissenschaftlicher Beobachter zu fungieren, täuscht sich in den meisten Fällen. Das Okkulte erweist sich eben in vielen Fällen als »der Okkulte«, als Satan mit einer attraktiven Maske.
Jeder, der heutzutage wachen Auges die geistesgeschichtliche Entwicklung in Europa verfolgt, wird eingestehen müssen, dass die Konfrontation mit den verschiedensten Formen und Ausprägungen der Esoterik sowie die zunehmende Verbreitung des modernen Okkultismus die Frage nach einem zukunftsfähigen Weltbild neu aufgeworfen hat.
Zudem wird von einer ganz anderen Seite die Auseinandersetzung mit der so genannten unsichtbaren Welt gefordert: Seit etwa fünf Jahrzehnten berichten Christen unterschiedlichster Konfessionen verstärkt von übersinnlichen Erfahrungen. Da es hierbei auch vielfach um Erlebnisse im Zusammenhang mit den Geistesgaben geht, sprechen wir auch von der »charismatischen Bewegung«. Gegenwärtig zählen sich etwa 600 Millionen Christen weltweit zu dieser Frömmigkeitsrichtung. Sie umspannt sowohl Christen in den bekannten großen Denominationen als auch in einer Vielzahl unabhängiger Gemeinden und Hauskirchen.
Es ist Aufgabe der Kirche und der Theologie, diese Erfahrungen zu deuten und zu einem biblisch fundierten Umgang damit zu verhelfen. Auf keinen Fall dürfen übersinnliche Erfahrungen einfach als ein Relikt mittelalterlichen Aberglaubens abgetan oder ignoriert werden. Die Welt, in der sich der heutige Mensch befindet, ist auch eine Welt mit übersinnlichen Erfahrungen.
3. Biblische Grundaussagen zu einer ganzheitlichen Weltsicht
Wie bereits desöfteren erwähnt, tun sich die meisten Theologen der Gegenwart schwer mit den durch die neue Religiosität aufbrechenden Fragen nach der Bedeutung des Unsichtbaren oder auch der übersinnlichen Erfahrungen. Die westliche Theologie hat sich in den letzten Jahrhunderten, spätestens jedoch seit der Aufklärung, in ihrer Sprache, ihren Werten und ihren Fragestellungen einer Weltsicht verpflichtet gesehen, die für Übersinnliches, Unsichtbares nur wenig Interesse hat. Welche Bedeutung aber hat diese Dimension der Wirklichkeit in der Bibel? Ist es überhaupt legitim, von einem Weltbild, einer Weltanschauung oder einer Weltsicht der Bibel zu sprechen? Vermittelt die Bibel ein eindeutiges Weltverständnis?
Zunächst einmal gilt es, klarer zu fassen, was wir meinen, wenn wir von einer Weltsicht sprechen. Verschiedene Philosophen und Autoren haben versucht, hierzu verbindliche Erklärungen zu geben. Der Anthropologe Paul G. Hiebert (1932–2007) ging davon aus, dass eine Weltsicht (worldview) die fundamentalen und wertenden gemeinsamen Ansichten einer Menschengruppe oder eines Volkes in einer bestimmten Kultur ausmache.19 Den kulturellen Hintergrund berücksichtigend, beschrieb er die moderne westliche, dualistische Weltsicht, in der sich Seele und Körper, Geist und Sache, Heiliges und Weltliches gegenüber stehen und getrennt voneinander beschrieben werden. Diese Wirklichkeit finde auf zwei Ebenen statt, die Hiebert als die höhere Ebene der Religion und die Basisebene der Wissenschaft beschrieb. Diese dualistische Weltsicht unterscheide sich nach Hiebert jedoch wesentlich von der nicht-westlicher Kulturen. Dort sei eine dreifache Sicht der Wirklichkeit anzutreffen: Neben der obersten Ebene der Religion und der Basisebene der Dinge und Fakten gebe es eine mittlere religiöse Ebene, die Hiebert als eine Ebene menschlicher Kultur und niedriger Religion bezeichnete (Folk and low religion). Diese Ebene der Wirklichkeitswahrnehmung und -deutung gehe davon aus, dass jede menschliche Existenz unmittelbar mit beeinflusst wird von Geistern, Mächten, Dämonen, Sternen oder anderen kulturell bedingten religiösen Überzeugungen. Außerdem – so der Anthropologe – werde in nicht-westlichen Kulturen eher davon ausgegangen, dass alle Ebenen der Wirklichkeit miteinander verbunden sind und auch aufeinander reagieren. Auch Pflanzen, Berge und Dinge könnten »beseelt« sein. Diese stärkere holistische (ganzheitliche) Sicht der Wirklichkeit sei inzwischen auch in den esoterischen Kreisen westlicher Kultur anzutreffen.
In ähnlicher Weise wie Hiebert definiert der Theologe Charles H. Kraft die Weltsicht als die Summe kulturell strukturierter Annahmen, Werte und Verpflichtungen, mit denen eine Menschengruppe die Wirklichkeit beschreibt.20 Kraft betont, dass es immer auch kulturell und zeitlich bedingte Anteile einer Weltauffassung geben wird. So gesehen erscheint es auch problematisch, von der Weltsicht der Bibel zu sprechen, da diese verschiedene kulturelle Zeitalter beschreibt. Dennoch sollte es auszumachen sein, dass Christen aus unterschiedlichsten Kulturen und Zeiten auch Gemeinsamkeiten in ihrer Weltwahrnehmung und -deutung haben. Dementsprechend muss es Aufgabe der Theologie sein, Basissätze für ein biblisch begründetes Weltbild zu formulieren. Diese Basissätze müssten übertragbar und interpretierbar in jede Kultur und in jedes Zeitalter sein. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass die Bibel selbst auch einem solchen Anspruch gerecht werden will, d. h. dass in dem biblisch dargelegten Wort Grundlagen eines Weltbildes gegeben werden, die für alle Menschen zu allen Zeiten Geltung haben.
Folgende Basissätze für ein derartig biblisch begründetes Weltbild sind meines Erachtens unverzichtbar:
a) Es gibt (nur) einen Gott
Die Verfasser der biblischen Schriften setzen voraus, dass es nur einen wahren Gott gibt. Er hat sich vorgestellt, geoffenbart als Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist und ist doch einer (Mt. 28,19; 2. Kor. 13,13); er ist der Heilige, der Liebende, der Ewige. Dadurch, dass Gott sich offenbart mit Namen, macht er sich erkennbar für den Menschen (2. Mo. 33,19). Wohl ist seine Existenz auch in der Existenz der Welt im Sinne einer natürlichen Gotteserkenntnis zu erahnen (Röm. 1,19); aber dieses Wissenkönnen um Gott ist nicht hinreichend, um sein Wesen auszumachen. Dazu bedarf es der Selbstkundwerdung durch sein Wort, seinen Geist und schließlich durch Jesus Christus (Hebr. 1,1–2).
b) Gott ist der Schöpfer der sichtbaren und unsichtbaren Welt
Ohne Zweifel belegt die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite, dass diese Welt als eine Schöpfung Gottes zu verstehen ist. Sie ist nicht aus sich selber entstanden, sondern entspringt dem Willen und Wort Gottes (1. Mo. 1–2). Das bedeutet, dass diese Welt einen ganz konkreten Anfang genommen hat. Die Schöpfung geschieht durch den Gott, wie er sich in der Bibel offenbart, als Gott-Vater, Gott-Sohn und Gott-Heiliger Geist. Im Zentrum der Schöpfung СКАЧАТЬ