Ulrichshof. Paul Keller
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Название: Ulrichshof

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517482

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СКАЧАТЬ zusammen.

      „Hoheit, man dichtet nur, wenn man dichten muss. Als ich die Verse schrieb, habe ich an Brigitte nicht gedacht. Dichtung verfolgt ja keinen Zweck. Erst, als das Gedicht schon gedruckt war, fand ich, dass es für Brigitte passe. Da schrieb ich es ab und hing es an ihr Bett.“

      „Herr Doktor Tobias, Sie werden am ersten April Ihre Kündigung bekommen. Suchen Sie sich für den ersten Juli eine neue Stelle.“

      „Hoheit — Hoheit — ich alter Mann — mir gibt doch niemand mehr einen Posten. Wo — wo sollte ich denn hin?“

      „Das ist Ihre Sache! Eine Intrigenwirtschaft gegen mich dulde ich in meinem Hause nicht. Nun können Sie gehen.“

      Der alte Mann taumelte, als er der Tür zustrebte. Draussen brach er zusammen. Ein Bedienter führte ihn in seine bescheidene Stube und half ihm ins Bett.

      Eine halbe Stunde später stand Julius am Bette des Alten.

      „Man hat mir gesagt, du seiest erkrankt. Was ist dir, Toby?“

      „Ach“, jammerte Tobias, „ich alter Mann werde verhungern müssen. Hoheit hat mir gekündigt. Ich soll fort.“

      „Aber das ist ja nicht möglich!“

      „Es ist so, Julius.“

      Der Jüngling setzte sich auf einen Stuhl und starrte auf den Fussboden. Dann streichelte er die Hand des Greises und sagte:

      „Sei unbesorgt, Tobias, ehe du hungerst, werde ich Fabrikarbeiter, und Brigitte wird eher für ein Geschäft Hemden nähen, als dich darben lassen. Solch eine Gemeinheit! Nun, ich gehe jetzt zu ihr.“

      Tobias wollte ihn zurückhalten; er sagte, Hoheit sei in denkbar schlechtester Laune, und Julius könne in seiner Aufgeregtheit schwere Fehler machen.

      „Ich gehe!“

      Er wurde vorgelassen. Hoheit war besserer Laune. Eben war die siebente Patience „aufgegangen“, die sie auf die Frage gelegt hatte, ob wohl das Begnadigungsgesuch für ihren Sohn Erfolg haben werde. Wenn sieben verschiedene Patiencen, auch die schweren, auf die gestellte Frage aufgehen, dann ist das ein absolutes „Ja“. Die Begnadigung des Sohnes würde erfolgen, Eberhard, ihr vergötterter Eberhard, würde bald bei seiner Mutter sein. Nun stand Julius vor ihr, den sie nur deshalb liebte, weil er das Ebenbild seines Vaters war. So, wie jetzt Julius vor ihr stand, so haargenau war Eberhard gewesen, als er siebzehn Jahre alt war, auch so wild, auch so trotzig, genau so aussehend.

      „Nun, Julius, kommst du, um dich zu entschuldigen wegen deines unerhörten Betragens von vorhin?“

      „Nein!“

      „Was willst du also? Warum nimmst du nicht Platz?“

      „Ich möchte bitten, stehen bleiben zu dürfen, bis meine Frage erledigt ist. Ich komme wegen Tobias. War es Ernst mit der Kündigung?“

      „Ich spasse nicht mit solchen Dingen.“

      „Und soll das das letzte Wort in dieser Sache sein?“

      „Mein letztes Wort! Unwiderruflich! Dieser unselige Geist, der den Frieden dieses Hauses vergiftet, muss weichen. Doktor Tobias muss gehen, am besten sofort. Sein Gehalt bis ersten Juli werde ich ihm auszahlen lassen.“

      „Das ist sehr gnädig. Ich werde mit Tobias zusammen Ihr Haus verlassen, Hoheit, morgen für immer verlassen.“

      Die Prinzessin lachte nervös.

      „Bitte, Julius, sei nicht theatralisch und spiel dich nicht auf! Verfratz dich nicht! Na, na, du bist siebzehn Jahre. Da läuft man schnell davon, aber man kommt auch ziemlich bald wieder. Es geht nicht draussen in der Welt ohne Halt und Stütze.“

      „Es wird gehen. Freilich, am Gymnasium kann ich nicht bleiben. Wovon sollte ich das Schulgeld bezahlen, wovon sollte ich leben? Wenn ich nichts anderes finde, werde ich Fabrikarbeiter werden.“

      „O, wie heroisch!“ lächelte die Hoheit. „Fabrikarbeiter! Das klingt! Das ist etwas für übergeschnappte Siebzehnjährige. Das ist etwas, um ihrer Familie zu drohen, aber es ist nicht etwas, das ausgehalten werden kann. Alles um eines entlassenen Hauslehrers willen, der nach keiner Richtung etwas taugt, der seine Studienjahre verliedert hat, wohl zur Not seinen Doktor machte, aber kein Staatsexamen zustande brachte, der natürlich damals mit seinem frischbackenen Doktortitel sofort zur Presse lief, dort alberne Artikel, aufgeblasene Kritiken schrieb, bis es doch die gebildeten Leser satt kriegten, so dass er entlassen wurde — das ist Doktor Tobias, der dann auf die schiefe Ebene geriet, in allen möglichen Berufen und Stellungen war, sogar Varietékünstler soll er mal gewesen sein, und der endlich auf Schloss Ulrichshof landete durch die Gnade deines Vaters. Auf Schloss Ulrichshof versteht er sein Erzieheramt nicht, ja, er missbraucht es geradezu zum Nachteil seiner Herrin. Rede mir nur niemand davon, dass meine Massnahme gegen diesen Doktor Tobias ungerecht oder auch nur hart sei. Es bleibt dabei, er hat zu gehen.“

      Der Jüngling, der zuerst puterrot gewesen war, war jetzt blassgrau. Mit fast schleppender Stimme sagte er: „Einiges fehlt in diesem Lebensbilde des Doktor Tobias. Es fehlt zum Beispiel, dass er einmal Lehrer an einer Presse war, die solche Schüler aufnahm, die schon von allen möglichen Gymnasien heruntergeflogen waren. Da kam auch ein gewisser Eberhard von Kobel auf diese Presse.“

      „Schweig, du Unverschämter! Du sprichst von deinem Vater!“

      „Ich spreche zu dem Falle Tobias. Dieser Eberhard von Kobel verdankte es allein dem Doktor Tobias, dass er durchs Abitur kam, er verdankte es dem Doktor Tobias, dass er in Heidelberg, Bonn und Berlin von den allerschlimmsten Streichen abgehalten wurde, dass er nach zwölf Semestern den Doktor erhielt auf eine Dissertation hin, die Tobias abgefasst hatte.“

      „Du Ausgeburt von Niedertracht! Das ist eine infame Lüge von Tobias.“

      „Tobias hat mir nie etwas Nachteiliges über den Mann gesagt, der leider mein Vater ist, auch nicht das über die Dissertation. Ich habe andere Quellen. Der Herr Eberhard von Kobel hat mir einmal seine Doktorarbeit mit einer stolzen Widmung und mit der Mahnung, ihm nachzueifern, gedruckt überreicht. Das Manuskript der Dissertation aber fand ich in der Handschrift des Tobias in dessen Schublade, als ich einmal neugierig darin herumstöberte. Es war noch vor Mutters Tode.“

      Die alte Hoheit konnte nicht mehr sprechen. Sie lag nach Luft ringend und sich fächelnd in einer Sofaecke. Ein Diener brachte ein Telegramm. Die alte Frau raffte sich sofort auf. „Wahrscheinlich vom Anwalt in Berlin.“

      Ein Anwalt in Berlin hatte im Auftrage der Prinzessin die Begnadigung ihres zu fünf Jahren Festungshaft verurteilten Sohnes Eberhard von Kobel bei den zuständigen Behörden mit Hilfe einflussreicher Personen, darunter auch Parlamentarier waren, zu betreiben versucht.

      Hoheit las das Telegramm.

      „Begnadigung leider abgelehnt.“

      Eine Kammerjungfer erschien und brachte die schwererschütterte Hoheit zu Bett. Julius verschwand.

      3. Kapitel

      Sturmnacht

      Dieser Übergang vom sechsundzwanzigsten zum siebenundzwanzigsten März war eine von jenen wilden Nächten, die um die Tag- und Nachtgleiche liegen. Da messen Licht und Finsternis, Winter und СКАЧАТЬ