Ulrichshof. Paul Keller
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Название: Ulrichshof

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517482

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СКАЧАТЬ einmal über den Hügel, strich mit der Hand über das Friedhofsgras und sagte: „Der Rand von Gottes Wiese!“ — Dann richtete es sich auf und sagte: „Komm!“

      *

      Das alte Tor jammerte, als die beiden hindurchgingen, und dann waren sie wieder draussen im Leben. Freilich war das „Leben“ hier auf der Landstrasse, die von der Kreisstadt nach Dorf und Gut Ulrichshof führte, nur ein geringes. Aber mit grossem Gepolter kam ein leerer Lastwagen die mässig abfallende Chaussee herunter. Der Kutscher stand, hieb auf die schweren Pferde ein und schrie: „Hallo! Hallo! Wettschnellfahren mit Kartoffelwagen; Rekord breche ich — Rekord. Hallo! Hallo!“

      Tobias dachte: Es ist unser Jakob Kabiczek, der Oberschlesier. Er hat wieder getrunken in der Stadt. Ob er wohl heute seine Alte prügelt? Die kräftige Frau Kabiczek hatte dem Doktor Tobias vor einer Woche geklagt: „Bin ich unglückliche Frau! Jakob mir untreu, macht sich nichts mehr aus mir. Hat mich schon sechs Wochen lang nicht mehr gehau’n. Aus ist!“

      Wohl wollte dem alten Tobias ein leises Lachen ankommen über solch eheliches Verhältnis und solche Kennzeichen von Liebe und Treue, aber seine Gedanken kehrten bald zurück zu dem traurigen Kinde an seiner Seite.

      „Du siehst blass aus, Brigitte. Seit einem Jahr hast du gewiss nicht ein Pfund zugenommen. Das soll nicht sein bei einem dreizehnjährigen Mädchen. Du musst Honig essen, Brigitte, immer reinen Honig, der geht ins Blut, der heilt alles Kranke.“

      „Ich mag keinen Honig.“

      „Brigitte, ehe die Krankheit deiner Mutter kam, hat sie alle Tage Honig gegessen, und als ihr noch kleiner waret, Julius und du, hat euch die Mutter jeden Tag mit Honig gefüttert. Erinnerst du dich dessen nicht mehr?“

      „Ja, jetzt erinnere ich mich. Wir hatten eine weisse Honigdose aus Porzellan, da war ein Bienenkorb darauf gemalt. Ich werde jetzt alle Tage Honig essen. Was Mutter tat, war immer gut.“

      Die Chaussee stieg nun wieder bergauf, und Jakob Kabiczeks Rekordfahrt hatte ein Ende gefunden. Das langsame Knarren seines Kartoffelwagens klang nur undeutlich aus der Ferne.

      Tobias räusperte sich, hustete dann und holte tief Atem. Man merkte ihm an, er wollte etwas sagen, was ihm nicht leicht fiel.

      „Brigitte, ich glaube, dass es dir gar so schwer wird um die Mutter, das rührt von Julius her, der es dir so schwer macht.“

      „Julius ist mein Bruder, ich habe niemand ausser ihm.“

      „Und die Grossmutter?“

      „Die Grossmutter ist freundlich — wenigstens zu Julius — aber sie ist Vaters Mutter.“

      „‚Aber sie ist Vaters Mutter‘, das hast du von Julius. Es ist nicht dankbar von euch Kindern gegen die gute alte Frau, wenn ihr so seid.“

      Das Mädchen schwieg, und in ihr weiches Gesicht kamen jetzt Zeichen des Trotzes.

      Nach einer Weile sagte Tobias:

      „Und ich? Was bin ich für euer Leben? Gar nichts als eben nur der Mann, der eure Schularbeiten nachsieht?“

      „Du bist unser bester Freund! Du bist unser einziger Freund, Tobias, das sagt auch Julius.“

      „Das zu hören, macht mich glücklich,“ sagte der Alte leise und bewegt. Nach einer Weile lachte er ein wenig, schüttelte Brigitte am Arm und sagte: „Rat mal, Brigittchen, was der Julius für eine Note auf seine Klausurarbeit in Latein bekommen hat?“

      „Mangelhaft!“

      „Hoho! Ganz daneben geraten. ‚Gut‘ hat er bekommen. Nur einen halben Fehler hat er gehabt. Haha, die neuen Pädagogen rechnen mit halben Fehlern, halben Prozenten. Die sind Knauser. Nur einen halben Fehler!“

      „Dann wird er von Heinrich Martin abgeschrieben haben. Der sitzt neben ihm!“

      „Nein, Heinrich Martin kann selber nichts. Eher hat Heinrich Martin von Julius abgeschrieben.“

      „Dann hat ihnen der Sohn vom Pedell, mit dem sie Briefmarken tauschen, einen Tip gegeben, was drankommt. Das tut er manchmal. Julius sagt, der Pedell hat immer scharfe Augen, aber im Lehrerzimmer, wo manchmal Notizbücher herumliegen oder im Überzieher stecken bleiben, hat er hundert Augen wie der Gott Argus und eine flinke Hand im Nachschlagen und Abnotieren. Das sagen Julius und Heinrich Martin.“

      Tobias freute sich, dass er das Mädchen etwas von seinen schweren Friedhofsgedanken hatte ablenken können. Er lachte und sagte:

      „Oh, der Pedell ist einmal bei uns in Ulrichshof in der Schlossbrauerei gewesen, wo er herstammt, und da hat er geprahlt, er hätte schon zwei Schock Abiturienten durch das Maturium bugsiert, und eigentlich sei es nicht der Direktor, sondern er, der das Zeugnis der Reife bewirke. Das hat der Trinkkumpan in der Stadt weitererzählt, und da wäre es dem jugendfreundlichen Pedell beinahe an den Kragen gegangen. Aber er log sich mit totaler Trunkenheit seines Kumpans heraus, und der Direktor liess Milde walten. Wahrscheinlich hat er früher als Schüler selbst Durchstechereien gemacht. Haha! Wahrscheinlich — höchstwahrscheinlich.“

      Das Mädchen war schon nicht mehr zur Hälfte bei dem lustigen Thema.

      „Tobias, du hast doch auch studiert, warum bist du denn nicht auch Gymnasialdirektor geworden? Warum bist du bloss so bei uns?“

      Tobias seufzte.

      „Das kommt halt so! Jeder kann nicht etwas Grosses werden. Und ist es so schlimm, dass ich nur so bei euch bin?“

      „Nein, nein, das ist gut!“

      Sie stiegen nun die Chaussee bergan. Tobias musste manchmal stehenbleiben und etwas verschnaufen. Auf der Anhöhe, die den Namen „Die schöne Aussicht“ vom Volke erhalten hatte und auf der Brigittes Vater eine Ruhebank aus Eichenholz hatte errichten lassen, blieben sie halten.

      „Setz dich“, sagte der asthmatische Tobias „setz dich neben mich, Brigitte. Das war ein böser, langer Anstieg!“

      Er wischte sich den Schweiss von dem gelben Gesicht.

      „Ich will stehen bleiben!“ sagte das Mädchen.

      „Weil sie sich nicht auf die Bank ihres Vaters setzen mag“, brömmelte Tobias in sein Schnupftuch. „Das ist alles der Julius, der Julius, vielleicht auch dieser Heinrich Martin. Sie haben das Mädchen in der Gewalt.“

      Es war wirklich eine schöne Aussicht von dieser Anhöhe, die über die Chaussee lief. Nördlich und südlich war stolzer Hochwald mit vorgelagerten freundlichen Wiesen; nach Osten und nach Westen hin war die Aussicht frei; zur Linken lag die Kreisstadt mit ihren vier Türmen und den vielen Häusern, die an zwanzigtausend Menschen Obdach gewährten. Man sah deutlich die Luisenhöhe, auf der sie einen Bismarckturm errichtet hatten. Eine Lindenallee führte hinauf. Im Sommer versteckten sich Liebespärchen hinter den dicken Bäumen, im Winter war dort die Rodelbahn. Da fuhr so mancher an die Bäume und brach ein Bein; einer hatte sich tot gefahren, weil er dem Mädel, das er liebte, zeigen wollte, wie forsch er sei.

      Und zur Rechten lag Ulrichshof. Das Dorf war ein wenig dürftig, wie alle Dörfer, in denen durch Jahrhunderte Rittergüter waren. Diese armen Bäuerlein und Handwerksleute waren immer beim Löwen zu Gaste, der das Beste für sich nahm. Aber jetzt in der neuen Zeit hatte sich das Dorf recht herausgemacht. Sie hatten eine Chaussee, СКАЧАТЬ