Ulrichshof. Paul Keller
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Название: Ulrichshof

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711517482

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СКАЧАТЬ Brigitte aus?“

      „Brigitte war nach dem Friedhofe gegangen — ich ging ihr nach — es ist ja heute der Todestag —“

      Hoheit zuckte ein wenig zusammen.

      „Ja, ja, doch wohl der sechsundzwanzigste März. Ich — ich — ich habe es natürlich durchaus nicht vergessen; nur ich bin gegenwärtig mit den Nerven so parterre, dass ich so traurige Friedhofsbesuche nicht machen kann. Sie werden das verstehen, Herr Doktor.“ Tobias verneigte sich; Brigitte sass steif und wortlos da.

      „Wollte denn Julius nach seiner Verbindung?“

      „Er sagte, er wolle nach dem Friedhof. Ob er nachher noch in seine Verbindung geht, weiss ich nicht.

      Julius wird am sechsundzwanzigsten März niemals in ein Gasthaus gehen“, sagte das Mädchen.

      „Du bist nicht gefragt worden, Brigitte“, verwies Hoheit.

      Trotz trat in die weichen Kinderzüge. Zornige Tränen glitzerten in den grossen Augen. Sie gehorchte der Grossmutter nicht.

      „Es ist unser Karfreitag, wir haben den ganzen Tag weder etwas gegessen noch getrunken, keinen Bissen, keinen Schluck Wasser, weder Julius noch ich.“

      „War das eine Verabredung zwischen euch?“

      „Ja. Heinrich Martin hat auch mitgefastet, obwohl es ihn nichts angeht. Er tut es aus Freundschaft.“

      „Das ist ja wie eine Verschwörung! Was sagen Sie dazu, Doktor?“

      „Ich habe davon nichts gewusst.“

      „Von so etwas müssen Sie wissen“, sagte Hoheit scharf.

      „Wofür sind Sie da?“

      Der arme, alte Mann nahm schweigend diesen gallbitteren Bissen seines Gnadenbrotes in Empfang.

      Da trat Julius ein. Er war ein bildhübscher Bursch. Der kohlschwarze, dichte Haarschopf krönte und umrahmte ein prachtvolles, kühnes Jungmännergesicht. Freilich, dieses Gesicht hatte nichts Frohes, nichts Vertrauensseliges, kaum etwas Junges, es war bitter und herb, aber in Nase, Stirn, Kinn, in dem Eigensinn der Augen kündete sich grosse Kraft.

      Er verneigte sich kurz vor seiner Grossmutter.

      „Setz dich, Julius“, sagte diese viel freundlicher, als sie jemals zu dem Mädchen sprach. „Du warst auf dem Friedhofe?“

      „Es ist der Todestag der Mutter, der Todestag deiner Schwiegertochter. Ich sah keinen Kranz von dir auf dem Grabe, ich sah nur den Kranz, den Brigitte hingetragen hat und den wir Kinder zusammen gekauft haben. Und dann war noch ein ganz kleiner Kranz da, der sah ganz nach Tobias aus. Ich danke dir, lieber Toby.“

      Aufs höchste verdrossen sagte die alte Hoheit:

      „Ich verbiete dir, Julius, diesen ungehörigen Ton gegen deine Grossmutter anzuschlagen, von der du alles hast, ohne die du nicht leben könntest. Wenn ich heute nicht auf dem Friedhof war, so lag der Grund darin, dass mir meine Nerven so etwas nicht erlauben. Und um eines will ich dich fragen, Julius: das ganze Jahr jammert ihr um eure Mutter. Denkt ihr auch einmal an euren Vater, der mein einziges Kind ist? Denkst du an ihn, Brigitte?“

      „Wenn ich an ihn denke, bete ich für ihn“, sagte das Mädchen leise.

      „Und du, Julius, der du das Ebenbild deines Vaters bist, denkst du an ihn? Wie denkst du an ihn?“

      Der junge Mann sprang trotzig auf und verliess das Zimmer.

      „Das ist unerhört — unerhört — Doktor, holen Sie ihn zurück — er soll augenblicklich wieder hierherkommen!“

      Doktor Tobias beeilte sich.

      „Und du, Brigitte, gehe in dein Zimmer. Lasse dir das Nachtessen hinaufbringen.“

      „Ich esse heute nicht.“

      „Ach so — — die Verabredung — — — nun, vielleicht wäre es gut, euch einmal ordentlich hungern zu lassen. — Geh!“

      Tobias kam zurück und meldete, Herr Julius hätte Mantel und Hut genommen und sei noch einmal davongestürmt. Wohin, wisse niemand.

      Die alte Hoheit sprang auf.

      „Wahrscheinlich abermals nach dem Friedhof — wahrscheinlich, um sich noch einmal die Seele voll Gift und Galle zu saugen gegen seinen unglücklichen Vater und gegen mich, seine Grossmutter. Aber das sind die Früchte solcher Erziehung! Die Frau, deren Todestag heute ist, hat mir am Anfang ihrer Ehe die Liebe meines Sohnes genommen, die mein alles war auf Erden, sie hat dann ihre beiden Kinder mir und dem Vater der Kinder völlig entfremdet. Wundert sich jemand, dass ich keinen Kranz auf das Grab dieser Frau trage? Um die Mutter jammern sie, an den Vater, an meinen einzigen Sohn, denken sie nur im Groll, denken in Hass an den armen Gefangenen in der Festung. Und — Sie, Sie, Doktor, Sie stehen auch auf der Seite meiner Gegner!“

      „Nein, nein, nein“, stammelte der Alte, „ich bin Euer Hoheit durchaus ergeben.“

      „Durchaus ergeben? So, so! — War der kleine Kranz, von dem Julius sprach, von Ihnen?“

      „Ja“, sagte Tobias und zitterte.

      „Wissen Sie, was das ist, Doktor? Das ist nicht etwas Gutes, nicht etwas Christliches oder Pietätvolles, das ist glatter Verrat an Ihrer Herrin.“

      „Hoheit — Hoheit —“, jammerte der Alte, „wie könnte ich meine Wohltäterin verraten!“

      „Sie tun es! Der Junge, das Mädel kommen ans Grab. Von der Grossmutter ist kein Kranz da, aber wohl ist einer da von dem edlen Herrn Doktor Tobias. Der Festungsgefangene hat keinen Kranz schicken können oder wollen, aber Herr Doktor Tobias hat einen Kranz niedergelegt, wahrscheinlich in aller Herrgottsfrühe, da Julius und Brigitte noch in der Schule waren, am Vormittag niedergelegt, damit die Kinder ihn nachmittags finden sollten.“

      „Hoheit, ich hatte geglaubt, die Kinder würden meinen, der kleine armselige Kranz sei von der Krankenpflegerin, die die selige Frau Schwiegertochter betreut hat.“

      „Nein! Ich dulde keine Gegenpartei im Hause. Und eine Gegenpartei bilden Sie mit den Kindern. Was bedeutet der schwarze Vorhang, der zwischen Brigittes Schlafzimmer, dem ehemaligen Schlafzimmer ihrer Mutter, und dem ehemaligen Schlafzimmer ihres Vaters, meines Sohnes, hängt? Ich bin heute oben gewesen, habe alles das angesehen!“

      „Ich weiss es nicht, der Vorhang ist ohne mein Wissen angebracht worden.“

      „Sie sind nicht gerade ein scharfsichtiger Erzieher, wenn Sie so etwas nicht bemerken. An Brigittes Bett hängt ein Gedicht eingerahmt an der Wand. Wissen Sie auch nicht, wer dieses Gedicht dort aufgehängt hat?“

      „Ich tat es selbst.“

      „Von wem ist das Gedicht?“

      Tobias schwieg.

      Hoheit ging durchs Zimmer, suchte in einer Lesemappe, brachte ein Zeitschriftenheft, schlug eine Seite auf und fragte: „Ist es nicht dieses Gedicht? Der Name des Autors darunter ist ‚Tobias‘. Haben Sie dieses Gedicht selbst geschrieben? Sie machen СКАЧАТЬ