Ulrichshof. Paul Keller
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Название: Ulrichshof

Автор: Paul Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9788711517482

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СКАЧАТЬ Fräulein Brigitte ist noch Licht“, sagte der Jungknecht, „aber der Turm ist finster.“

      „Julius wird bei Tobias sein, der ist krank.“

      „Hoheit hat dem Doktor heute gekündigt.“

      „Grosser Gott, dem alten Mann! Wo soll er denn hin? Das kann nicht sein!“

      „Der Diener hat es gesagt und der weiss es von Tobias selbst. Deswegen ist er ja krank. Der Schreck . . .“

      „Niemand ist hier seines Bissens Brotes sicher.“

      Sie grübelten alle vor sich hin. Einer sagte:

      „Sie wird wieder mit dem Vogt gesprochen haben, und der hat es sicherlich verraten, dass der Doktor Tobias einmal gesagt hat: Hoheit ist eine schmierige Person.“

      „Schmierig hat er nicht gesagt“, widersprach jemand; „eine schwierige Person ist sie, hat er gesagt.“

      „Wie kann er schwierig sagen, da sie doch so mager ist und kaum hundertzwanzig Pfund wiegt.“

      „Ruhe!“ gebot Anselm. „Was versteht ihr? Das Wort schwierig hat mit Gewicht nichts zu tun; man soll nicht von Dingen reden, von denen man nichts versteht. Da soll man lieber mich befragen.“

      Er bildet sich viel ein, dachten die andern; das kommt von dem vielen Lesen in seinem Kalender.

      Dann kamen sie auf das schwerste Thema des Tages. Eine Magd fragte: „Könnten wir nicht alle diese Nacht munter bleiben, es ist die Todesnacht der jungen Frau. Es ist so unheimlich, weil auch der Sturm so jagt.“

      Erst schwiegen sie alle, dann sagte der Sozialdemokrat: „Die Toten sind tot; sie können niemand mehr etwas anhaben —“

      „Die Toten sind nicht tot“, sagte Anselm, „sie sind noch irgendwie und irgendwo da . . . das ist bestimmt wahr.“

      „Ich fürchte mich“, sagte die junge Magd. „Wisst ihr noch, wie voriges Jahr die beiden Kinder, der Julius und die Brigitte, geschrien haben, als ihre Mutter starb? Voriges Jahr hat in dieser Nacht niemand von uns geschlafen.“

      „Wer hätte da schlafen sollen! Die alte Hoheit war nicht zu Hause; sie war im Süden. Als sie merkte, es gehe mit der Schwiegertochter zu Ende, machte sie sich fort. Ja, es hat niemand von uns geschlafen. Die sterbende Frau war mit den beiden Kindern allein.“

      Und mit der Krankenpflegerin und mit Tobias.“

      „Und mich hat sie rufen lassen“, sagte Anselm, „und hat gesagt: ‚Grüsse alle unsere Leute noch einmal von mir! Bist ein guter, kluger Mann, Anselm; gib mir die Hand. Grüsse die Leute noch einmal‘.“

      Dicke Tropfen liefen dem Alten über die Nasenwände herab. Herb sagte er:

      „Sie war eine gute Frau! Wär’ nur die Alte lieber gestorben und die Junge am Leben geblieben!“

      Er will doch nicht Vogt werden, dachten die anderen, aber auch sie sagten: „Sie war eine gute Frau!“ Und wenn eines zu träge war, etwas zu sagen, nickte es wenigstens mit dem Kopfe zu diesem Lobe der Verstorbenen.

      *

      In Brigittes Wohnzimmer sassen drei junge Leute um den festen Tisch, auf dem schon zu Mutters Zeiten die Schulaufgaben geschrieben worden waren; Julius, sein Freund Heinrich Martin und Brigitte. Julius hielt zwei Briefe in der Hand. Zornig sagte er: „Er kann mich nicht in Ruhe lassen mit seinen Schreibereien. Heute befiehlt er mir, ihm zu antworten, wahrscheinlich hat ihm das die Grossmutter eingetrichtert. O, ich habe ihm meine Meinung geschrieben. Passt auf!“ Er las seinen Antwortbrief vor.

      „An den Festungsgefangenen

      Herrn Eberhard von Kobel . . .

      Ulrichshof, den 26. März,

      am ersten Todestage meiner geliebten,

      unglücklichen Mutter.

      Ich berichte, dass Brigitte und ich Ulrichshof verlassen wollen. Wir sind so lange hiergeblieben, weil Brigitte sich nicht von den Zimmern ihrer Mutter trennen wollte. Mir ist das Haus, in dem meine Mutter so unglücklich war und sterben musste, schon lange verhasst. Der äussere Anlass zu dem Entschluss, Ulrichshof verlassen zu wollen, ist der, dass Hoheit dem Doktor Tobias gekündigt hat. Der alte, treue Mensch, der Ihnen, Herr Eberhard von Kobel, zum Maturum verholfen hat und der Ihnen auch die Doktordissertation gemacht hat, soll auf die Strasse geworfen werden, hilflos und krank, wie er ist. Der Grund für diese infame Kündigung besteht darin, dass Tobias unserer Mutter einen kleinen Kranz aufs Grab gelegt hat und dass er Brigitte ein Gedicht, das er selbst verfasst hat, über das Bett gehängt hat. Ich lege Ihnen eine Abschrift dieses Gedichtes bei, obwohl ich glaube, dass Sie es sich nicht über Ihr Bett hängen werden. Wie ich dazu komme, zu wissen, dass Ihre Dissertation ein Plagiat ist, will ich Ihnen mitteilen. Tobias hat mir nicht ein Sterbenswort davon gesagt, dass er der Verfasser Ihrer Doktorarbeit ist, aber er hat mir einmal in seiner Gutmütigkeit verraten, dass in seinem alten Sekretär ein Geheimfach sei, das aber so verzwickt zu öffnen sei, dass niemand das vermöge, der nicht die Kniffe wisse. Nun, das will ich eingestehen, ich war neugierig. Ich las ein Buch über Geheimfächer, das in der Schlossbibliothek ist, und als Tobias einmal vierzehn Tage Urlaub hatte, bastelte ich so lange an seinem Schreibtisch, bis ich das Geheimfach entdeckt und geöffnet hatte. Ich fand unter anderen Papieren, die ich natürlich unberührt liess, das Manuskript zu Ihrer Doktordissertation und drei von Ihnen an Tobias gerichtete Briefe, in denen Sie sich für seine ausgezeichnete Arbeit bedanken, durch die Sie ja in der Tat „summa cum laude“ promoviert haben. Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Eberhard von Kobel: als Schüler schreibe ich ab, wenn ich es nötig habe, das ist alter Pennälerbrauch, das ist selbstverständlich; aber wenn ich einmal an den Doktor heran will, dann soll mich eher der Teufel holen, als dass ich mir von einem anderen die Dissertation machen lasse und dann als ein mit fremden Federn geschmückter Hahn in der Welt umherstolziere. Ich habe Ihre in Tobias’ Handschrift verfasste Dissertation und Ihre an Tobias dieserhalb gerichteten Briefe gestohlen und sie in ein viel sichereres Verwahrsam gebracht, als es das Geheimfach des Tobias ist. Tobias weiss noch heute nichts über das Abhandenkommen der Papiere.

      Nun, Herr Eberhard von Kobel, fordere ich von Ihnen, dass Sie von dem grossen Erbteil, das Brigitte und ich von unserer seligen Mutter haben, soviel freigeben, dass wir beiden Kinder und Tobias in der Stadt leben können. In drei Jahren werde ich majorenn, von da an ordne ich meine Angelegenheiten selbst.

      Sie haben mir heute ‚befohlen‘, an Sie zu schreiben. Nun habe ich geschrieben.

      Julius von Kobel.“

      Der Jüngling hieb mit der Faust auf den Brief.

      „Das bekommt er! Das wird sitzen. Das ist der erste Akt meiner Rache an dem Schufte.“

      „Julius“, mahnte Heinrich Martin, „er ist immerhin dein Vater —“

      Brigitte weinte tief in sich hinein.

      „Ach was, Vater! Diesen Einwurf habe ich erwartet. Passt auf!“ Er zog ein bedrucktes Blatt aus der Tasche.

      „Dieses hier ist von einem namhaften weisen Manne geschrieben.

      ‚Ehre Vater und Mutter!‘ Das ist gut . . . Aber, Mann, ehre die Mutter deiner Kinder, Frau, ehre den Vater deiner Kinder, Vater und Mutter, ehrt СКАЧАТЬ