Das Anthropozän lernen und lehren. Группа авторов
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      • Persönliches Shopping-Protokoll etwa zur Analyse des eigenen Einkaufverhaltens und der zugrunde liegenden Kaufmotive.

      • Die Erstellung eigener Beobachtungstagebücher durch Schüler/innen und die daraus ableitbaren Vertiefungen, Schlussfolgerungen oder Bewertungen könnten als Thema ggf. ebenfalls gut für den Online-Unterricht genutzt werden.

      3.2 Kommunikationswege im Anthropozän

      Aufgrund der komplexen, fächerübergreifenden Thematik und des systemischen Ansatzes des Anthropozän-Konzepts ist das Auffinden geeigneter Kommunikationswege eine notwendige Voraussetzung zur Analyse, Darstellung und Problemlösung ökologischer, gesellschaftlicher und kultureller Interaktion im Anthropozän. Einige der Herausforderungen und Chancen zur Kommunikation über/für das Anthropozän seien im Nachfolgenden kurz aufgelistet. So geht es unter anderem darum,

      • Komplexitäten verständlich zu machen, ohne zu simplifizieren; dies gilt nicht nur, aber insbesondere auch für Metaphern und Narrative zum Anthropozän;

      • unterschiedlichste Raum- und Zeitmaßstäbe zu verbinden, also die globalen Auswirkungen lokalen Handels zu kommunizieren, historische, heutige und zukünftige Abläufe zu verbinden, die Erdsystemskala mit kultureller, gesellschaftlicher und individueller Skala zu verknüpfen (und umgekehrt);

      • Kommunikation nicht (allein) als Wissenstransfer zu sehen, sondern vor allem als echten wechselseitigen Austausch zu begreifen. Dazu sind offene, reale, virtuelle und gedankliche Räume notwendig („Third Places“ sensu Oldenburg 1999);

      • emotionale Zugänge herzustellen, um der Komplexität der heutigen Wissensgesellschaft mit ihrer Mischung aus wissenschaftlichem Wissen, Erfahrungswissen und geglaubten Überzeugungen („beliefs“) gerecht zu werden. So erscheint es sinnvoll, von lebensweltlichen Themen auszugehen und diese weiter aufzufächern sowie mit geeigneten Visualisierungen zu arbeiten (siehe Abb. 8);

      • Rückwirkung auf das eigene Verständnis durch multimodale Kommunikation zu erreichen: Lernen durch Lehren.

      Vertiefungen und weiterführende Literatur zu den oben aufgeführten Punkten finden sich u.a. bei Leinfelder (2011ff, 2013a, 2016b, 2018, 2020a). Im Nachfolgenden wird daher nur kursorisch auf einige Beispiele eingegangen und werden weitere Vertiefungsquellen genannt.

Illustration

       Abbildung 8: Wissensgesellschaft und adäquate kommunikative Möglichkeiten durch multimodale Kommunikationsformen, mit Beispielen (aus Leinfelder 2018)

       3.2.1 Metaphern, Narrative

      Metaphern und Narrative haben ein großes Potenzial, über unerwartete Wege plötzliche Einblicke in bzw. Erkenntnisse zu komplexen Zusammenhängen zu erreichen und sich dieser Zusammenhänge bei Bedarf auch wieder erinnern zu können. Falsch angewandt haben aber Metaphern und Narrative auch das Potenzial zu großer Simplifizierung, wenn nicht gar zu populistischer Argumentation. So kommt es auch immer auf den geeigneten Kontext an. Der Verfasser dieses Artikels arbeitet in öffentlichen Vorträgen, Zeitungsartikeln, schulischen Kooperationen, aber auch in der universitären Lehre insbesondere zur interdisziplinären wissenschaftlichen Verständlichmachung gerne mit Metaphern und speziellen Narrativen. Hier erwähnt wurden bereits Metaphern wie „Von der Umwelt zur Unswelt“ (Leinfelder 2011, 2011ff, 2020a), oder „das Erdsystem als Stiftung betrachten“ (Leinfelder 2017b). Weitere vom Verfasser verwendete Metaphern und Narrative umfassen „Vom Parasitismus zur Symbiose“ (Leinfelder 2016a) oder „Die ‚Hall of Fame‘ der Organismen, welche die Erde ebenfalls bereits komplett verändert haben“ (Leinfelder 2018), siehe Abb. 9.

      Die mögliche Fehldeutung solcher Metaphern muss allerdings berücksichtigt werden. So könnte ohne weitere Erläuterung der Begriff der „Unswelt“ fehlgedeutet werden als „die Erde gehört uns“; stattdessen soll mit der Wortneubildung die Verwischung der Unterschiede zwischen Natur und Kultur betont und so bewusst gemacht werden, dass wir mit dem Erdsystem in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen (siehe auch Leinfelder 2011). Die Metapher vom „Erdsystem als Stiftung“ könnte ohne weitere Erklärung die Notwendigkeit der Pflege und Stabilisierung dieser Stiftung außer Acht lassen und stattdessen auf größtmögliche Dividende fokussieren. Der Metapher „vom Parasitismus zur Symbiose“ könnte ohne korrekte Einbettung gleichmacherische Tendenz vorgeworfen werden, da die Eingriffe der Menschheit regional und gesellschaftsspezifisch sehr unterschiedlich sind.

Illustration

       Abbildung 9: Scribble-Narrative der „Hall of Fame“ von Organismen der Erdgeschichte, welche die Erde schon vor dem Menschen immer wieder umgestalteten, aber auch Ressourcen, von denen die Menschheit heute abhängig ist, generierten. Der Mensch verändert die Erde allerdings in bislang unbekannter Geschwindigkeit. Das Bild kann als Beispiel zur Entwicklung von Narrativen zur Einbindung des Menschen in die Erdgeschichte und in das Erdsystem dienen. Basierend auf verschiedenen Ressourcen, Näheres siehe Text (aus Leinfelder 2018).

      Die „Hall of Fame“-Metapher könnte zur Beschwichtigung herhalten, dass ja schon andere vor uns (etwa Methanbakterien, Cyanobakterien, kalkausscheidende Meeresorganismen, Plankton, Gräser etc.) die Erde ebenfalls sehr stark verändert haben, also unser heutiges diesbezügliches Tun doch eher in dieser Tradition steht. Diese möglichen latenten Brüche können aber ganz bewusst in konstruktiver Weise verwendet werden, indem eben auch diese Metaphern entsprechend diskutiert werden. Nicht die Metapher oder das Narrativ allein, sondern vor allem auch das Reflektieren darüber erscheint hilfreich.

      Narrative zu Zeitläufen können hierbei besondere Augenöffner sein. Beim Beispiel der „Hall of Fame“ sollte betont werden, dass die Geschwindigkeit der ökologischen und sogar erdsystemaren Veränderungen in keiner Zeit der Erdgeschichte dermaßen hoch war wie heute und daher die natürlichen Puffer- und Anpassungsmechanismen der Erde heute nicht mehr nachkommen. Das Narrativ, dass Maschinen nicht von alleine etwas für uns tun, sondern von uns „gefüttert“ werden müssen – derzeit leider überwiegend noch mit fossilen Energien – ist ein möglicher Einstieg zur Behandlung der erdgeschichtlichen Entstehung unserer nichtnachwachsenden Ressourcen wie Erzen, seltenen Erden oder fossilen Energieträgern, aber auch von Kalk, Ton oder Sand, die inzwischen von uns zur unglaublichen Menge von 30 Billionen Tonnen Technosphäre umgebaut wurde (siehe Box 1). Besonders interessant erscheint auch das Narrativ der verlässlichen Stabilität des Erdsystems im Holozän als Grundlage für die Neolithische und Industrielle Revolution und damit als wesentliche Grundlage der Entwickung all unserer gesellschaftlichen, meist extrem differenzierten Systeme.