Die Sehnsucht der Kormorane. Silvija Hinzmann
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Название: Die Sehnsucht der Kormorane

Автор: Silvija Hinzmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: wtb Wieser Taschenbuch

isbn: 9783990471104

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      »Spinnst du?«, brüllte Karlović.

      »Ich nicht!«

      Hinter ihnen wütete das Feuer. Dachziegel krachten herunter, der Schuppen, die Bäume und die Lorbeerhecke gingen prasselnd in den Flammen zugrunde. Dicker Rauch verpestete die Luft, Funken flogen wild umher und die glühende Hitze stieg zum Himmel empor. In mehreren Häusern am Hang gingen die Lichter an. Eine Frau schrie von einem Balkon um Hilfe. Bei der Feuerwehr und dem Polizeirevier gingen die ersten Notrufe ein.

      Fünf

      Es ist eine seltsame Sache mit der Zeit, dachte Prohaska, als er mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse ging. An manchen Tagen zogen sich die Stunden wie zähes Karamell dahin und man konnte meinen, die Nacht würde niemals hereinbrechen. Und an anderen wunderte er sich, dass schon wieder zwei Stunden vergangen waren, ohne dass er es bemerkt hatte.

      Aber im Grunde konnte ihm die Zeit egal sein. Hier musste er nicht nach der Uhr leben. Wie oft war er nach einem langen Tag erschöpft ins Bett gefallen, doch kaum, dass er eingeschlafen war, vom Wecker oder einem Anruf aus dem Schlaf gerissen worden, um ohne Frühstück ins Präsidium oder zu einem Tatort zu fahren? Und dabei musste er stets einen kühlen Kopf zu bewahren, seine Kolleginnen und Kollegen motivieren und unterstützen.

      Wenn er an seinen letzten Einsatz dachte, bei dem er angeschossen wurde und sein Leben danach aus den Fugen geraten war, zog sich sein Magen zusammen. Dennoch musste er sich allen Widrigkeiten zum Trotz, die er damals zu bewältigen hatte, eingestehen, dass er seine Arbeit manchmal sehr vermisste. Schließlich hatte er seinen Dienst nicht freiwillig beendet, sondern wurde von einem durchgeknallten Typen von einer Sekunde zur anderen aus der Bahn katapultiert. Der Mann hatte sich nach einem heftigen Streit mit seiner Noch-Ehefrau mit der gemeinsamen fünfjährigen Tochter in der Wohnung verschanzt. Die Frau konnte zu den Nachbarn fliehen und die Polizei verständigen. Er drohte, das Kind und sich selbst zu erschießen, wenn die Frau nicht zu ihm zurückkehrte. Als sich herausstellte, dass der Mann aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte, wurde Prohaska hinzugerufen. Er sollte versuchen, den Mann zur Aufgabe zu überreden. Doch der wurde noch wütender und beschimpfte Prohaska als Verräter. Als die Lage zu eskalieren drohte, stürmten sie die Wohnung. Der Mann saß auf der Couch und hielt das Kind fest. Prohaskas Kollege forderte ihn auf, die Waffe fallen zu lassen. Doch der Mann schoss sofort und der Kollege stürzte tödlich getroffen zu Boden. Der Mann sprang auf, das Kind riss sich los und rannte zu Prohaska, der in der Tür stand und das Kind nach draußen schob. Als er sich wieder umdrehte, stand der Mann da und zielte auf ihn. Sie schossen gleichzeitig. Der Mann kippte auf die Couch zurück. Prohaska hatte ihn am rechten Arm getroffen. Er selbst schlug mit dem Rücken gegen die Wand und sackte in sich zusammen. Weitere Polizisten stürmten herein, fixierten den Mann. Alle schrien durcheinander. Prohaska starrte auf sein linkes Bein. Überall war Blut. Er wurde ohnmächtig und wachte erst nach einer mehrstündigen Operation auf. Die Verletzungen waren schwer. Nach drei Wochen wurde er aus der Klinik entlassen und kam in die Reha. Danach folgte die Gerichtsverhandlung, bei der er freigesprochen wurde, da ihm die Richter Notwehr zubilligten. Aber arbeiten konnte er nicht. Er bekam Depressionen und wurde schließlich frühpensioniert. Die Kollegen riefen immer seltener an, er hing zuhause herum, wurde aufbrausend. Seine Frau Heidi, die als Schreibkraft ebenfalls bei der Polizei arbeitete, kümmerte sich um alles, machte Überstunden, warf ihm schließlich vor, sich gehen zu lassen. Sie stritten sich und versöhnten sich halbherzig und schwiegen dann tagelang. Die Tochter Anna begann nach dem Studium zu arbeiten und zog von zu Hause aus. Als er nach Wochen ohne Krücken gehen konnte, hatte Prohaska sich wieder aufgerappelt. Er machte Spaziergänge und entdeckte sein altes Hobby, das Fotografieren. Er fuhr mit dem Auto durch die Gegend und war bald jeden Tag unterwegs. Es schien, als würde alles wieder in Ordnung kommen. Doch dann fand er eines Morgens seine Frau im Badezimmer auf dem Boden liegend. Sie war nicht ansprechbar, er versuchte sie wiederzubeleben, rief den Notarzt. Doch es war zu spät. Heidi hatte einen schweren Schlaganfall erlitten und war tot.

      Als er seinem Freund Ivo Horvat davon erzählte, schlug dieser vor, für einige Zeit nach Rovinj zu kommen. Prohaska wollte es sich überlegen. Doch nach einem Vierteljahr hielt er es nicht mehr allein in der Wohnung aus, stellte die Möbel in einem Lagerhaus unter, vermietete die Wohnung und fuhr nach Istrien. Die erste Zeit wohnte er bei Ivo und Miranda. Über einen Makler fand er ein altes Steinhaus in Kloštar. Er kaufte es sofort, renovierte es mit ein paar Handwerkern, die Ivo gefunden hatte, und als es fertig war, holte er einen Teil seiner Möbel aus Stuttgart ab. Da Ivos Fotoladen seit einiger Zeit nicht so gut lief und Prohaska sich auch nicht vorstellen konnte, den Rest seines Lebens untätig zu sein, bot er Ivo an, ihm finanziell zu helfen, und wurde sein stiller Teilhaber.

      Prohaska hatte nie bereut, dass er nach Istrien gezogen war. Er war gerne Fotograf, war finanziell unabhängig und konnte tun und lassen, was er wollte. Und dennoch fehlten ihm die Aufregungen und Herausforderungen, die er früher bei der Polizeiarbeit gehabt hatte.

      Das war wohl der Grund, warum er sich hier allzu leicht in irgendwelche Kriminalfälle hineinziehen ließ. Er war ein Polizist und würde es sein Leben lang bleiben, egal wo und wie er lebte.

      Ivo sah diese Rückfälle nicht gern und machte sich Sorgen, dass Prohaska eines Tages in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte. Und tatsächlich verspürte Joe seit seinem letzten »Fall« kaum noch Lust, sich als Privatermittler zu betätigen. Streng genommen war es ja illegal. Er hatte weder die Befugnisse eines Polizeibeamten noch eine Lizenz als Privatdetektiv. Deshalb hatte er diesbezügliche Anfragen, die man mehr oder weniger hinter vorgehaltener Hand an ihn gerichtet hatte, abgelehnt. Allerdings hatte er doch einmal der Bitte von Inspektor Rossi nachgegeben, ihn für eine gelegentliche Zusammenarbeit zu gewinnen.

      Er trank einen Schluck Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, die trüben Gedanken zu verscheuchen.

      So gut es eben ging.

      Am Abend zuvor hatte er bis tief in die Nacht am Rechner gesessen und die unzähligen Fotos, die er von Hochzeiten, Kindergeburtstagen oder anderen Anlässen gemacht hatte, sortiert, bearbeitet oder gelöscht. Die besten auftragsfreien Aufnahmen hatte er auf einem Stick gespeichert. Die Sache mit dem geplanten Istrien-Bildband zog sich hin. Der Mann vom Verlag hatte beim letzten Telefonat versprochen, sich bald zu melden, aber das war auch schon wieder Wochen her. Prohaska nahm sich vor, ihm in den nächsten Tagen zu schreiben und zu fragen, ob er das Buch nun in sein Verlagsprogramm aufnehmen wollte oder nicht. Falls nicht, würde er sich nach einem anderen Verleger umsehen.

      Mittlerweise konnte er sich die Aufträge als Fotograf aussuchen. Was ihm schon schmeichelte, da er sich immer noch als Amateur betrachtete. Nie hätte er gedacht, dass er auf seine alten Tage, wie er scherzhaft sagte, da er sich mit knapp Fünfzig absolut nicht alt fühlte, als Fotograf Karriere machen würde.

      Ivo scheute keine Mühe, für Prohaska die Werbetrommel zu rühren. Eine Visitenkarte hier, ein Wort dort, reichten schon aus. Die Mundpropaganda funktionierte am besten, vor allem, wenn Ivo sagte, Joe Prohaska habe leider kaum Kapazitäten, doch es lasse sich bestimmt ein Termin finden. Er sei gerade bei einer Hochzeitsfeier, drüben in dem piekfeinen Fünf-Sterne-Hotel, die Eltern der Braut gehörten zu den oberen Zehntausend in Zagreb. Oder er sei bei der Einweihung der Niederlassung irgendeines Konzerns. Aber was solle man machen, Geld regiere nun mal die Welt. Die Zeiten seien schlecht, waren es schon immer gewesen, und man müsse zusehen, wo man bleibt. Doch das sagte Ivo nicht laut. Er deutete es lediglich mit ein paar Wortfetzen und Gesten an, das genügte, um bei den Leuten Eindruck zu schinden.

      Überhaupt, dachte Prohaska und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, waren die meisten Menschen leicht zu beeindrucken. Und Ivo war, was Prohaskas Person und seine Fotokunst betraf, zu einem Meister der Andeutungen geworden.

      »Du bist ein Künstler und als solcher solltest du eine Aura haben und dein СКАЧАТЬ