Die Sehnsucht der Kormorane. Silvija Hinzmann
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Название: Die Sehnsucht der Kormorane

Автор: Silvija Hinzmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: wtb Wieser Taschenbuch

isbn: 9783990471104

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СКАЧАТЬ ob die Dosis ausreichte, um ein Herzversagen oder einen Atemstillstand herbeizuführen. Wenn dem so war, wollte sie auf keinen Fall dabei sein. Das Einzige, was zählte, war, dieses Haus so schnell wie möglich zu verlassen, sonst würde alles nur noch schlimmer werden. Im schlimmsten Fall würde sie dafür mit dem Leben bezahlen.

      Sie raffte ihre Sachen vom Boden zusammen, zerrte aus dem Kleiderschrank den Rucksack hervor, den sie dort versteckt hatte, bevor er zurückgekommen und über sie hergefallen war. Zutiefst gekränkt, angeekelt und voller Angst hatte sie es auch diesmal über sich ergehen lassen.

      Als er danach im Badezimmer verschwunden war, hatte sie vier oder fünf Kapseln des Beruhigungsmittels aufgebrochen, das sie in seinem Nachttischchen gefunden hatte und im ersten Moment selbst schlucken wollte. Doch dann hatte sie das Pulver in sein Glas getan. Als er zurückgekommen war, hatte er den Whiskey hinuntergekippt und war wie selbstverständlich zum zweiten Mal grob in sie eingedrungen. Seit dem ersten Tag ihrer Gefangenschaft hatte sie überlegt, wie sie ihm entkommen könnte, aber er hatte ihr den Ausweis, das Handy und das wenige Geld abgenommen, das sie noch hatte. Es sei zu ihrer eigenen Sicherheit. Schließlich sei die Polizei hinter ihr her, sie solle froh sein, dass er ihr hier einen Unterschlupf bot. Sie hatte ihm geglaubt und ihn angefleht, sie über die Grenze nach Slowenien oder mit einem Boot nach Triest zu bringen, aber davon wollte er nichts hören. Es sei viel zu riskant, sie müsse warten, bis sich eine günstige Gelegenheit ergab.

      »Was willst du eigentlich? Du hast ein Dach über dem Kopf, zu essen und zu trinken, außerdem Koks und Sex so viel du willst«, hatte er süffisant lächelnd gesagt und hinzugefügt, dass er etwas mehr Dankbarkeit von ihr erwartet hätte.

      Dieser Mistkerl! Er sah nur ihren makellosen Körper, ihr Gesicht, die langen blonden Haare und ihre meerblauen Augen. Er sah nur die Fassade, und er verdiente eine Menge Geld auf ihre Kosten. Sie hasste sich dafür, ihn aber noch viel mehr. Sie hatte versucht, ihre Identität, aber vor allem ihre Seele zu schützen. Anfangs dachte sie, irgendwann genug Geld beisammenzuhaben, um irgendwo weit weg ein neues Leben beginnen zu können. Aber bald war ihr klar geworden, dass es dazu niemals kommen würde, wenn sie sich nicht selbst aus der Situation befreite.

      Als er sie zu einer Jacht gebracht hatte, war das Maß des Erträglichen überschritten. Dort wartete Antonio Malin mit zwei anderen Männern, die sie noch nie gesehen hatte. Sie war so eingeschüchtert, dass sie kein Wort herausbrachte. Malin war ein paar Mal im Plavi kormoran gewesen und sie hatte bemerkt, dass er sich für sie interessierte, aber das taten andere auch, deshalb hatte sie ihn nicht beachtet. Außerdem war Miroslav rasend eifersüchtig, das behauptete er jedenfalls.

      Sie fragte ihn, wer Malin sei und warum er sie ohne mit der Wimper zu zucken auf seine Jacht brachte. Doch Miroslav schnauzte sie an, sie solle den Mund halten und tun, was er von ihr verlangte. Es gehe um wichtige Geschäfte, er habe keine andere Wahl, müsse Malin wegen einer Sache noch eine Weile bei Laune halten, und sie sei die einzige Person, der er noch vertraue und die ihm aus der Klemme helfen könne. Er werde sie dafür großzügig belohnen, sie müsse nur noch dieses eine Mal so etwas tun.

      Malin gab sich anfangs charmant und betont höflich. Er wechselte mit dem Mistkerl ein paar Worte, der stieg ins Schnellboot und überließ sie ihrem Schicksal.

      Als Malin sie in die Schlafkabine bat, änderte sich die Stimmung. Einer der Männer, ein väterlicher Typ um die sechzig, redete auf sie ein und füllte sie mit Champagner ab. Sie war wie gelähmt und wehrte sich nicht, als sie nacheinander über sie herfielen. Doch als der dritte Mann anfing, mit seinem Smartphone Videoaufnahmen zu machen, bekam sie einen Schreikrampf. Der väterliche Typ stellte sich als aggressiver Wüstling heraus, schnauzte sie an, sie solle kein Theater machen und drohte ihr, sie über Bord zu werfen, wenn sie sich nicht augenblicklich zusammennehme. Malin und der dritte, dessen Namen sie sich nicht einmal merken wollte, gerieten mit dem Alten in Streit, während sie apathisch und mit angezogenen Knien in der Ecke der Kajüte hockte und keinen klaren Gedanken fassen konnte. Die drei tranken weiter, stritten und lachten abwechselnd, ließen ihr eine halbe Stunde Zeit, sich zu beruhigen und gingen aufs Deck, um zu rauchen. Danach ging es noch eine Weile weiter, bis sie endlich genug hatten und einschliefen. Am nächsten Morgen brachte ihr Malin einen Kaffee und tat so, als sei nichts gewesen. Sie hätte ihm das Gebräu am liebsten ins Gesicht geschüttet.

      Miroslav holte sie ab, sprach kurz mit Malin, als ginge es um ein Geschäft, als wäre sie gar nicht vorhanden. Sie war einfach nur fassungslos. Auf der kurzen Fahrt zur Küste sah er stur vor sich hin, während sie zusammengekauert auf der Bank saß und am liebsten über Bord gesprungen wäre. Kaum, dass sie an Land waren, rief Malin ihn an und behauptete, sie habe einem seiner Freunde die Geldbörse gestohlen. Er machte einen furchtbaren Radau, sagte, er habe Beziehungen zu höchsten Kreisen. Da bekam Miroslav Angst, dass Malin am Ende der Polizei einen Tipp geben würde und die Sache in die Öffentlichkeit geraten könnte. Dann wäre Schluss gewesen mit seinem schmutzigen Geld, den dicken Autos, den Drogengeschäften und anderen Machenschaften, und er und seine Kumpanen würden hinter Gittern landen.

      Während er seinen Geschäften nachging, hatte sie das Haus aufgeräumt, was er für eine Selbstverständlichkeit hielt. Dabei hatte sie jeden Winkel durchwühlt, und am Nachmittag endlich ihren Ausweis und das Handy in einer Werkzeugkiste im Abstellraum gefunden. Warum er die nicht in den Safe gelegt hatte, war ihr ein Rätsel.

      Als er am Abend nach Hause kam und die Tür aufschloss, rannte sie ins Freie. Sie kam nicht weit. Er zerrte sie ins Schlafzimmer, warf er sie aufs Bett und vergewaltigte sie. Sie weinte nicht, hatte keine Tränen mehr, ließ es über sich ergehen und hasste ihn abgrundtief. Er drohte, sie umzubringen, wenn sie noch einmal versuchen sollte wegzulaufen. Nachdem er sich beruhigt hatte, drehte er sich auf die Seite und schlief ein.

      Aber das war ein für alle Mal vorbei. Er wird sie nie wieder anfassen. Weder sie noch eine andere. Nie mehr.

      Sie nahm ihre Sachen, ging rasch nach unten ins Wohnzimmer und zog sich im Schein der Handylampe an. Dann holte sie seinen Laptop, öffnete den Wandtresor, nahm die Geldbündel und das Samtsäckchen mit den Diamanten heraus und stopfte alles in ihren Rucksack. In einem Anflug von Größenwahn hatte Miroslav ihr tatsächlich gezeigt, wo er sein Geld hortete, und dabei stolz grinsend auch das Samtsäckchen in die Höhe gehalten. Es war einfach gewesen, sich den Code einzuprägen. Zweimal die Runde gegen den Uhrzeigersinn auf dem Tastenfeld. Als sie ihn gefragt hatte, ob er denn keine Angst habe, dass man ihn bestehlen könnte, hatte er nur gegrinst. Niemand würde es wagen, ihm etwas wegzunehmen, sie solle keinen Scheiß reden. Um seine Worte zu unterstreichen, hatte er ihr ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen. Sie war rückwärts auf die Couch gefallen und als sie aufstehen wollte, hatte er sie nach unten gedrückt, sich zu ihr gesetzt und halbherzig um Entschuldigung gebeten. Er habe es doch nur gut gemeint. Sie solle ein braves Mädchen sein und keine Dummheiten machen. Er habe ihr auch etwas mitgebracht, sie solle sich einfach bedienen. Es sei mehr als genug da. Aber sie wollte kein Kokain. Er zog selbst eine Linie durch die Nase und trank Whiskey. Sie hatte ihm dabei stumm zugesehen und ihn innerlich verflucht. Danach hatte er sie wegen ihrer blutenden Unterlippe von hinten genommen. Doch daran wollte sie nicht denken.

      Dass sie ihn bestohlen hatte, würde er nicht merken. Er wird überhaupt nichts mehr merken, dachte sie, während sie in ihre Turnschuhe schlüpfte und die Jacke anzog. Sie nahm seine Geldbörse, den Schlüsselbund und die Autoschlüssel und verließ das Haus. Der Nachtwind verfing sich im Geflecht der Zypressen, die wie düstere Wächter die Zufahrt säumten. Hinter einem der Bäume bewegte sich etwas, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, was es war. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, dachte sie und fuhr dann doch zusammen, als eine Fledermaus an ihr vorbeihuschte. In den Häusern oben am Hang schliefen die Menschen in ihren Betten. Niemand ahnte, dass sie hier war oder überhaupt existierte.

      Sie rannte zum Schuppen, in dem sein schwarzer BMW X5 stand, öffnete die Fahrertür, sprang hinein und startete den Motor.

      Die Nacht war СКАЧАТЬ