Название: Elfenzeit 7: Sinenomen
Автор: Susanne Picard
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773306
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»Warum nicht?« Nadja sah am Feuer vorbei in einen der dunklen Gänge hinein. Die Schwärze waberte, schien sie zu locken.
»Wegen der Anderen«, sagte der Jugendliche, der neben Emma saß. Er war vielleicht vierzehn Jahre alt, pummlig und kahlgeschoren.
»Hör auf mit dem Schwachsinn, Mike«, widersprach sein Nachbar, der ihm ähnlich wie ein Bruder sah. »Es gibt keine Anderen.«
»Klar gibt’s die. Frag mal Krone.«
»Glaubst du jeden Scheiß, den der erzählt?«
Mike schüttelte den Kopf und seufzte. Er schien die gleiche Diskussion schon einige Male geführt zu haben.
»Was sind das für andere?«, fragte Anne. Sie sprach nicht laut, aber alle wandten sich ihr zu, als sie ihre Stimme hörten.
»Hirngespinste«, antwortete Emma, bevor Mike etwas sagen konnte. »Krones Entschuldigung dafür, dass er nie den Mut hatte, seine Stadt zu suchen.«
»Das stimmt nicht.« Mike beugte sich vor. »Ich hab sie auch gesehen, und ich war nicht bekifft.«
»Ausnahmsweise«, sagte jemand auf der anderen Seite des Feuers. Alle lachten, sogar Mike.
»Sie leben tief in den Tunneln«, fuhr er fort, »und kommen nie nach oben. Nie. Ich bin ihnen begegnet, als ich mich mal verlaufen habe. Ich war tief unten, da war überall Schutt. Ich konnte die U-Acht über mir hören und dachte, wenn ich der Linie folge, komme ich schon irgendwann wieder nach oben. Und auf einmal standen sie da. Hab mich voll erschrocken und fast die Taschenlampe fallen lassen. Sie haben nichts gesagt. Die sahen krass aus, so wie die Typen in dem Horrorfilm, wo der Würfel am Anfang den einen Typen durchhaut.«
»Cube«, sagte eine junge Frau.
»Hellraiser«, widersprach Robert.
Mike nickte. »Ja, genau, Hellraiser. War ein heftiger Film.«
»Was geschah dann?« Nadja spürte, wie die Journalistin in ihr erwachte.
»Nichts. Ich hab mich umgedreht und bin abgehauen. Irgendwann ging’s wieder nach oben und ich kam am Gesundbrunnen raus. Aber die Typen waren da, ehrlich, Krücke. Ich hab mir die nicht eingebildet.«
»Ja, klar.« Der Junge neben ihm, den er als Krücke angesprochen hatte, hob die Schultern. »Bau mal einen. Vielleicht sehe ich sie dann ja auch.«
Gelächter antwortete ihm. Mike presste die Lippen aufeinander, dann griff er in die Innentasche seiner Lederjacke und zog ein Päckchen mit Tabak und eine kleine Tüte heraus. Mit gesenktem Kopf machte er sich an die Arbeit.
Nadja hätte ihn gern noch mehr gefragt, aber sie ahnte, dass er nichts weiter sagen würde, nicht, während die anderen dabei waren. Sie bedauerte das, denn eine weitere Gelegenheit würde sie wohl nicht bekommen.
»Wie seid ihr eigentlich aus Island in die Tunnel gekommen?«, fragte Emma.
»Island?«, fragte eine Frauenstimme jenseits des Feuers. »Da ist doch ein Vulkan ausgebrochen.«
»Was weißt du darüber?« Annes Worte klangen nicht wie eine Frage, eher wie ein Befehl.
Die Frau schien das nicht zu stören. Der Rauch verbarg ihr Gesicht. »Ich war eben oben«, sagte sie. »Da lief das in den Nachrichten. Ein Vulkanausbruch auf Island, bei dem aber nicht viel passiert ist und irgendwas mit einem Nebel, der aufgeklart ist.«
»Teil der Klimakatastrophe«, sagte eine andere Stimme. »Irgendwann werden alle hier unten leben, weil es oben zu abgefuckt ist.«
Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
Nadja achtete nicht darauf. Das waren gute Nachrichten. »Sie haben es geschafft«, sagte sie leise.
»Jemand hat etwas geschafft.« Anne klang nachdenklich. Nadja fragte sich, ob sie mehr wusste, als sie preisgab.
»Wir sollten gehen«, sagte sie zu Robert.
»Darüber sprachen Anne und ich schon. Wir sind nur …« Er zögerte. »… nicht ganz einer Meinung.«
»Dann reden wir jetzt alle darüber.« Nadja sah Emma an. »Könnten wir noch mal dein Zimmer haben?«
Das Mädchen hob die Schultern. »Ist nicht mein Zimmer, sondern das von Toby. Aber der kommt nicht wieder.«
»Und ob der wiederkommt«, sagte Krücke. »Seine Crew erzählt oben überall rum, dass er uns fertigmachen wird.«
Nadja stand auf. Talamh schlief weiter in ihren Armen. Noch war er so leicht, dass sie ihn problemlos tragen konnte.
Robert und Anne standen ebenfalls auf. Die Menschen rund um das Feuer hatten die Frage nach der Herkunft der Fremden bereits vergessen. Sie diskutierten lautstark über Toby, der, den Wortfetzen zufolge, die Nadja hörte, eine Weile bei ihnen gelebt hatte, aber rausgeflogen war, als er begann, Drogen im Bunker zu verkaufen.
Anne betrat das Zimmer als Erste und blieb an der Tür stehen.
Als wolle sie den Ausgang bewachen, dachte Nadja, als sie hinter ihr eintrat und sich auf das Feldbett setzte. Robert folgte ihr. Er stellte das Tablett mit den Tassen und den Kassettenrecorder beiseite, dann zog er den Hocker heran.
»Anne und ich«, sagte er, »haben kurz darüber gesprochen, was wir als Nächstes tun sollten. Ich will zurück nach München. Das klingt jetzt vielleicht egoistisch.« Er fuhr sich mit der Hand über die Bartstoppeln an seinem Kinn. »Nein, es klingt sogar ganz bestimmt egoistisch, aber mein Roman erscheint bald, und die Vorabrezensionen sind so gut, dass der Verlag eine Reihe von Presseterminen angesetzt hat, die ich wahrnehmen sollte. Mein Pseudonym wird dabei gewahrt, was das Interesse auf die Spitze treibt.«
Seine Mundwinkel zuckten. »Ihr wisst schon: mein geheimnisvoller Schattenriss in allen Feuilletons, der Roman besprochen auf 3SAT, ganze fünf Leser, aber der neue Stern am Literaturhimmel.«
Nadja lächelte. »Ich freue mich wirklich für dich. Du hast hart dafür gearbeitet.«
»Anne hat hart dafür gearbeitet. Als meine Muse führt man bestimmt kein einfaches …« Er schien Leben sagen zu wollen, unterbrach sich jedoch. »Dasein«, sagte er dann.
Anne sah ihn an. Nadja fiel es schwer, die Gefühle in ihrem Blick zu lesen. Sie hatte sie und Robert noch nie zusammen erlebt, kannte Anne nur aus seinen Erzählungen. Sie hatte geglaubt, sie führten eine einseitige Beziehung, in der Robert liebte und Anne ihm nach und nach alles nahm – eines Tages wohl auch sein Leben –, aber das schien nicht ganz zu stimmen, das sah Nadja bereits nach dieser kurzen Zeit. Etwas verband die beiden, auch wenn sie noch nicht verstand, was es war.
»Ich will ebenfalls nach Hause«, sagte sie. Das Cairdeas an ihrem Handgelenk gab ihr Hoffnung. »David ist bestimmt schon auf dem Weg, und Talamh wird dort in Sicherheit sein.«
»Wieso СКАЧАТЬ